Sunday, October 28, 2007

KABARETT: PETER PAUL SKREPEK LEHRT RICHARD BURTON IN "NDK" DAS FÜRCHTEN

Hubsi Kramar war vor neun Jahren Peter Paul Skrepeks kongenialer Partner für die ORF-Lebenskünstler-Persiflage. Redete Helmut Zilk (Skrepek) jüngst Richard Burton (Joesi Prokopetz) nieder, so tat er das einst mit Adolf Hitler (Kramar)... (Foto © Manfred Klimek)
.... und danach mit Jesus (Kramar). (Foto © Alexandra Reisinger) - Im März soll das Ur-Zilk-Hitler-Gespann im Rabenhof auferweckt werden. Inzwischen zotet Zilk mit Andreas Vitasek und anderen Kabarettisten in der Roten Bar in NDK


ROTE BAR/ VOLKSTHEATER PETER PAUL SKREPEK MACHT SICH IN NACH DER KRITIK ZUM "CREATIVE-INDUSTRIAL CREATIVITY"-SATIRIKER DES VOLKSTHEATERS. MIT JOESI PROKOPETZ ALS RICHARD BURTON HATTE ER WEDER ANGST VOR VIRGINIA WOOLF, NOCH VOR ÖSTERREICHS KRITIKERN

Sicher, Richard Burton und Elizabeth Taylor mögen miteinander maßlos gesoffen, und Richard wird Elizabeth "wegen des Nagelns" geheiratet haben. Das mag auch der Grund sein, warum Helmut Zilk mit seiner Dagi Koller "in der Naglergasse wohnt, wo sie ihn um vier Uhr früh gern haben kann". Was aber nur als nostalgische Reminiszenz gemeint sein wird. Denn im direkten Körperkontakt läuft bei den Beiden bekanntlich seit rund 15 Jahren gar nichts mehr. Diesbezüglich hätte sich der zilksche Peter Paul Skrepek, Erfinder von Nach der Kritik in der Roten Bar, schon genauer in den Klatschspalten umsehen können. - Seine "angewandte" Lebenskünstler-Persiflage nimmt sich hiermit nach den großen Neuinszenierungen im Volkstheater-Haupthaus seriell - das müßte man dann wohl "creative-industrial creativity" nennen - erneut der "besten" Zeitungskritiken an. - ? Wo war die von intimacy: art!

Burton im Körper von Joesi Prokopetz - gleich dessen ebenso deklariertem Vater also alkoholisch umnebelt - hat ansonsten leider gar nichts mit Sprache und Wesen, geschweige denn dem Körper des attraktiven Burton gemein. Den letzten Rest an Männlichkeit raubt ihm das Cäsarengewand, angelehnt an seine Filmrolle in Cleopatra - ein echter Schlag ins Aug. Den Sexmaniac ist man dem Publikum also nicht nur in der Volkstheaterversion mit Günter Franzmeier als George schuldig geblieben, sondern auch hier, in dieser Kritik von der Kritik, was wir hiermit kritisieren.

Sexprotz Peter Paul Skrepek

Der Sexsprotz sitzt dafür im schlanken Hünen Peter Paul Skrepek, mitsamt zilkschem Handstumpen, den er behutsam liebkosend im zur Krawatte passenden Tüchlein verpackt hält. Das skrepeksche Jugendantlitz erstrahlt unterm weißgefärbten Zilkhaar. Doch tatsächlich betörend ist etwas anderes. Damit offenbart sich der künstlerische Appeal, der im Darstellungsgewerbe seit jeher - oder besser: wie es früher einmal war - viel wichtiger ist als Äußerlichkeiten: Es ist Skrepeks Fähigkeit zur Intuition aus dem momentanen Augenblick heraus. (Ist das eine Begabung? Kann man das lernen?)

Es könnte auch sein, dass die Langzeittätigkeit des Bandmusikers, Musikpädagogen und Gewerkschafters nun im Künstler durchbricht: Nicht nur, dass er während des Programms auf jede kleinste Publikumsreaktion eingeht und diese über Herrn Franz (Christoph F. Krutzler schreibt über einen deutschen Besucher auf die Tafel: "Johannes S. schwätzt.") in das Stückkonzept integriert bzw. jene steuernd vorwegnimmt; auch Skrepeks wahnsinnig treffende Zilkkopie in Stimme, Gestik und Argumentationsweise des ORF-Moderators ist darauf zurück zu führen.

Vom Egozentriker zum Egozentriker

Das hat mit mehr zu tun als mit Musikgehör. Dieser Mensch muß mit einem überdurchschnittlichen IQ bei intellektueller Gefühlsbegabung gesegnet sein! Im Zuge des Intimitätentratsch-austauschenden Wortgefechts mit Peinlichkeitsschnitzern wie "Kategorischer Infinitiv", die er so gut wie alleine bestreitet - denn beim kumpelhaften Autoritätsegomanen Zilk kommt ja bekanntlich niemand zu Wort - hält aber auch der Mann hinter dem "Altbürgermeister" mit seiner Eigenwelt nicht zurück. Da könnte man sich fragen, ob im echten Skrepek in Wahrheit nicht auch ein kleiner Zilk schlummert?

Es geht somit anspruchsvoller als bei Zilk auch um Glaubensdebatten bis zu todesbezogenen Seinsfragen - Zitat: "Der Tod zieht sich wie ein roter Faden durchs Leben." Es geht um gewerkschaftliche Rechtsfälle - Zitat: "Alle Banken gehören einer Firma, deshalb gibt es einen guten Grund, warum nach der Bawag die Volksbank Sponsor ist." - jene von Künstlern und deren AMS-"Alternative"...

Von der Werbeniedrigkeit Österreichs Kritiken

Schlapp waren nur die Kritikauszüge bei anscheinend völlig widersprüchlichen und damit beliebigen Schauspielerbewertungen, über die das Publikum abzustimmen hatte, und dass eine der Fadesten - jene von Barbara Petsch - trotz Skrepeks proklamiertem "Liebling", Ronald Pohl, und Zilks "Liebling", Eva Maria "Kaiser", gewann. Das beweist wiederum, wie "armselig" Österreichs Kritiken im Schnitt sind: von der schnell produzierten, da nur einen Tag zu überdauernden, Textqualität bis zum Urteil. Eigentlich ist das aber auch egal, denn Tatsache ist: Selbst wenn glaubwürdige Kritiker das Publikum zur Wahrnehmung echter Kunst heran zu erziehen vermochten, sodass am Ende nur noch gute Kunst gezeigt würde, käme das die Kulturpolitik letztendlich zu teuer, um sie auch dem kleinen Mann vorführen zu können. Kritik ist und bleibt in Österreich daher nur themengebendes Namedropping zugunsten allem Aufgeführten und ist damit Werbung im oberflächlichsten Sinne. Deshalb verdienen die Kritiken es zurecht - wie hier - im "Oscarersatz-Geschenk" an Burton zu landen: im rosa Müllkorb. e.o.


DAS URTEIL DER EX-GEWERKSCHAFTER ALS SATIRISCHER VERMITTLER ZWISCHEN KRITIK UND THEATER - WENN DER SKREPEK NICHT SO GUT WÄRE, MÜSSTE MAN DIE KRITIKEN UNGELESEN IN DEN MÜLL WERFEN!

Nächste NDK-Vorstellung in der Roten Bar / Volkstheater
KABARETT-SATIRE NDK Folge 17 - Nach der Kritik@Peer Gynt * Kabarett & Satire von und mit Peter Paul Skrepek (als Helmut Zilk) * Mit: Christoph F. Krutzler + special guest: ein VIP der schauspielerischen Sonderklasse, den Sie alle kennen ..., als Claus Peymann * Ort: Rote Bar / Volkstheater * Zeit: 26.11.2008: 22h30 * Karten: 7 €

Statt NDK Ernstgespräch

denkBar Kulturoffensive ­: wem gibt die Kunst ihre Stimme? Ganz nach dem Motto: Mitten im Wahlkampf reden sie von Kultur - und was danach davon bleibt, das sollten Sie kontrollieren!
* Im Rahmen von Wort & Spiele, konzipiert von Sibylle Fritsch * Mit: Moderator als sich selbst Peter Paul Skrepek, Josef Cap [SPÖ-Klubobmann], Wolfgang Zinggl [Kultursprecher Grüne], Rudolf Berger [Kultursprecher LIF], Gerhard Kurzmann [Kultursprecher FPÖ], Franz Ferdinand Wolf [Kultur ÖVP-Wien] - und dass das BZÖ niemanden schickt, wird es bitter bereuen! * Ort: Rote Bar/Volkstheater * Zeit: 17.9.2008: 22h,
Ein- und Austritt frei! , siehe www.volkstheater.at
Nächste ZILK-HITLER-Aufführung (NDK-Vorläufer) im Theater im Rabenhof

RABENHOF-GALA Dr. Helmut Zilk (P.P. Skrepek) im Gespräch mit Dr. Alfred maschekkanzler * Ort: Theater im Rabenhof * Zeit: 17.9.2008: 20h
SATIRE-KABARETT ÜBERLEBENSKÜNSTLER - DAS 20. JAHRHUNDERT I * Dr. Helmut Zilk im Gespräch mit Adolf Hitler (bzw. ab Herbst auch Jesus), aktualisierte Version * Von und mit: Peter Paul Skrepek (Zilk), Hubsi Kramar (Hitler) * Regie: Thomas Gratzer * - Ort 1: Theater im Rabenhof *
WEGEN AUSVERKAUFS ALLER ZILK-HITLER-VORSTELLUNGEN: WIEDERHOLUNGSABENDE IM HERBST: Zeit:1., 5.10. + 2.11.2008: 20h
siehe www.rabenhof.at
- Ort 2: Cinema Paradiso, St. Pölten * Zeit:6.11.2008: 20h
- Ort 3: Anton Bruckner Centrum, Ansfelden * Zeit: 8.11.2008: 20h

Friday, October 26, 2007

MUSIK: BEETHOVENS UND TONU KALJUSTES GOTTESVISION BEI "MISSA SOLEMNIS"

Er ist ein weniger kontrastliebender Dirigent als Kristjan Järvi, weiß die Tonkünstler aber auf andere Art zu Höchstleistungen zu bringen: Este und Chorspezialist Tõnu Kaljuste (Foto: © Tonkünstler)


MUSIKVEREIN MISSA SOLEMNIS, EINE MESSE - DAS KLINGT, OBWOHL VON BEETHOVEN, SCHRECKLICH. DANK TONKÜNSTLER, DIRIGENT TONU KALJUSTE, DEM SLOWAKISCHEN PHILHARMONISCHEN CHOR UND BERÜCKENDER SOLISTEN WIRD ES ABER ZUR ÜBERRASCHUNG DES MONATS

Wird man als fortschrittlich aufgeschlossener Kulturfreund, der den "Freund" zu seinem Beruf gemacht hat, zu einem Konzert Missa solemnis mit "sakralmusikalischer Vertonung des Messetextes" im Wiener Musikverein geladen, legt man die Einladung erst mal beiseite. Das klingt nach "Kirche", nach "Pflicht", nach "moralisch", nach "fad". - Und das braucht man im Alltagsstreß nicht auch noch, man möchte sich abends gehen lassen, wenn auch anspruchsvoll und anregend. Es ist zudem nichts, wofür sich ein verantwortungsbewußter Kulturkritiker einsetzen will, so "rückständig-weltfremd" wie "konservativ" sich das anhört. Doch da man weiß, dass das - vom estnisch-amerkanischen Kristjan Järvi geleitete - ansonsten innovative Tonkünstler-Orchester Niederösterreich spielt, dass da ein estnischer Dirigent (Esten sind meistens gut!) namens Tõnu Kaljuste werkt, der als weltbester Chorentwickler gilt, und dass der radikale Komponist, Ludwig van Beethoven, diese Arbeit selbst "für seine Größte" hielt, beschließt man in letzter Minute doch, sich diesem Experiment zu überlassen. - Und siehe da, nach diesem Konzert will man katholisch werden, wenn man es nicht schon ist, will man ab sofort täglich in die Kirche gehen, will man sobald als möglich beichten, will man Schwarz wählen, ... wird man wissen, was tiefste Religion ist, sodass sie einen blendet.

Zum Himmel erweckte Litaneien

Denn die Litaneien, die man als Kind in der Kirche mitplapperte, ohne sie je zu verstehen - "Herr, erbarme dich unser, Christus erbarme dich unser... Ehre sei Gott in der Höhe Und auf Erden Friede den Menschen ... Lamm Gottes, Du nimmst hinweg die Sünde der Welt..." - bekommen plötzlich Inhalt. Diese Musik erklärt sie so deutlich, so großartig, weil Beethoven sie während seiner vierjährigen Komponierzeit von 1819 bis 1823 von ihrer Substanz her ergründete und aus der Tiefe seiner ganzen Glaubenskraft umsetzte. Für die himmlisch-archaische Gewalt dieser Musik, die über jede reale Hemmschwelle hinaus wächst, mag Beethovens Taubheit mitverantwortlich sein, die zu dieser Zeit sehr fortgeschritten sein mußte; er starb vier Jahre danach. So stark kann nur die Fantasie ohne akustische Ablenkung sein. Als Widmung schrieb Beethoven zur Partitur: "Von Hertzen - Möge es wieder - zu Hertzen gehen." Und das tut sie, hier im Musikverein geht sie zu Herzen.

Fernab von jedem Kirchensound eines Männer- und Frauen-Chors wird hier der gigantisch große Slowakische Philharmonische Chor mit Solostimmen kombiniert - von der an erster Stelle überwältigend schön, leise singenden Sopranistin Andrea Lauren Brown und vom perfekt "dienenden" Tenor, Lothar Odinius, die in Kyrie und Credo die Hauptpartien geben, sowie des wunderbaren, im Sanctus auch bassstarken Baritons Klemens Sander und der Mezzosopranistin Hermine Haselböck. Das ertönt als symphonisches Himmelswerk voll vehementer Rhythmik, Gewalt, Radikalität. Es bedient sich der historischen Kirchenmusik, um sich in der Feier Gottes zu befrieden. Jedoch in unaufdringlich, allzeitgültiger Weise, wo keine einzelnen Stimmen hervor stechen, sondern in echoartigem Kanon aus diversen Tonhöhen wiederholend gesungenen Kopfmotiven sanft und weich in einander verschwimmen. Das ist ein perfekt dirigierter, zwischen laut und leise changierender Engelsrausch mit Pauke und Orgelspiel, der sich selbst am Ende im Agnus Dei, trotz Einzugs des erlösenden Christus, noch gegen die kriegerische Dramatik des Lebens zu behaupten hat. Das, obwohl die Violine von Vahid Khadem-Missagh im Sanctus, so leidenschaftlich für die profane Menschheit sprechend, ihr solistisches Veto einlegen durfte. - Dieses Klangerlebnis läßt sich nicht beschreiben, man muß es gehört haben, es raubt einem die Worte. e.o./r.r.


DAS URTEIL DAS IST HÖCHSTE MUSIKKUNST, OHNE JEDE AUFDRINGLICHKEIT; DAS IST GOTT.

Nächste Tonkünstler-Events:
* KONZERT Tonkünstler-Orchester: Harmonielehre * LUKAS LIGETI «Centrifuge». (Uraufführung), MARK-ANTHONY TURNAGE «Kai» für Violoncello Solo und Ensemble, JOHN ADAMS «Harmonielehre» für großes Orchester * Dirigent: Kristjan Järvi * Mit: Tonkünstler-Orchester Niederösterreich * Mit: Orfeo Mandozzi (Violoncello) * Ort: Festspielhaus St. Pölten * Zeit: 31. 10. 2007: 19h30
* KONZERT Plugged-In: All That Tango * IGOR STRAWINSKI Rag Time, FRANK ZAPPA Be-Bop Tango, IGOR STRAWINSKI Tango für Orchester (Fassung von 1953), ASTOR PIAZZOLLA Konzerte für Bandoneon und Orchester + Milonga del Angel, CAREL KRAAYENHOF Desconcierto * Dirigent: Kristjan Järvi * Mit: Tonkünstler-Orchester Niederösterreich * Mit: Carel Kraayenhof (Bandoneon), Sebastian van Delft (Klavier) * Ort: Musikverein, Großer Saal * Zeit: 8.11.2007: 20h30
* KONZERT Tonkünstler-Orchester: Adagietto * RICHARD STRAUSS «Vier letzte Lieder» für Sopran und Orchester, GUSTAV MAHLER Symphonie Nr. 5 cis-moll * Dirigent: Claus Peter Flor * Mit: Tonkünstler-Orchester Niederösterreich * Mit: Ann Peterson (Sopran) * Ort + Zeit: Musikverein Wien, 11.11.2007: 16h; * Ort: Festspielhaus St. Pölten, 12.11.2007: 19h30

Thursday, October 25, 2007

OPER: VALERY GERGIEV MIT "DER SPIELER" ALTKULTIG IM RUSSENFIEBER

Das ist ein russischer Dirigent, wie man sich einen russischen Dirigenten seit Prokofjews und Eisensteins Iwan der Schreckliche vorstellt: Valery Gergiev (Foto: © Clive Barda)


Das Theater an der Wien war offensichtlich so "stolz" auf die altmodische Inszenierung des Mariinsky Theaters, dass es die Fotos von Der Spieler superklein vergab bzw. zurück hielt (Foto: © Theater/Wien)


THEATER AN DER WIEN VALERY GERGIEV MIT DEM RUSSISCHEN MARIINSKY THEATER UND ORCHESTER IN WIEN ZU GAST - SIE SPIELTEN UNTER DER REGIE VON TEMUR TSCHCHEIDZE PROKOFJEWS DER SPIELER - ZWISCHEN KLISCHEE UND STUMMFILMKULT

Unlängst, im Theater an der Wien, konnte man erfahren, was den Wert des Klischees ausmacht. Dieses Klischee ist in Einzelfällen als Qualität zu verkaufen. Ganz besonders das russische Klischee, das selbstverständlich vom vorigen Jahrhundert herrühren muss. Mit dem Gastspiel des Mariinsky Theaters St. Petersburg Der Spieler nach der gleichnamigen Erzählung von Fjodor M. Dostojewski wird man ins dramatische Schauspielpathos überbordender Mimik und Gestik in depressiv-schwarzer Leidenschaftsoptik versetzt. Das erinnert automatisch an Sergej Eisensteins Stumm- und ersten Sprechfilme Alexander Newski (1938) und Iwan der Schreckliche (1944), die die heute konnotierte "kommunistisch-russische" Propaganda-Theatralität nicht zuletzt wegen Sergej Prokofjews Filmmusik erhielten. Dem gleichen Komponisten wie von der Oper Der Spieler. Da dieser nun auch noch das russische Ballett (etwa mit dem grandiosen Romeo und Julia) maßgeblich prägte, kommt man nicht umhin, weitere Querverbindungen zum derzeit in Österreichs Staatsoper residierenden, "russischen" Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper zu ziehen. - Zuletzt erlebte es mit Tschaikowskys Der Nussknacker, beim Versuch den Russenstil zu "modernisieren", seinen Tiefpunkt. - Insofern: Besser alles total russisch, in russischer Sprache, in hundert Jahre altem Russen-Klischee, als ein verworrenes Mischmasch, das Leute (Ballettdirektor Gyula Harangozo) produzieren, die in ihrem tiefen Inneren keinerlei Sinn für die Moderne haben. - Dann haben wir eben ganz offiziell Russisches Ballett in Wien - wird den österreichischen Staatsherren ja sicher entgegen kommen beim Geschäfte aushandeln, nicht?! Und den Russen in Wien wird´s auch gefallen, von denen es ganz viele zu geben scheint, denn Der Spieler sorgte auch am dritten Tag für ein bummvolles Theater an der Wien; es war - trotz katastrophaler österrreichischer Kritiken - "russisch" ausverkauft!

"Echte" Russen am Pult und auf der Bühne

Mit ein Grund für den "Hit-Faktor" mag Dirigent Valery Gergiev sein, der mit zerzaust schwarzem Haar, dämonischer Körperbehaarung, dunklen Glutaugen nicht nur äußerlich genau "dem Russen" entspricht, den sich der (Österreich)tourist in seinen Klischeeaugen erträumt, sondern auch im Dirigatstil, indem er bei ungestümer Artikulation und wildem Blick zum despotischen Helden in den sibirisch-kasachischen Ohnmachtsfantasien gelangweilter (österreichischer) Hausfrauen aufsteigt. Man/Frau kommt in diesem Fall ja sowieso nur wegen der Musik in die Oper. Die beginnt auch gleich mit einem gehörigen Wirbel, mit großem orgiastischem Gebläse, sie tanzt sich im schnellen Wechsel betrunken und wahnsinnig rhythmisch von Melancholie in blitzschnelle Raserei und endet doch wieder in undefinierbar-geheimnisvoller Lustigkeit, sodass ihr wahrer Gefühlsausdruck (ohne Dialog) nie festzumachen ist; sie reißt einfach von einer Unruhe zur anderen, stets doppeldeutig, in fantastisch-schwindeliger Fülle und erinnert wiederholt an die berühmte Musikstelle im Film Der weiße Hai (wenn der gefährliche Hai kommt).

Denn auf der gleich bleibenden, lediglich durch Rolos variierten, düsteren Bühne geht es um Schein und Scheinheiligkeit der gehobenen russischen Bourgeousie, die der "gefährlichen" Spielsucht verfallen ist und deshalb an nichts anderes denkt als "wie" an das Erbe und Geld der reichen Verwandtschaft zu kommen, genau genommen, der Großmutter (Ljubow Sokolowa - für unsere Verhältnisse "im Rollstuhl" und "im Hamlet-Make-up" und "in üppigem Mimenspiel" reif für den Bauernschwank; für russische Verhältnisse: Riesen-Applaus-würdig), die jede Falschheit verabscheut und prinzipiell jedem mißtraut. Der "Spieler", Alexej (Wladimir Galuzin - für unsere Verhältnisse mit zerrissen-rastlosem, vollem Timbre ein richtiges Ost-Mannsbild ohne lyrische Sensibilität, also fast ein "Iwan der Schreckliche"; für Russische: ein Riesen-Star), ist zunächst noch die Hoffnungsfigur, die für die Liebe sein gewonnenes Geld hergeben will. Doch nachdem selbst die Oma ihr Bares verspielt hat, ist auch Alexej dem Spieltrieb hoffnungslos erlegen. - Im dritten und vierten Akt gewinnen alle Figuren - mit der größeren Klarheit des Musikausdrucks - an Profil, die Liebesaufgabe des Helden zugunsten des Geldes bliebe ohne Libretto allerdings unerkannt. - Insgesamt ein spürbarer Routine-Akt des Ensembles, einschließlich des Dirigenten; aber wie gesagt, besser so, als modern-alt-vernudelt. e.o. / r.r.


DAS URTEIL EIN RUSSISCHES GASTSPIEL, DAS JEDE TOURISTISCHE ERWARTUNG ERFÜLLT - WENN MAN DIE WIENER IN WIEN ALS TOURISTEN BEZEICHNET. PROKOFJEW ALS OPER RUSSISCH ZU HÖREN UND ZU SEHEN, IST ENTWEDER ALTMODISCH ODER HISTORISCHER KULT Á LA SERGEJ EISENSTEIN.

Sunday, October 21, 2007

FILM: "LADY CHATTERLEY" ALS ORGASMUSSTUDIE VON PASCALE FERRAN

Bei den ersten Sextreffen freut sich Lady Chatterley einfach nur, wenn der Wildhüter Parkin bei ihr "kommt" ...

... doch dann, etwa im Regen, nach einem Baby-Aha-Erlebnis, ergreift sie die Initiative, und "kommt mit ihm".

Danach wird ihr gegenseitiges Begehren und ihre Liebe immer stärker und übermütiger. Sie reißen sämtliche Konventionen nieder. (Fotos © VIENNALE 2007)


VIENNALE PASCALE FERRAN ZEIGT MÄNNERN, WIE FRAUEN ZUM HÖHEPUNKT KOMMEN, UND WAS IHNEN SONST NOCH BEIM SEX GEFÄLLT: IN LADY CHATTERLEY

Lady Chatterley von Pascale Ferran bei der Viennale - und wieder einmal wird klar, wie unterschiedlich Frauen und Männer Sex erleben. Nicht nur, dass der Markt an Pornofilmen ausschließlich auf die "Männer"-Erotisierung zugeschnitten ist; auch die Erotik in Spielfilmen deckt in der Regel männliche Bedürfnisse ab. Es scheint ausreichend, dass - ob nun mit oder ohne Vorgeschichte - zwei Körper zusammentreffen und (schnell) zum Zug kommen. Als genügten zwei Leiber beim Liebesaustauch zur Befriedigung beider Partner! - Angeblich ist Sex ja die natürlichste und einfachste Sache der Welt! Immerhin - alle zehn Jahre - kommt dann ein Film auf den Markt, der zeigt, wie das mit der weiblichen Lust tatsächlich funktioniert: So, dass auch "sie" einen Orgasmus hat, nachdem parallel offenbart wird, wenn und wie sie "keinen" hat. Wobei nicht gesagt ist, dass zweiteres ihr nicht auch ein gewisses Maß an Freude bereiten kann; es ist das "andere" am Sex, das der Frau sehr wichtig ist: sich nicht am "eigenen", sondern über den Höhepunkt des Mannes zu freuen, was sich als Gefühl von "vertraulicher Nähe" in ihr breit macht. Das Vertrauen dient dann zur Vorbereitung auf den wiederholten Sex mit diesem Mann. (Was - von der Natur so eingerichtet - wohl die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft erhöhen soll. Und mit der angenehmen Begleiterscheinung, dass sich die Frau mit dem wachsenden Vertrauen fallen lassen kann: was dann auch zum Orgasmus führt.) Deshalb ist die Bindung zum Partner bei Frauen nach dem Sex auch viel stärker als bei Männern...

Porno von und für Frauen

Es verwundert kaum, dass solche Filme stets von weiblichen Regisseuren stammen. Wie jetzt die Französin Pascale Ferran (47) schöpfte 1993 schon die Neuseeländerin Jane Campion (53) in Das Piano aus einer ähnlichen charakterlichen Grundkonstellation der beiden Liebespartner. "Er" ist ein wilder Außenseiter, mit weiblich-musischer Sensibilität gegenüber Natur bzw. Musik. "Sie" ist unglücklich verheiratet mit einem reichen, ungeliebten Patriarchen, mit dem sie entweder nicht schlafen kann oder will. Beide frigide Frauen werden vom gesellschaftlichen No-Name, dem "Einsiedler", zu größter Lust stimuliert. Weil jener Ausnahme-Mann viel bedachter und raffinierter vorgeht, als der anerkannte Egoisten-Zampano an ihrer offiziellen Seite, weil der wilde Romantiker in ihre Lebenswelt eintaucht, ihre ästhetische Fantasie weckt, sie "sogar" teilt. Möglicherweise steckt dahinter aber nur weibliches Wunschdenken, selbst wenn Hoffnung besteht: Denn Lady Chatterley stammt als Ur-Roman von einem Mann! Es ist das skandalöse John Thomas and Lady Jane aus dem Jahr 1927 des Briten D.H. Lawrence.

Von der fragilen Annäherung zum Höhepunkt

Was die Welt daran schockierte, war allerdings die Politik: Dass eine großbürgerliche Frau einen klassenniedrigeren Mann begehren könnte. "Ihre" sexuelle Begierde hat damit wiederum nur am Rande zu tun. Natürlich ist es der starke, männliche Körper, der Lady Chatterley zuerst (sofort sexuell) anzieht. Sie, die den ganzen Tag ihren - aus dem Krieg gelähmt zurückgekommenen - Mann pflegt und deshalb schon fast krank ist, sieht den Wildhüter Parkin während eines Spaziergangs, wie er sich bei seiner Hütte im Wald wäscht. Dorthin gelangte sie wegen dort blühender "Narzissen", wegen der Natur, was sich "naturgemäß" mit der Faszination des Wildhüters deckt. Grüne Bilder, stumme Aufnahmen, kaum Musik, und wenn, dann nur vom Klavier, Naturgeräusche, spröde Dialoge, vermitteln ihrer beider Intuitionsfähigkeit. Rein äußerlich wäre Parkin (Jean-Louis Coulloc´h) sogar unattraktiver als Lady Chatterleys (Marina Hands) Ehemann Clifford (Hippolyte Girardot). Die von ihr ausgehende Annäherung bleibt für den Zuschauer also überraschend spannend, während sie sich sehr verzögert intensiviert: Parkin ist anfangs schroff und ablehnend, da er sich gar nicht traut, sie, die "Vorgesetzte", als Frau wahrzunehmen. Als sie dann aber um "seinen" Hütten-Schlüssel zum "gelegentlichen" Ausruhen bittet - ein eindeutiges Symbol - scheint das Eis langsam zu brechen. Zuerst sieht er unter all dem Gewand ihre bestrumpften Fesseln (wie in Das Piano), dann ihre Anmut, als sie im Garten eine Blume pflanzt, schließlich, dass sie beim Angreifen eines Kückens weint. - Eindrücke ihrer großen Sehnsucht nach Zärtlichkeit, der er nicht länger widerstehen kann. Wobei das Hinauszögern von beiden Seiten, indem er sie nie berührt und sie es des öfteren ein oder zwei Tage lang nicht zur Hütte schafft, letztendlich "ihr" dient, um tatsächlich "kommen" zu "können".

Von der Kunst des Hinauszögerns

Und doch klappt es beim ersten Mal noch nicht ganz: Parkin fragt nur, "wollen Sie?", geht mit ihr in die Hütte, zieht sich die Hose runter und stößt sie, ohne sie anzusehen (geschweige denn, dass der Zuseher einen Milimeter Haut sehen würde). Das Ganze ist eine 1-Minutenaktion, begleitet von Orchestermusik und Naturbildern, wo nur er etwas davon hat, und sagt: "Das mußte ja so kommen." Sie: "Ich glaube auch." Er ist verunsichert, aber so rücksichtsvoll zu bemerken, "ob sie sich erniedrigt fühle", worauf sie ihm versichert, "nein, Sie gefallen mir". Doch besucht sie ihn den nächsten Tag nicht, sondern erst den übernächsten. Wieder läuft das Ganze vollbekleidet zu seiner Befriedigung ab. Und sie "lächelt"... Die nächsten Tage meidet sie die Hütte und besucht im Dorf eine junge Mutter mit Baby. Da scheint bei ihr der Geistesblitz einzuschlagen... Auf dem Rückweg läuft ihr Parkin über den Weg, er weicht ihr beleidigt aus, sie rennt ihm hinter her und treibt es auf und mit ihm an einem Baum. Zeitlupenaufnahme. Endlich schreien beide "laut" ihren Höhepunkt heraus. Parkin freut sich: "Diesmal sind wir gemeinsam gekommen." Und sie bedankt sich bei ihm.

Sex gegen die Welt

Ab nun wird die Liebesbeziehung bei beiden von Mal zu Mal stärker, er kann nachts nicht schlafen, wartet vor ihrem Haus, manchmal schleicht sie sich raus. Bis eines Tages die Kleider fallen und sie endlich in voller Wahrnehmung und Liebkosung ihrer beider Körper ihrem Ehegatten Clifford ein Kind unterjubeln - der ist einverstanden, allerdings unter der Bedingung, dass es von jemandem sein müsse, der ihm "standesgemäß" sei. Und Lady Chatterley findet zu einem Trick, dass er es glauben wird...
Ein ständiges Beisammensein bleibt den Liebenden letztendlich verwehrt - schon weil sich der stolze Parkin niemals von einer Frau aushalten lassen würde. Doch eine letzte Aussprache zeigt, dass sie zusammen kamen und, wenn nötig, immer für einander da sein werden, weil sie sich gegenseitig befrei(t)en: er als sich erniedrigt fühlender Einzelgänger, sie als asexuell-einsames Beiwerk ihres Gatten. Und deshalb ist ihr Sex so großartig: weil er ein beidseitiger Befreiungsschlag gegen die Welt ist. e.o.


DAS URTEIL DER FILM ERLEBT IM LETZTEN DRITTEL EINEN RHYTHMISCHEN BRUCH UND WIRD DESHALB ALS ZU LANG EMPFUNDEN. DIE SEXUELLE SPANNUNG IST ALLERDINGS ATEMBERAUBEND: FÜR FRAUEN!

FILM Lady Chatterley * Frankreich 2006 * Von: Pascale Ferran, Roger Bohbot nach dem Roman John Thomas and Lady Jane von D.H. Lawrence * Regie: Pascale Ferran * Kamera: Julien Hirsch * Verleih: Stadtkino Wien * Mit: Marina Hands, Jean-Louis Coulloc´h, Hippolyte Girardot * Auszeichnungen: Césars 2007: u.a. Bester Film, Beste Darstellerin, Beste Kamera * Ort + Zeit: Viennale - Stadtkino: 28.10.: 12h, VIennale - Gartenbaukino: 29.10.2007: 20h, Gartenbaukino (im regulären Betrieb): ab 3.11.2007

Thursday, October 18, 2007

FILM: GUS VAN SANT SCHLÄGT MIT "PARANOID PARK" ALLE VIENNALE-PREVIEWS

Alex (Gabe Nevins) verbringt viel Zeit mit der Skateboard-Clique, und ist doch ganz allein: Nach einem Unfall mit tödlichem Ausgang weiß er es umso besser, und findet so zu sich selbst ... (Foto © VIENNALE 2007)


VIENNALE GUS VAN SANT IST MIT PARANOID PARK DIE NUMMER 1 IN DER PRESSE-VORSCHAU DES FILMFESTIVALS

Von acht Filmen (Dokus: Prinzessinnenbad, Stealing Klimt; Spielfilme mit Doku-Themen bzw. -Schauplätzen: Import Export, Am Ende kommen Touristen, Free Rainer; und Spielfilme: Michael Clayton, Lady Chatterley - siehe nächste Kritik auf intimacy: art), die die Journalisten vor Start des Wiener Filmfestivals Viennale (19.-31.10.2007) begutachten konnten, sticht Gus Van Sants Spielfilm im Doku-Schauplatz, Paranoid Park, eindeutig als bester Film hervor. Sowohl formal, als auch in der suggestiven Ansprache von normalerweise Unausgesprochenem zeigt er sich als größtes Genie. Da kann man sich noch so sehr fragen, warum er dazu stets das Thema der Jugendwelt braucht; was ihn wohl an der Jugendlichen-Zeit so faszinieren mag? Mit Betonung auf Jugendliche, nicht Jugend, wohlgemerkt. - Das nimmt zumindest vorweg, dass ihn weniger die jugendliche Ausstrahlung als sexueller Reiz, als die damit einhergehende Problematik des unsicheren Lebensgefühls inspirieren muss. (Bei Homosexuellen, wozu sich Gus Van Sant bekennt, trifft das ja sonst stets umgekehrt zu. Und auch bei Durchschnittsmännern...)

Vom Wert der Unsicherheit

Unsicher im Sinne von "unberechenbar" ist demnach alles, wofür der Regisseur aus der Unsicherheit schöpft: zugunsten der ständig überraschenden Form, die das brenzlige Geschehen umso bewußter überwacht, indem sie es nachdrücklich verunsichernd kommentiert. Am stärksten fällt es durch die (scheinbar) unpassende Musik auf - Kompliment an Van Sants ausgezeichneten Musikgeschmack bei Nino Rota, Ethan Rose bis Suzanne Vega! -, die für das Geschehen zum umdeutenden Manifest einer allwissenden Wahrheit wird. Da spürt man den steuernden "Macher" van Sant am besten, aber auch dessen große Sympathie gegenüber seiner instabilen, sehr einsamen Hauptfigur "Alex" (glaubwürdig: Gabe Nevins). Er schaut ihr zu und lehrt sie, aus den Fehltritten in die weisere und tiefer blickende Erkenntnis des Erwachsenwerdens zu gelangen.

Vom schlechten Gewissen zur Erkenntnis

Zudem verwendet van Sant einen (z.Bsp. bei David Lynch) schon öfter gesehenen, hier extrem passenden Erzählstil, um den Mechanismus von schlechtem Gewissen zu veranschaulichen: denn Alex begeht eine schreckliche Tat, durch die ein Mann ums Leben kommt - er ist auf einem (echt gruseligen) Foto mit abgetrenntem Körper zu sehen. Es ist ein Unfall, trotzdem hat der Jugendliche nicht den Mut, es jemandem zu erzählen, obwohl er genau weiß, dass nur das ihn erleichtern könnte. Sein Anlauf beim unscharf gezeigten, volltätowierten - und damit wenig vertrauenserweckenden - Vater scheitert; denn der lebt gerade in Scheidung mit der Mutter.

Das alles, einschließlich der Ursache, bleibt im Sinne der erzwungenen Verdrängung lange ungezeigt. Zunächst sieht man nur Alexs immer introvertierter werdendes Verhalten innerhalb seiner Skateboard- und Freundesclique. Auch gegenüber seiner Freundin Jennifer. Bei ihr merkt er umso deutlicher, worauf es beim Sex ankommt: nicht wie seine Freunde meinen, "besser einen Gratis-Fick mit einem hübschen, oberflächlichen Mädchen zu haben als gar keinen", sondern möglicherweise besser keinen Sex zu haben, und sich dafür mit einem (pickeligen) Mädchen (spielt etwas aufgesetzt: Lauren McKinney als "Macy") auf geistiger Ebene zu begegnen... Der Rest wird dann umso schöner - wohl für beide Seiten. Denn auch die hübsche Jennifer (spielt gut: Taylor Momsen) macht sich nur etwas vor; sie glaubt, gerade "guten" Sex gehabt zu haben, weil sie allein danach geht, was die anderen Leute "so" sagen. In Wahrheit weiß sie es nicht. Alex dagegen ist auf bestem Weg des Wissenden, indem er dem glaubt, was er mit Jennifer dabei empfindet: nämlich gar nichts. - Wahrscheinlich ist das aber auch verstärkt so, weil ihn sein Gewissen (wegen des Unfalls) dermaßen plagt, was wiederum die einfühlsamere Macy registriert.

Der trickreiche Blick unter die Oberfläche

Diese Zeit ist für den in sich gekehrten Alex daher die Phase zur Lebensweg weisenden Erkenntnis von individuellen Prinzipien. Er erkennt, wie verloren er sich unter den Menschen (Gruppierungen mit Pauschalwertungen) fühlt und dass es noch eine andere Ebene geben muß. Diese andere, unkonventionelle Ebene verunsichert ihn, wie sie ihn reizt. Deshalb besucht(e) er auch die lokale Metapher dafür, den unheimlich-gefährlichen "Paranoid Park", wo "man besser nicht alleine hingeht". Und da geschieht das Unglück. Am Ende weiß es auch der Zuseher, weil das ganze, bereits gezeigte Geschehen sich nochmals mit ausgeschmückten Detailszenen wiederholt. Der Zuseher lernt genauso unter die Oberfläche zu blicken wie Alex - nur dass die Blickrichtungen unterschiedlich sind. Alex blickt tiefer in sich selbst, der Zuschauer auf Alex. Für Alex bleibt die Zeit stehen, als er unter der Dusche den Schock der eben begangenen Tat ertragen muss, für den Zuschauer tut sie es, indem die Nahaufnahme von Alex gesenktem, begossenen Gesicht in Zeitlupe abläuft.

Die Schwere der Stimmung lockert sich allerdings immer wieder auf: sei es durch die erwähnte Musik, die teilweise mit Jahrmarktklängen Streitszenen konterkariert; sei es durch die Musiktexte, wie wenn etwa beim offenen Schluß in grobkörnigen Bildern "He died like a man" gesungen wird - als handle es sich um einen Abenteuer-Rückblick eines erwachsenen Cowboys, der sagen will: "Diese Erfahrungen gehören zur Jugend. Sie gehen vorbei." Und das weiß am Ende auch der versöhnte, sich an seine eigenen, schmerzlich-prägenden Erlebnisse erinnernde Zuschauer. - Der Film wurde bei den Cannes-Festspielen 2007 mit dem "Spezialpreis 60 Jahre Cannes" ausgezeichnet. e.o./r.r.


DAS URTEIL GUS VAN SANT IST TATSÄCHLICH SO GUT, WIE ALLE SAGEN, UND DAMIT IN JEDEM SEINER BERUFE "REGISSEUR, PRODUZENT, FOTOGRAF, MUSIKER" ERKENNBAR PRÄSENT. EIN UNKONVENTIONELL MUSISCHER, SPANNENDER, WEISER GENIESTREICH VON FILM!

FILM Paranoid Park (USA/F 2007) * Von: Gus Van Sant (Drehbuch nach dem Roman von Blake Nelson, Regie, Schnitt) * Kamera: Christopher Doyle, Rain Kathy Li * Verleih: Stadtkino Wien * Mit: Gabe Nevins, Taylor Momsen, Lauren McKinney * Ort + Zeit: Künstlerhaus, 23.10.2007: 6h30 (Frühstücksfilm!); Gartenbaukino, 23.10.: 21h; Stadtkino, ab 1.11.2007 im regulären Betrieb

Wednesday, October 17, 2007

THEATER: JOACHIM MEYERHOFF IM SELBSTPORTRAIT "ALLE TOTEN FLIEGEN HOCH"

Wenn Privates zur Kunst wird: Burgschauspieler Joachim Meyerhoff (Nr. 23) spricht über seine Basketball-Austauschzeit in Amerika (Foto: © privat Joachim Meyerhoff)


BURGTHEATER IM VESTIBÜL BURGMIME JOACHIM MEYERHOFF IN ALLE TOTEN FLIEGEN HOCH - TEIL 1: AMERIKA ALS SCHLECHTER LITERAT, DAFÜR ALS UNGLAUBLICHER THEATERGENRE- ERNEUERER

Joachim Meyerhoff hat nicht das Zeug zum Jahrhundertliteraten. Vielleicht liegt es daran, dass er über eine Zeit schreibt, die er als Jugendlicher erlebte. Erstens ist er da schon mal durch die Realität befangen, indem er ausschließlich äußerliche Handlungen schildern muss, so, wie sie waren. Zweitens lebt er - typisch Schauspieler, der er ist - dermaßen mit seinem Lebensabschnitt mit, dass er sich sprachlich nicht von sich selbst distanzieren kann: Er schreibt, als würde sich ein 18-Jähriger (oder ein noch jüngeres Kind!) einen Schulaufsatz abringen; wo er als braver, gutherziger Junge - von wohlbehüteter, deutscher Herkunft - berichtet, wie er durch die wilde Cowboywelt Amerikas "stolpert". Alle Toten fliegen hoch - Teil 1: Amerika von und mit Joachim Meyerhoff im Burgtheater im Vestibül ist textästhetisch sogar lächerlich. Und doch ist das Ganze als Darstellungsereignis einschneidend: Selten kommt eine Theatergeschichte so echt und wahr, wie diese. Fast ist anzunehmen: Joachim Meyerhoff hat soeben eine neue Theatergattung erfunden: Die der "autobiografischen Theaterreportage".

Schauspielstar verschmilzt mit unbekanntem No-Name

Das ist so außergewöhnlich, weil sich Meyerhoff - als "der" ausgezeichnet vortragende "Schauspieler"- mit seiner Introspektion selbst so in Szene setzt, wie es sonst nur bildende Künstler in Selbstbildnissen tun (jenseits der "Performance", wo die Selbstbespiegelung ebenfalls praktiziert wird). - Wann ist ein (bekannter) Schauspieler sonst schon mehr als ein Medium? - Das Stück wird zu etwas Einzigartigem, da Meyerhoff als Erzähler im Rückblick über Bildprojektor mit Echt-Fotos aus den 80-er Jahren (Dramaturgie: Sibylle Dudek) immer mehr mit sich selbst aus der damaligen Zeit verschmilzt. Zuerst über die identen Kleider, die er sich vor dem Publikum anzieht. Dann durch eine Perücke, die genau seiner Frisur von damals entspricht, als er noch lockiges, blondes Haar hatte - nicht wie heute, eine "Künstlerglatze". - So wird die nachgestellte Realität zur perfekten echten Illusion: Vor uns steht jener 18-jährige Teenager und Basketballer, der naiv von den rauhen Amerikanern in Wyoming spricht, unter denen er als Austauschschüler bei einer Gastfamilie mit drei Söhnen lebt(e). Das alles hat eine Portion Witz, wenn auch eher einen Privat-Oberflächlichen, indem scheinbar ein unspektakulärer Normalo im Wohnzimmer eine Fotovorführung mit Reise-Erzählung vor engen Freunden macht.

Ein mörderisches Souvenir aus den USA

Der Meyerhoff-Burgschauspieler-Fan erfährt so wiederum allerhand Privates über sein Idol - allerdings mit dem Risiko, dass ihm die Künstlerfigur Meyerhoff abhanden kommt. Er wirkt jetzt weniger intellektuell, männlich und bestimmt als sonst auf der Bühne; er gibt sich im Gegenteil ziemlich ausgeliefert, emotional und bodenständig: Meistens sind ihm die Amerikaner suspekt. Sie machen ihm Angst, wenn sie ihn als "schwulen Nazi" oder seine Mutter als "Hitlers Schwanzlutscher" beschimpfen, während sie selbst doppelmoralisch von einer "Hure Michelle" schwärmen, die - bis auf Einen - jeden "ohne Geld anzunehmen" ließe ... Wenn der 1,60 Meter große Kurt Schumacher aber im Pinkel-Unisono versucht, die Höhe des Hühnen Meyerhoff zu erreichen, dann ist das nicht nur für ihn komisch, sondern auch für die Zuschauer. - Einer der Momente, der inhaltlich tatsächlich unterhält.

Schließlich tun sich auch noch perverse Abgründe in Meyerhoffs wahrem Charakter auf: Er hegt eine eigenartige Faszination gegenüber Gefängnissen. Deshalb besuchte er einen Todestrakt in Wyoming und brachte danach gleich ein Souvenir daraus mit ins Elternhaus nach Deutschland .. es schwingt dabei so etwas wie Vorsehung mit... Und es hat etwas "Mörderisches" an sich - namens Randy Heart, "das" live im Vestibül zu sehen ist!!! "Es" ersetzte praktischerweise den - exakt zu jener Zeit - im Auto verunglückten Bruder Meyerhoffs...

Wie das Leben eben so spielt, wenn man sich ihm öffnet! - Und bei einem Sohn eines Psychiatriedirektors sind die Hemmschwellen gegenüber den Schattenseiten kleiner. Es gibt allerdings Meinungen, die sagen, dass an dieser Geschichte doch Einiges nicht ganz so wahr ist wie es scheint... - Liegt hinter den Phantasie-Auswüchsen dennoch die größte Wahrheit? Das Burgtheater wird Meyerhoffs skurril-sentimentale Intim-Serie jedenfalls noch weiter führen. Sind gespannt, was da noch alles kommen wird! e.o.


DAS URTEIL INHALTLICH UND DRAMATURGISCH EIN KLEINES ABENTEUER, SPRACHLICH UND REFLEXIV DAGEGEN GAR NICHT. ENTWEDER EINE KOMPLETTE IRONIE MEYERHOFFS SEINER SELBST, ODER EINE EGO-EHRFURCHT.

THEATER Alle Toten fliegen hoch - Teil 1: Amerika * Von und mit: Joachim Meyerhoff * Ort: Burgtheater im Vestibül * Zeit: 24.3.2008: 19h

THEATER Alle Toten fliegen hoch - Teil 2: Zuhause in der Psychiatrie * Ort: Burgtheater im Vestibül * Zeit: 25.3.2008: 20h30

THEATER Alle Toten fliegen hoch - Teil 3: Die Beine meiner Großmutter * Ort: Vestibül * Zeit: 20.4.2008: 19h + 21.4.2008: 19h30 + 4.5.2008: 18h30

THEATER Alle Toten fliegen hoch 1-3 * Ort: Akademiethater * Zeit: 20., 28.6.2008: 17h-22h15

Sunday, October 14, 2007

MUSIK: BRANDNEUE "DOBREK-BISTRO 2007" IN OASENLAUNE

Russe Aliosha Biz an der Violine, Pole Krzysztof Dobrek am Akkordeon, Österreicher Alexander Lackner am Bass und Brasilianer Luis Ribeiro an der Percussion sind auch bei Dobrek Bistro 2007 der Kern der Truppe ...

... trotzdem wartet das Quartett auf der CD (hier Cover) mit drei Gästen auf: Mamadou Diabate steuert afrikanische Klänge, Roland Neuwirth das Wiener Lied und Wolfgang Puschnig orientalischen Bambusflöten-Jazz bei. (Fotos: © Dobrek Bistro)


CD & ÖSTERREICHTOUR DER RASEND SCHNELLE, POLNISCHE ZIGEUNERSOUND FINDET IN DER NEUEN CD VON DOBREK BISTRO 2007 ZUR RUHE - ZUMINDEST PHASENWEISE: IN "AFRO- UND WIENER LIED -OASEN"

Was kann eine Musikformation aus dem Label dobrecords (www.dobrecords.com) - wohinter zu allererst der beim Fagott akademisch ausgebildete, nach Wien immigrierte Pole Krzysztof Dobrek (www.dobrek.com) steht, der sich in der Kärntnerstraße als Akkordeonist einige Jahre sein Leben als Straßenmusiker verdingte - noch für eine CD auf den Markt werfen, wenn sie mit Dobrek Bistro (2003 - Bistro Live) bereits das russisch-zigeunerische Element, mit Dobrek Brasil (2004 - Luz e Sombras) die lateinamerikanische Seele von Samba bis Milonga, mit Dobrek Biz Abado Neuwirth Correa (2005) den arabisch-wienerischen Spagat gewagt hat? - Ganz einfach: eine CD, die alles in feinster Virtuosität noch einmal mit einem Schuß "Westafrika" vereint, ohne die jeweiligen Stile zu verbreien oder auszureizen - denn das ist bei der CD Dobrek Brasil in auf Dauer monoton wirkenden Arrangements passiert (was bei den lebendigen "Brasil"-Konzerten hingegen überhaupt nicht der Fall war bzw. ist!).

Von der Reife einer Dobrek Bistro

Die brandneue CD - mit exquisit-originellem und witzigem Reisepass-Booklet - Dobrek Bistro - Paszport 2007, live zu hören bei der gerade startenden Intensiv-Tour durch ganz Österreich bis Dezember, knüpft mit identem Namen wohl an das Erstexemplar an, das an Dynamik, Leidenschaft, Schmiß, Schnelligkeit und Temperament von keiner Band solch hohen musikalischen Niveaus zu übertreffen ist. Diese Musik war vor vier Jahren so bahnbrechend, dass sie einen neuen Stil einführte, den man andernorts kopiert und nie erreicht wiederfand. - Eine echte Sensation! - Der russische Star-Geiger mit Wiener Wurzeln, Aliosha Biz, und Komponist-Akkordeonist, Krzysztof Dobrek, sind als Lead-Spieler - wie in allen CDs - wieder federführend am Pult, Luis Ribeiro bringt sein brasilianisches Erbe an der Percussion ein, nur Alexander Lackner (der noch dazu ein eigenartiges Instrument namens "Tar" spielt) hat mittlerweile den Bassisten Achim Tang ersetzt. Was da nun heraus gekommen ist, hat noch immer die "russisch-slawische" Seele. Sie ist aber weniger besessen: Sie kennt auch Stille, Wehmut. - Man wird nun mal älter, und erfahrener. Und das ist absolut positiv gemeint!

Vom auffangenden Akkordeon ...

Besonders die erste Nummer La Danza de las Gotas scheint aus dem Bistro-Geist zu kommen, wo eine klar erkennbare Leitmelodie von Biz und Dobrek im Wechsel wiederkehrt, während der jeweils andere in Steve-Reichscher Manier eine minimalistische Zwei-Achtelnoten-Rhythmik dazu spielt. Vom wehmütigen Schmerz der violinen Zigeunerweise über eine Passage Samba-Leichtigkeit erwacht das Lied von einem Tanz der Unterwelt zu jenem der Heiligkeit, da das Leitmotiv durch das Anheben in die höhere Octave beim finalen Glorienschein angekommen ist. Nachfolgendes Efmolja (was wohl Ef-Moll heißt) widersteht mit seinem rhythmischen Laisser-Faire irritierender und aufregender Weise dem melancholischen Wesensklang seiner Moll-Tonlage. Die weiche, gezogene Spielart des Leadteils wechselt abrupt und fordernd in gehackte Härte. Und plötzlich finden wir uns inmitten des totalen Stilbruchs, indem die südländische Romantik in die Orientalische aus "1000 und einer Nacht" gewandert ist: in jene des Alibaba-Jazz aus Frage und Antwort mit Rock-Schlagzeug am Ende. - Finge das Akkordeon diese widersprüchlichen, in sich geschlossenen Passagen nicht immer wieder auf, ginge diese Musik wohl in die Hosen. Und so? - So ist es einfach perfekt!

... zur zärtlich zitternden Geige

Es ist auch das Akkordeon, das mit der 55-sekündigen Nummer 3 als Zwischenspiel-Solo in den leicht und rhythmisch-schnell beschwingten bis aggressiv-unterbrochenen "Indianertanz"-Milonga-Walzer Nr. 4 Entre le Pont Francois et le Pont de La Paix führt und Luis Ribeiro mit seiner brasilianischen Stakkato-Stimme einen unglaublich theatralen irisch-mexikanischen Gesang á la Hollywood-Western beginnt. Arava eröffnet danach mit geheimnisvoll dumpfer Percussion, das Akkordeon klagt dazu tief und leise-zärtlich und führt zum "Gaststar" des Lieds über: zu Saxofonist Wolfgang Puschnig. Mit einer Bambusflöte scheint er den orientalisch-westlichen Schleiertanz einer verruchten, schwarzen Schönheit zu beschreiben. Sie muss so begehrenswert gewesen sein, dass alle Männer im Rückblick sehnsuchtsvoll von ihr schwärmen... Spielend träumen.

Ganz anders, aber immernoch gefühlvoll, klingt darauf hin das mit dem afrikanischen Xylophon "Balafon" von Mamadou Diabate grundbewegte Burkina Beisl, während Akkordeon und Geige eine Wiener-Lied-Leitmelodie wiederholend dazwischen schieben, bis sie zur stillen Hauptfigur der Komposition wird, wenn Stargast 2, Roland Neuwirth, mit seiner Kontragitarre einstimmt. Und er wird - nach dem lustig-lockeren balkanesken "Abschiedslied von der Tonlage Ef-Gis" Adé Efgisa - (hörbar schnaufend) noch einmal Leadingmusician sein: in der slawischen Wienerlied-Variation (bis nach Afrika) Slavienna (Nummern 8-11): seine Gitarre spielt, was man gewöhnlich von der Zither her kennt.

Da nun jeder mit seiner starken, unangepaßten Persönlichkeit repräsentiert, was er authentisch ist, freut man sich am Ende am versöhnlich Dobrek-Bistro-typischen Kolysanka dla córeczki, so als käme die CD an ihrem Heimatpunkt an, wo eine sanfte Sehnsucht weht, die als klassisch grundstrukturiertes Balkan-Volkslied in all seiner Güte bei spannend-zitternder, leiser Geige im Hintergrund ausklingt... Als hätte die Menschheit gerade den Wert des Lebens entdeckt. e.o.


DAS URTEIL DOBREK BISTRO IST ERWACHSEN GEWORDEN: MIT WIENER LIED, BALKAN, AFRO UND BRAZIL IN HUMOR- UND GEFÜHLVOLL-POLNISCHER DISZIPLIN MEHR ALS EINE HERBSTLAUNE!

CD Dobrek Bistro - Paszport 2007 * Von: Dobrecords * Vertrieb: EDEL MUSICA VERTRIEB GMBH (www.edel.at) * Mit: Krzysztof Dobrek, Aliosha Biz, Luis Ribeiro, Sascha Lackner, Roland Neuwirth, Mamadou Diabate, Wolfgang Puschnig * link: www.dobrek-bistro.com

KONZERT-TOUR Dobrek Bistro - Paszport 2007 * Mit: Krzysztof Dobrek, Aliosha Biz, Luis Ribeiro, Sascha Lackner, Roland Neuwirth, Mamadou Diabate, Wolfgang Puschnig * Ort & Zeit: WIEN: 15.10.RadioKulturhaus; NÖ: 16.10. Melk Wachaukeller Teufner, 24.10.: St. Pölten Cinema Paradiso, 9.11.: Kunstverein Horn; OÖ: 25.10. Kino Ebensee, 26.10. Steinbach Gasthaus Penkner, 3.11. Aschach an der Donau Tischlerei am Schopperplatz, 8.11. Stadttheater Grein, 10.11. Pfarrsaal Regau, 24.11. St. Florian Altes Kino, 30.11. Ried/Innkreis KIK, 15.12. Alter Schloßhof Wels; BGLD: 21.10. Schloß Kittsee; Sbg: 19.10. Schloß Goldegg, 27.10. Musikum Salzburg, 27.11. Hallein Ziegelstadl; STMK: 17.11. Schulzentrum St.Stefan ob Stainz KTN: 4.11. Amthof Feldkirchen; TRL: 18.10. Innsbruck Bierstindl, 20.10. St. Ulrich am Pillersee Kultur- und Sportzentrum, 28.10. 152 Musikprobelokal Brandberg, 20.11. Altes Kino Landeck; VLBG: 17.10. Spielboden Dornbirn, 21.11. Feldkirch Theater am Saumarkt, 22.11. Sonnenbergsaal Nüziders

Friday, October 12, 2007

OPER: PETER PAWLIK ERNÜCHTERT DOVES "DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN" NACH JANACEK

Liebt der Förster (Christian Immler) die Männlichkeit oder die Freiheit im schlauen Füchslein (Jennifer Davison), das er fangen muss? - Eine Frage des "Scheidenneids" ...













Und liebt das schlaue Füchslein die Frau im Fuchs oder die in ihm äquivalente Natur von Freiheit seiner selbst? - Eine Frage des Penisneids. (Fotos: © Christian Husar)



KAMMEROPER WIEN LEOS JANACEKS DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN ERLEBT IN DER FASSUNG VON JONATHAN DOVE UND VON PETER PAWLIK EINE JÄHE ERNÜCHTERUNG

Wenn unüberwundener Penisneid bei einer Frau und - das von uns ab sofort eingeführte Äquivalent - "verbliebener Scheidenneid" beim Mann, zusammen treffen, dann kommen die beiden bestimmt nicht zusammen. - Weil sie sich schätzungsweise mit demselben Geschlecht identifizieren und mehr oder weniger homosexuell sein werden. So besagt es zumindest die Psychoanalyse Sigmund Freuds. Im Erklärungsraffer hieße das also: das erste sexuelle Begehren der Mutter seitens Sohnemann und des Vaters seitens Tochterfrau, sollte gesundenfalls so bewältigt werden, dass der Junge mit der Phase des "Scheidenneids" seinen Penis in das weibliche Geschlecht stecken, das Mädchen mit der Phase des Penisneids das männliche Geschlecht in ihrer Scheide aufnehmen will - und zwar bei einer anderen Person als bei Mutter bzw. von Vater. Dann erst wären Mann und Frau sexuell erwachsen, sprich ausgereift potent! Andernfalls träfe bei ihnen der Ödipus- (bzw. Elektra)komplex zu - und sie wollten "homosexuell" bzw. "sexuell infantil" mit ihrer Mutter bzw. ihrem Vater schlafen (was die enge Liebe Homosexueller zur Mutter erklärt). - Diese psychologische Einführung ist hilfreich, um Regisseur Peter Pawliks ernüchternd karge Umsetzung von Leoš Janáčeks lautmalerisch poetischem Das schlaue Füchslein in der Wiener Kammeroper wahr zu nehmen.

Femme Fatale im Penisneid?

Hinzu kommt ein weiteres "verschobenes" Begehren: das nach und von der "Femme Fatale" - was wiederum mit dem sexuellen Reifungsprozeß Freuds verstrickt ist. - Kompliziert, kompliziert ist dieses Phänomen. Weshalb Peter Pawlik eine einfache, aber raffinierte Bühne und Erzähloptik braucht, um das alles - wenigstens suggestiv - transportieren zu können. Und da hat die Berliner Bühnenbildnerin Cordelia Matthes wieder einmal Außergewöhnliches geleistet ... In einem in die Tiefe nach hinten "verlängerten", nackten Schwarzkasten lassen sich an den magnetischen Wänden Utensilien wie Metalllöffel oder zermanschte Eier aufkleben oder mit Kreide Schauplatzbeschreibungen von den Schauspielern aufmalen, was einen tatsächlichen Umbau erspart. Auf dem abgeschrägten Bühnenboden mit quadratischem Loch - wo das live-spielende, in der reduzierten Kammerbesetzungsfassung von Jonathan Dove zum Teil profan-kapellenartig klingende Orchester der Wiener Kammeroper unter dem Dirigat von Daniel Hoyem-Cavazza hervortönt - läßt sich kurzfristig auch mal - Gefühle (scheinbar) klärendes - Wasser ausschütten, das dann in Richtung Zuschauer rinnt ... Das alles wirkt sehr einfach, verdeutlicht aber umso genauer die Botschaft in diesem komplizierten Amour-Fou-Geflecht.

Wenn man will, wovon man träumt

Augenscheinlich wird die sexuelle Verirrung, indem hier über Allegorien wie Menschen, die Tiere lieben, gesprochen wird; und indem eine männliche Fee ("Libelle" Karl Musil) mit Zauberstab unter schlafenden Menschen umherstreift, deren verstreuter Liebeszauber böswillig unterbunden wird: Von der charakterlichen Natur der von allen Männern (Förster, Schulmeister, Pfarrer, Landstreicher Haraschta) in der Geschichte begehrten "unabhängigen Frau", "Femme Fatale" Terynka (Annette Yvonne), Zigeunerin im Look eines heutigen Anarcho-Rocker-Teenager-Girls. Schreibt die Libelle (bereits fehlerhaft und damit prinzipiell zum Untergang verurteilt...) "LIBE KANN SO SCHÖHN SEIN" an die Wand, so löscht Terynka das Wort "Liebe" wieder aus. Denn sie will frei und ungebunden sein, wie das Füchslein Schlaukopf (Jennifer Davison mit überzeugend vollem Sopran) in dicht-roter Haarpracht. So will sie sich der Förster (eindrucksvoll schöner Bariton Christian Immler) eben mit Gewalt nehmen, indem er das Füchslein im Wald schnappt und bei sich zuhause bei eifersüchtiger Ehefrau und Kindern gefangen hält. Wie es die emanzipatorisch-agitatorische Natur des wilden Tieres aber ist, bringt es die Hennen gegen den Hahn auf und tötet es einige von ihnen, bevor es wieder in den Wald flieht. Dort trifft die Füchsin auf den Dachs, dem sie den Bau abluchst, was wiederum dem - ihr wesensverwandten- Schmuck klauenden Fuchs imponiert, sodass sie mit ihm eine Familie gründet. Und weil dieser aber nun auch von einer Frau in Sopranstimme (Magdalena Hofmann) gesungen wird, streift das das anfangs erwähnte Motiv des unüberwundenen "Penisneids". - Zumindest in der deutschen Fassung Max Brods von 1925, an der sich Pawlik orientiert. Bei Ur- Librettist und -Komponist Leos Janacek mag es eher mit der Abfindung zu tun haben, als Mann nie zu bekommen, was jener in seinen innigsten Träumen erhofft, weil sie als illusionäre Projektionsflächen gar nicht existieren. Deshalb gibt es am Ende der Geschichte auch bei Pawlik eine nackte "Lorelei" am Bühnenhintergrund, nach der der Förster tastet.

Förster im Scheidenneid oder doch nur Träumer?

Ein Streitfall mag in dieser Interpretation nun sein, ob der Förster laut Freud "sexuell reif und damit erwachsen ist" - denn immerhin begehrt er jede Frau jenseits seiner Mutter, indem er anfangs am Intim-Duft aller riecht, und nach dem evidenten Tod der Füchsin außerdem nach einer neuen Füchsin (ihrer Tochter) jagt - ein weiteres Indiz für seine "Normalität". Gleichzeitig könnte er aber (bei unkompensiertem Scheidenneid) anders "gepolt" sein: denn die Füchsin ist in ihrer Unabhängig- und Eigenständigkeit sehr "männlich". Möglicherweise bezieht sich das aber auch nur auf eine Definition, die vor den Emanzipationsbewegungen gefällt worden ist. - Heute sind "unabhängige" Frauen als Wunschpartnerinnen ja keine Illusion mehr. Insofern wäre viel mehr ein noch zu klärendes Kapitel, ob ein Mann "die Unabhängige" mit der prinzipiellen Möglichkeit überhaupt noch haben wollte? Wahrscheinlich ist es doch eher so, dass der Mann - sowie auch die heutige Frau - etwas haben will, das gesellschaftlich einfach nur "abnormal" ist, um sich selbst rebellisch "frei" zu fühlen. Und haben sie dann das Abnormale, fühlen sie sich - es durch den Besitz zur Normalität degradiert - sogleich "unfrei". - Wie gesagt: Das alles ist kompliziert, kompliziert... e.o./a.c.


DAS URTEIL DIE WAHRSCHEINLICH SCHÖNSTE POETISCHE OPER ÜBER DIE MENSCHLICHE LIEBESILLUSION DER WELT - MUSIKALISCH UND INSZENATORISCH NÜCHTERN UND KARG: ABER IMMER NOCH SYMBOLREICH-SUGGESTIV. BÜHNENTECHNISCH ÜBERRASCHEND-INTERESSANT MIT BLEIBENDEN PSYCHO-FRAGEN.

OPER Das schlaue Füchslein * Kammerfassung von Jonothan Dove nach Leoš Janáček * Regie: Peter Pawlik * Bühne: Cordelia Matthes * Dirigat: Daniel Hoyem-Cavazza * Mit: Orchester der Wiener Kammeroper * Mit: Jennifer Davison, Christian Immler, Annette Yvonne, Richard Wiegold, Lasse Penttinen, u.a. * Ort: Kammeroper Wien * Zeit: 13., 16., 18., 20., 23., 25., 27.10.2007: 19h30

Wednesday, October 10, 2007

THEATER: TOLLES "WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF?" VON ANTOINE UITDEHAAG

Sexy Martha (Maria Bill) bringt mit ihrem reifen Appeal den jungen Nick (Till Firit) in potentielle Fahrt - zur "nur" scheinbaren Unbekümmertheit ihres Mannes (Günter Franzmeier) ...

... als sie nicht mehr damit rechnet, zuckt er bis zur körperlichen Brutalität aus.

Damit ist der Provokateurin Martha die Lust am "Spielen" vergangen. Jetzt hat sie mit ihrem ehrgeizig-schönen Körper nur noch nackte Lebensangst. (Fotos: © Nathalie Bauer)


VOLKSTHEATER VIER SCHAUSPIELER BRILLIEREN IM GEFÜHLSWAHNSINN VON EDWARD ALBEE WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF? UND ENTBLÖSSEN EIN SENSIBLES GEHEIMNIS ...

Den Vergleich zu erwähnen ist so stereotyp wie hundsfad, doch hat jemand Wer hat Angst vor Virginia Woolf? im Film mit Richard Burton und Elizabeth Taylor gesehen, wird er ihn bei jeder Neuinszenierung ziehen. Dieses Paar stilisiert(e) sich selbst mit seiner kolossalen Erotik und Intensität nicht nur im echten (Ehe-)Leben zur "Ikone aller Beziehungen", sondern ganz besonders in diesem Film bzw. Stück: Wegen seiner gegenseitigen Herausforderung bis an die Grenzen der Substanz und darüber hinaus. Bei diesem Sexakt der Worte sind Verletzungen State of the Art, ihr O(h)rg(i)asmus kommt als geistiger wie seelischer Spitzenschrei in genialem Doppelpack. Wegen der gleichrangigen Fähigkeit, sich Stoff zu geben, der für beide Pole so spannend bleibt, dass sie ihn sich jahrzehntelang zusetzen müssen, wollen und werden. - Das Volkstheater spielt das Wahnsinnsstück der Gefühle von Edward Albee jetzt - sprachwitzig und -feurig verdeutscht von Alissa und Martin Walser - mit einer mindestens so starken Maria Bill als Martha, wie es die Taylor war. Ihr Sexappeal der reifen, intelligenten, temperamentvollen, auch körperlich noch sehr attraktiven, stolzen, verletzlichen Frau ist atemberaubend. "George" Günter Franzmeier braucht hingegen einige Zeit, um den sprühend attraktiven Richard Burton aus dem geistigen Auge zu verdrängen. Er verleiht der Figur eine unberechenbar versteckt-aggressive Note.

Eigentlich wären sie auch so scharf auf einander

Dieses Paar, Martha und Geschichtsprofessor George, bräuchte eigentlich kein zweites Pärchen einzuladen, um sich nach einer Party im universitären Berufsumfeld von Marthas übermächtigem Rektoren-Vater zwecks Sex am Boden aufzugeilen. Mit den Unmengen an Drinks und Flaschen an der Bühnenrampe, Marthas heißer Stimmung in Gedanken an Bette Davis´ Sager, "Was für ein Loch!", und einer Beleidigung gegenüber ihres sechs Jahre jüngeren Mannes mit einem, "du kriegst eine Glatze!", und seiner Antwort darauf, "du auch", müßten sie sich genügend angestachelt haben, um sich gegenseitig entladen und wieder lieben zu wollen. Sie sind auch gerade drauf und dran, als Marthas Gäste anläuten: der blond(gefärbt)e Nick (Till Firit: wieder einmal auf geheimnisvoll verhaltene Weise ein hochinteressanter Mann) und seine ebenso blonde Ehefrau Püppi (Katharina Straßer: wirkt zum Teil intelligenter als die Rolle der reifungsängstlichen Kindfrau es verlangt...).

Die zwei Frischlinge an Jahreszahlen sowie am Campus sind für die beiden Langzeit-Eheleute die perfekten Objekte, um sich von Neuem vor einander aufzuplustern, hier geht es um Macht und Unterwerfung, wo die schlimmste Demütigung nicht ausgelassen wird. Ganz besonders Martha führt in despotischer Weise das Zepter, sie bespringt den jungen Nick im Beisein ihres Angetrauten, und treibt es mit ihm alsdann in der Küche. Doch George tut zur Enttäuschung Marthas so, als mache es ihm nichts aus, bis er nach einigen ironischen Ablenkungsmanövern - wie einer (symbolischen) Beehrung mit einem Blumenstrauß - doch explodiert, das Machtzepter an sich reißt, Martha körperlich angreift und sie auf seine Frage, "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?", nur noch sagen wird: "Ich." - Wie dünn ihre(r beider) Haut in Wahrheit ist, demonstriert Regisseur Antoine Uitdehaag mit einer schlichten, braunen Packpapier-Wand, in die der kleinste Schuß einer Flasche - eine nachvollziehbare Kurzschlußhandlung von George - ein Loch reißt. Wie fragil beweglich die Positionen dieser vier Menschen sind, demonstrieren indessen vier beige Feauteuil-Sessel auf einer - sich fast unmerklich - permanent drehenden Rundbühne in der einfachen, aber subtilen Bühne von Tom Schenk.

Vom Symbolgehalt des Kinder (=Liebes)geheimnisses

Jeder dieser vier Menschen ist also äußerst labil - obwohl sie andererseits wieder - bis auf die gegensätzliche taktlose Püppi mit schwach ausgebildetem Sensorium für Ironie und Zwischentöne - sehr starke, da intelligente und damit kampfeslustige Charaktere sind. Diese Erkenntnis ist es aber nicht allein, die in der Inszenierung Uitdehaags durchblickt, sondern etwas viel wichtigeres, was bei Burton und Taylor beispielsweise nicht so klar heraus kam (möglicherweise auch, weil man deren Version als Kind sah, wo man die Erwachsenengefühlswelt noch nicht so detailliert verstand ...): Das sensible Thema der wahren Bedeutung von Kindern für das Beziehungsgeflecht der Eheleute bzw. (einstigen) Verliebten.

Erfundene Geschichten über Elternmord und einen gemeinsamen Sohn, den es nicht gibt, den Martha und George aber ständig zu ihren persönlichen Gunsten beschreiben, während wiederum Püppi kotzend alles daran setzt, um nicht schwanger zu werden und Kind zu bleiben, - stehen für den Störfaktor "Kinder" und die folgliche Distanzierung in der Zweierliebe, andererseits aber auch für das große Geheimnis "als Beweis" der Liebesqualität von zwei Menschen: Denn es kann diese Liebe - wie die Kinder - in ihren genetischen Bestandteilen nur von und bei diesen beiden geben. Erzählt ein Partner Dritten davon, verliert sie sogleich den Wert und somit das Geheimnis ihrer Einzigartigkeit. Die Beziehung wird gefährdet, indem sich die Partner von einander entfernen. Brisanterweise tun das in dieser Geschichte beide Paare. In anwachsender Spannung nähern sie sich dem Verrat. Sie verraten den geliebten Partner aus Eitelkeit, aus Schwäche, aus Provokation, aus lediglich momentaner, kurzsichtiger Spielfreude. - Ob sie sich dadurch aber auch von Null neu erfinden können, das muß sich am Ende wohl jeder mit seiner individuell ausgeprägten Abenteuerlust selbst ausreimen ... e.o.


DAS URTEIL TOLLER SPRACHWITZ, ÜBERZEUGENDE SCHAUSPIELER, ALLEN VORAN MARIA BILL ALS MARTHA - EIN MIT EINFACHEN SYMBOLEN KLASSISCH-ERZÄHLTER ABEND, DER DEN WERT DES LIEBESGEHEIMNISSES (VON KINDERN) ENTBLÖSST... - NUR DEN ERSTEN TEIL HÄTTE MAN ETWAS KÜRZEN KÖNNEN.

THEATER Wer hat Angst vor Virginia Woolf? * Von: Edward Albee * Regie: Antoine Uitdehaag * Bühne: Tom Schenk * Mit: Maria Bill, Günter Franzmeier, Till Firit, Katharina Straßer * Ort: Volkstheater Wien * Zeit: 6., 8., 14., 16., 20., 21., 24., 25., 30.11., 6., 10., 14., 21., 22.12. 2007: 19h30


Special Tipp - Theatrales Rahmenprogramm im Volkstheater:
KABARETT NDK – Nach der Kritik hat Angst vor Virginia Woolf * Von Peter Paul Skrepek * Mit: Peter Paul Skrepek (als Helmut Zilk), Christoph F. Krutzler, Joesi Prokopetz (als Richard Burton) * Ort: Volkstheater - Rote Bar * Zeit: 24.10.: 22h30 * Eintritt 7 €
BEZIEHUNGSSPRECHEN Wort&Spiele: Wer will, der darf“ * Speakers Corner: Geschlechterkampf: Zuschauer sprechen über Ehekrach und Beziehungskrisen * Mit: Robert Palfrader * Ort: Volkstheater - Rote Bar *
Zeit: 21.11.2007: 22h30 * Eintritt frei!

Saturday, October 06, 2007

BALLETT: GYULA HARANGOZO´S "DER NUSSKNACKER" VOM EISERNEN VORHANG

Spiderman, Barbie und Roboter (Daniil Simkin) statt Puppe, Zinnsoldat und Bär - klingt gut, schaut aber in den zermanschten Farben der Eisernen-Vorhang-Zeit richtig grausig aus ...
Da kann Kirill Kourlaev als Drosselmeyer (hier neben Maria-Kind: Maria Tolstunova) noch sein Bestes geben ... bei dieser Choreografie-Regie hilft nichts mehr. (Fotos © Das Ballett/Wiener Staatsoper)


WIENER STAATSOPER IN SACHEN GESCHMACKLOSIGKEIT NICHT ZU TOPPEN: GYULA HARANGOZO MIT SEINEM KREATIVEN ERSTLING, DEM TSCHAIKOWSKY-KLASSIKER DER NUSSKNACKER - DR. WILD ÄRGERTE SICH DERMASSEN, DASS SEINE KRITIK INS ENGLISCHE RUTSCHTE (womit sich intimacy: art wiederum ab sofort sporadisch für internationale Leser öffnet). IN DIESEM SINNE: IRON CURTAIN CALL FOR HARANGOZO!

We expected with the beginning of the Harangozo-era (two years ago) a come back of old traditions in the Viennese ballet world. This was already something to bear, but now it even happened with a lack of quality and taste! The Nutcracker, considered worldwide a ticket office bonanza due to an established reputation as “the” Christmas time family performance, premiered last Friday, September 28th at the Staatsoper. It was the last and more tragic act of what many consider an intentional political decision to close the last Austrian classical ballet company. Gyula Harangozo´s choreography (after the old version of Wassili Wainonen) manages beyond expectations, to strip the show from the story, the fun, the lavish glamour, musicality, taste and ... dance. Bravo!

"First-class" ballet-dancers - non-logical, tasteless, embarrasing

The ballet begins (very slowly) with the Christmas party at Maria’s house where everyone is contemporarily dressed: men in suits, ladies in simple robes and pointed shoes. The "mother", the always elegant Dagmar Kronberger, wears a "virtiginous slit". After a projected amateur cartoon representing a stiff animated computer game about a royal couple molested by "Creepyman" (?!), Drosselmeyer brings Barbie, Roboter and Spiderman (falling loudly from a rope: András Lukács) to dance for the guest. The three figures replace the classical doll, tin soldier and bear of the traditional story in three solos without spark, fantasy and audience appreciation. After that the choreographer thinks that an intermission is deserved... Nobody knows why, because the second act just begins where the first one ended. Maria goes to bed and dreams of the just received Nutcracker-toy, coming alive and fighting, not the usual mouse, but clumsy dark creatures with huge leg warmers and obvious difficulty in movement called Creepies. Creepyman himself comes into the scene impressive, more for his hot pink sunglasses than for his old Russian-style body mimic. With the snow scene the show traditionally picks up whereas here the tragedy turns into comic. In her dream Maria dances as an adult (pretty classic-dancer: Aliya Tanikpaeva) with Nutcracker transformed into a prince as snow falls indoors. Outside the big glass windows, the white hills rest under a clear sky. Snowflake-girls move in a repetitive dance before they hop on one leg off the stage, off the rhythm, up, the steep white hills.

Time for a break - thank God

After this 20 minutes act, the disoriented audience has "earned" another 20 minutes intermission ... To those who courageously stay for the only third act of the Nutcracker-history, Harangozo offers a view of a grotto on a painted canvas. In front some untalented red bats - already shaky on their legs - are easily defeated by the couple on their way to the palace. The big picture opens with musical accent and bright light revealing the full cast in pose; the audience is stunned into embarrassing and shocked silence. Obviously the costume-designer has never heard of color-palettes where chosen colors are matching together. - In this show, there exists no visual concept - the widespread use of lycra reminds one of a review behind the iron curtain -, “divertissement” loses its etymological meaning, “virtuoso” is no longer an adjective but an unreached goal, “ensemble” means: every body on stage, not together nor in line! The stage lighting is sloppy with obvious mistakes and its concept misses every clue to the action. The set looks like (or is) a student essay with bits recycled productions from the remote past. The music direction of Sascha Goetzel is schizophrenic trying to follow fast and slow tempi of an illogical choreography in addition to full numbers repeated to double length (as if once wouldn´t be enough).

All in all: This dancing reminds of a bad provincial school performance where not even the (too) many entrances of kids seem to justify the poor quality. Andrian Fadeyev is a young talented Russian dancer who - with a stiff neck and personality - brings little to the prince-role. Only Kirill Kourlaev makes the best out of his Drosselmeyer-part adding verve to a sad evening. Dr. Wild


DAS URTEIL ARG: DIE TOURISTEN AN DEN STEHPLÄTZEN (AUS DEN USA UND ASIEN) VERLIESSEN DIE VORSTELLUNG IN DER ERSTEN PAUSE. ANDERE HARRTEN WEGEN DER TEUREN KARTEN AUS: IHRE BUHS FÜR GYULA HARANGOZO UND SEINE ERSTE CHOREOGRAFIE SCHAFFTEN IHNEN IMMERHIN ERLEICHTERUNG. ABER MEHR AUS PEINLICHKEIT ALS AUS SKANDALEMPFINDEN.

BALLETT Der Nussknacker * Von: Tschaikowski/Marius Petipa * Regie und Choreographie: Gyula Harangozó frei nach Wassili Wainonen * Bühne: Dorin Gal * Dirigat: Sascha Goetzel * Mit: Orchester der Wiener Staatsoper * Mit: Ballett der Wiener Saatsoper und Volksoper: Aliya Tanikpaeva, Andrian Fadeyev, Kirill Kourlaev, András Lukács, Dagmar Kronberger, u.a. + Studierende der Ballettschule der Wiener Staatsoper * Ort: Wiener Staatsoper * Zeit: 18., 28., 30.12.2007 + 3.,7., 9., 13., 15.1.2008