Friday, April 17, 2015

MUSIK: MIT „STOP TIME“ SCHLÄGT JON REGEN EIN NEUES KAPITEL SEINES SELBSTBEWUSSTSEINS AUF

In Stop Time reflektiert Jon Regen über die Innenwelt und die (mediale) Außenwelt des Menschen. Welche davon die stärkere und begehrenswertere ist, sagt die Intimität seiner neuen CD. (Foto © Rebecca Meek)

REIGEN WIEN AM 3. JUNI 2015 IST ES WIEDER SO WEIT: DER US-SINGER-SONGWRITER, BLUES- UND JAZZ-PIANIST JON REGEN GASTIERT MIT TRIO IN ÖSTERREICH. ENDE APRIL ERSCHEINT SEINE NEUE CD STOP TIME. ES IST EINE TIEFGRÜNDIGE ABHANDLUNG ÜBER DEN STATUS QUO SEINES LEBENS, SEINER LIEBE UND EINE MUSIKALISCHE LOSSAGUNG VON JEDER KOMMERZIELLEN ANBIEDERUNG.


Einen langjährigen Fan werden die ersten drei Nummern seiner neuen CD Stop Time kaum überraschen: obschon das drei melodisch meisterlich gemachte Blues-Kompositionen sind, wie man sie von dem geschmackvollen Singer-Songwriter Jon Regen kennt. Das erste Lied I Will Wait besticht allerdings durch textlich außergewöhnliche Raffinesse. Es eröffnet, um was es in den zehn Nummern gehen wird: um Jon Regens Liebe zu seiner zweiten Frau Kristin, die er letzten Frühsommer geheiratet hat, sowie seine damit einhergehende Selbstfindung als ein in der Lebensmitte stehender Mann. Und bei all dem Glück, das man dem lange „Flirtenden“ für die Paar-Entscheidung wünscht, echt spannend wird man seine existenziellen Erkenntnisse aus Lebenserfahrung finden: weil sie ihn auch kompositorisch zu Neuem führen.
Produzent Mitchell Froom hatte für die neue CD die Idee, der Intimität von Regens Liedern ein ebensolches Setting zu verschaffen. Dadurch wurde sie selbstbewusster als jede andere zuvor, wo mehr Instrumentalisten und weniger Experimente mitspielten. Die ganz nah ins Mikrofon singende Stimme Regens und sein Klavierspiel werden nur von zwei Koryphäen am Bass und am Schlagzeug unterstützt: Davey Faragher (bass) und Pete Thomas (dr), den Band-Mitgliedern von Elvis Costello and the Imposters. Gezielte Text-Stellen ergänzen Froom und Regen durch rare Keyboard-Effekte, die umso stärker auffallen und die Aussage noch signifikanter machen. Dadurch wird die souveräne „Liedermacher-Persönlichkeit Jon Regen“ präsentiert, so wie Frooms  Label-Stars, Randy Newman und Paul McCartney, oder wie in den 90er Jahren die ebenfalls stark Text-Lied-orientierte Suzanne Vega (Luka, 1987, My Favorite Plum, 1996), mit der Froom zu jener Zeit auch verheiratet war.

Der Dichter Jon Regen über Ego und Liebesfindung


Der „Dichter“ Regen zeigt sich nun in I Will Wait, indem er akustisch wiederholt scheinende Textzeilen so minimal abwandelt, dass sie einen wendungsreichen, psychologisch fundierten Sinn ergeben:

Well, there´s millions of people 
(Es gibt Millionen von Leuten)
Adrift in this world
(treibend (auch: herrenlos) in dieser Welt)
Hoping to find themselves a boy or a girl
(Sie hoffen, sich selbst zu finden – ein Junge oder ein Mädchen)

Regen sah sich als einer von diesen suchenden Leuten, bis er jene - gerade weit entfernte - Frau fand, auf die er wartet. Die Sehnsucht nach ihr bringt ihn dazu, über sich selbst und seine Veränderung durch sie nachzudenken. Um den Kitsch zu entschärfen, baut er Situationskomik ein, die noch einmal doppeldeutig mit dem „herrenlosen“ Tier spielt: „I´d sleep with your cat, But I´m scared he might bite, Before the day I met you, I was losing my mind“  / dt: „ich könnte (Anm. Red.: statt mit ihr) - mit deiner Katze schlafen, fürchte aber, sie könnte beißen, Bevor ich dich traf, War ich dabei, meinen Verstand zu verlieren“.

Well, there´s millions of people
(Es gibt Millionen von Leuten)
Alive in this world
(Die in dieser Welt leben)
Hoping to find them a boy or a girl
(Sie hoffen, auf ein Mädchen oder einen Jungen zu treffen)

Mit der Nuance-haften Verkürzung von „themselves“ (sich selbst) auf „them“ (für sich) gelingt Regen die psychologische Erkenntnis, dass sich die Suche nach sich selbst eigentlich mit dem Finden des passenden Partners erledigt. Sich damit zufrieden zu geben, ist für jeden Single in dieser Welt, der sich bindet, das Zeugnis zur Paar-Reife.

Über den Partner zu sich selbst


Diese Erkenntnis verleitet Regen im zweiten, dynamisch-beschwingten und positiv motivierten Blues-Song Morning Papers noch zu einer Steigerung der Prioritäten-Setzung von individuellen Bestrebungen in Bezug auf die in Zeitungen gepriesene Außenwelt, wo über „Gewinner und Nehmer“, „Fusionierungen und schöne Wolkenkratzer“, „Mogule-Treffen und Fernseh-Vortäuscher“ berichtet wird. Zu jenen möchte der Einzelne in seinen Träumen gehören, so auch Regen, der das aber mit an Unechtem orientiertem „Größenwahn“ vergleicht. In Wahrheit bringe der Austausch über diese Außenwelt mit dem Partner die tatsächlich erstrebenswerte Echtheit. „Die Außenwelt“ mündet als akustische Verdoppelung des Texts in einem Echo-haften Künstlichkeitston, der zunächst zaghaft mitspielt, und am Ende wie im unwirklichen Film als Schall und Rauch vor dem übrig bleibenden, „echten“ Klavier in der Ferne ausklingt.
Das dritte Lied Run To Me richtet sich in der einschlägig melancholischen Blues-Stimmung an die Partnerin, die er ermutigt, zu ihm, dem „Kompass-Zeiger, dem Freund, dem Geliebten“ zu kommen, wenn sie ihren Halt oder Glauben verloren hätte. Und er endet mit dem Medien-Anknüpfungspunkt des zweiten Songs:  „Wenn deine wildesten Pläne weggeworfen werden, wie die Magazine des letzten Monats, Und wenn nichts mehr übrig bleibt, als zu schreien, Kannst du zu mir eilen.“ Damit meint er, dass sich auch die Partnerin – so wie er zuvor – darüber bewusst werden muss, dass „er“ die vertrauenswürdigere Garantie von Nähe bringt als jedes ehrgeizige Streben nach Anerkennung von der Außenwelt.

Kein Woody Allen, aber ein New Yorker mit Borderline-Problem


Ab Song Nr. 4 kann sich dann der treueste Jon-Regen-Kenner fünf Nummern lang überraschen lassen, weil nicht nur jedes Lied sehr speziell, fein und künstlerisch eigenständig ist, sondern auch inhaltlich und akustisch Außergewöhnliches bietet. Borderline beschreibt das Bild des New Yorker Stadtneurotikers, allerdings nicht so, wie man sich eine Woody-Allen-Figur vorstellt, sondern den enttäuschten Musik-Künstler Jon Regen, der eben jede Hoffnung verloren hat und deshalb durch die Stadt irrt. „Geschlagen von Feinden, Und aufs Kreuz gelegt von Freunden, So dass es schwierig ist, auszumachen, wer ehrlich ist und wer sich verstellt...“ Darauf folgt der Refrain, und der ist als psychoanalytische Selbstdiagnose gleichermaßen brutal wie als Liedtext über das Stilmittel der Übertreibung komisch: „Cause I´m Stuck in the middle on the borderline ...“ (Denn ich stecke mitten in der Borderline) – was „Grenzlinie vor einer Entscheidung“ oder eben die „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ bedeuten kann. Beides ist aufgrund des restlichen Textes plausibel, weil Gefühle der Leere und Instabilität in Beziehungen, Stimmung und Selbstbild beschrieben werden. Gegensätzlicher Weise wirkt der Refrain aber wie ein guter alter, Zufriedenheit ausdrückender American Country-Song, wozu der zweistimmige Chor (Val McCallum und Davey Faragher) einstimmt und beruhigende Gitarretöne erklingen (McCallum). Die Abreise aus der Weltstadt aufs Land ist also praktisch schon zu hören, bevor der Entschluss „zu gehen“ am Ende ausgesprochen wird. Motivierend und hell signalisiert das Keyboard die innere Erstarkung, bis es nach dem Tief zu dieser „Erleuchtung eines Neuanfangs“ kommen kann.

Ein kleines Kunstwerk: Stop Time als Einheit von Form und Inhalt


Mit Stop Time folgt in seiner Leichtigkeit, in seinem Schalk, in seiner künstlerischen Komplexität von musikalischer Form und Inhalt, kurz in seiner Originalität, ein Highlight der CD. Nicht umsonst trägt sie ja auch den Titel dieses Liedes. Der Rhythmus des Schlagzeugs ist schon einmal komplett a-typisch für Jazz und Blues, und für Jon Regen an sich, sodass man allein deshalb zuhören muss. Marschartig, als ticke der Sekundenzeiger einer lauten Uhr, treibt es einen humorvoll ausgeglichenen Mann an, den Blick auf sein bisheriges Leben zu richten. Er steht allerdings noch nicht so abgeklärt über allem darüber, denn sich mit seinen amourösen und materiellen Rückschlägen sowie dem Altern abfinden, das will er nicht. Lieber möchte er mit der Fantasie eines Kindes die Zeit stoppen und sie zu jenen Momenten zurückdrehen, um Fehler des Lebens auszubessern: „When I was a boy, I had it all too good, No one ever said, it would turn to soot, Getting old´s a bitch, I don´t believe you should, Stand in line like all these fools, I will not lay down, I won´t turn to dust, I´m gonna crack this code like a scientist“ („Als ich ein Junge war, hatte ich es rundum gut, Niemand sagte jemals, es würde sich alles in Ruß verwandeln, Alt zu werden, ist eine Schlampe, ich glaube, du solltest nicht wie all die Narren in der Schlange  stehen, Ich werde mich nicht hinlegen, ich werde nicht zu Staub zerfallen, Ich werde diesen Code knacken wie ein Wissenschaftler“) Das Schöne und Geistreiche an der Nummer ist allerdings, dass die Musik diesen Wunsch konterkariert. In der Mitte gibt es zwar einen rhythmischen „Stop“, worauf eine den Reparatur-Willen des kleinen Jungen ausdrückende Kinderlied-Passage folgt. Diese geht aber in einem ausufernden Swinging-Jazz-Piano-Solo auf, sodass dem Zuhörer über die Virtuosität vor Begeisterung der Atem stockt. Damit wird klar, dass in der Kunst alle Irrwege und Lebensbruchstellen willkommen sind, es geht nur darum, sie gekonnt und harmonisch ins geradlinige Ganze einzubetten. Und letztendlich gilt das auch für das Leben und die innere Reife des Menschen an sich.

Feinheiten zum Nachdenken, sinnlich träumen und experimentell ankommen


Darauf folgen drei ruhige, ernste Lieder. Walk On Water ist mit melancholischer Moll-Note ein Aufruf an jeden Einzelnen, die schmerzlichen Herausforderungen des Lebens anzunehmen; es ist zum puren Klavier einnehmend intim und hat mit den Bildern „über Wasser oder durch Feuer zu gehen“ religiösen Charakter. Das Klavier geht diesen Weg der lohnenden Überwindung im kurzen Solo vor. Nur so könne ein Neuanfang gelingen, der die ureigenen Träume wahr werden ließe.
Verführerisch ist Annie, wobei die „Verführte“ die Gitarre von Val McCallum ist, die im Duett von Jon Regens sensibel-liebevollem Wurlitzer-Spiel zu einer unglaublichen Einfühlung gelangt: Erotischer und sinnlicher kann die Musik zweier zusammen spielender Instrumentalisten kaum sein. Da ist es fast hinfällig zu bemerken, dass auch der Text von der „geflohenen Annie“ nichts anderes will als Sex und Liebe, Geben und Nehmen, und das auch noch mit Ewigkeitsversprechen.
Home Again hat mit subtiler Anspielung an Message In A Bottle von The Police - eine von Jon Regen verehrte Band - am meisten Pop-Charakter. – Es ist der erste Song, den es von Regen in diesem Stil gibt. – Denn es werden durchgehend Verfremdungseffekte verwendet. In der reduzierten Anwendung bleibt der Song aber künstlerisch fein und experimentell. Regens Stimme arbeitet mit Echo, als sei die singende Person weit weg, und die Musik wird wie aus der Ferne ins Jetzt eingeführt. Regen träumt „von dort“ vom Gesicht der Geliebten, das vor seinen Augen schwebt. Er zählt die Meilen, die noch fehlen, um wieder daheim zu sein. Wobei das „Wieder Daheim“ generell auf „sie“ als Person gerichtet ist, die ihm endlich wieder dieses Gefühl von Zuhause geben kann.

Wem das zu verdanken ist


Chapter Two ist der fröhliche Ausklang, eine Hymne an „Sie“ als sein „zweites Kapitel“, das er diesmal durchzieht, obwohl er nicht genau weiß, was an ihr eigentlich so speziell ist. Und er resümiert über sich: „Mir gehen die Gründe aus, warum ich alleine lebe, All die leeren Versprechen enden mit dir, Ich weiß, ich kann jetzt für immer lieben.“ Als Nachspiel ist wohl das kurze These Are the Days gedacht, (möglichweise hat er es am Tag vor seiner Hochzeit geschrieben). Jon Regen allein an seinem Klavier. Er sinniert über die kleinen Erdbeben dieses Lebens: über das Regeln-Befolgen in der Kindheit und deren Brechen in der Jugend, über die Fehler und großen, unwirklichen Träume, die nun, mit „ihr“ als Partnerin, vorüber sind und nur noch als Erinnerung bleiben. Die machten ihn alt, während „sie“ ihn jetzt verjünge ... e.o.

Siehe auch Link: Jon Regen Stop Time-Album-Trailer
 
Sowie Link: Für das Lied Home Again gibt es bereits ein Studio-Video
Sowie Link: Studio-Video von I Will Wait


DAS URTEIL JON REGEN WIRKT MIT SEINER NEUEN CD STOP TIME SELBSTBEWUSSTER DENN JE. TROTZ INSTRUMENTALER REDUKTION UND WEGEN EXPERIMENTELLEN ÜBERRASCHUNGSMOMENTEN. VIELLEICHT IST SEINE ERKENNTNISFÄHIGKEIT ALS MANN DER LEBENSMITTE DER GRUND DAFÜR, VIELLEICHT HAT IHN SEINE NEUE, GROSSE LIEBE „BEFREIT“.  ER IST JETZT INTIMER, KLARER, FEINER – UND LOCKERER IN SEINEM SCHWARZEN HUMOR.

CD & KONZERT Stop Time * Jon Regen Solo 2016 * Mit: Jon Regen (piano, voc) * Ort: Reigen Wien * Zeit: 29.9.2016: 20h30 
CD Erscheinungsdatum: 28. 4. 2015 bei Motéma Music * Musik und Text: Jon Regen * Produzent: Mitchell Froom * Mit: Jon Regen (piano, wurlitzer, voc), Davey Faragher (bass), Peter Thomas (drums), Mitchell Froom (keyboards), Val McCallum (guitar), Don Heffington (congas)

Friday, March 06, 2015

MUSIK: SAU-SPANNENDE "FALCO CONVENTION VII" NACH KONVENTIONELLER "DIE GOLDFISCH"-U4-NACHT

U4 und ORPHEUM DIE POPMUSIK DER 2010-er JAHRE IST DEM 80-er POP RECHT ÄHNLICH. DESHALB IST FALCOS MUSIK ALLSEITS PRÄSENT. IM FEBRUAR 2015 WURDE FALCO DURCH SEINE ORIGINALBAND WIEDERBELEBT, EINMAL BEI DIE GOLDFISCH MIT VIELEN INTERPRETEN ALS DISCO-PARTY, EINMAL ALS KONZERT IN MUSIKALISCHER WEITERENTWICKLUNG. - WORIN LIEGT DAS GRÖSSERE POTENTIAL?


Der 19. Februar gehört im Wiener U4 dem legendären Falco. Das Lied-Zitat über sein Stammlokal, "und im U4 geigen die Goldfisch" diente 2015 als Konzert- und Bandtitel Die Goldfisch. (U4-Fotos, wenn nicht anders angegeben © Elfi Oberhuber)

Falco-Bandleader und Keyboarder Thomas Rabitsch hat für das Konzert die Originalband zusammengetrommelt.



Vollwertiger Ersatz für Falco-Schlagzeuger Thomas Lang: Florian Holoubek.

Falco-Bassist Bertl Pistracher (li) war Langzeitmusiker bei Falco, E-Gitarrist Peter Vieweger (re) war in Falcos frühen Jahren sein Bandleader.
Gesungen wurden die Hits von acht österreichischen Interpreten. Eine der stärksten war Tini Kainrath, und zusammen mit Georgij Makazaria brachte sie in No Time For Revolution die Disco zum Brodeln. (Foto © U4)
Russkaja-Frontman Makazaria ist nicht nur ein echter Stimmungsmacher, er hat auch als Teufel in Dance Mephisto schauspielerische Sangeskraft, so wie sie Falco drauf hatte - allerdings in anderer Manier.
Ein aggressiver Anheizer ist Roman Gregory, der die Idee zu dem ganzen Event hatte.
Einen "kaputten" gealterten Jeanny-Entführer mimte Haymon Buttinger, wobei die Darstellungskunst hauptsächlich auf die Requisiten begrenzt war.
Die Originalband (hier Peter Paul Skrepek) verstand sich an diesem Abend exakt so, wie sie für Falco spielte…



… wo zum Beispiel Trompeter Bernhard Rabitsch auch als Percussionist und Chorsänger auftrat. Dass er, so wie auch jedes andere Band-Mitglied, eigentlich solistisch mehr zu bieten hat, war zwei Tage später zu bestaunen ...



Auch 2015 stand der Februar zweimal im Zeichen des Falken, der in diesem Monat vor 58 Jahren auf die Welt kam und in diesem Monat vor 18 Jahren aus ihr ging. Dieses Mal geschah das aber in ziemlich authentischer Form: denn Falcos Originalband fand sich nach sieben Jahren fast vollzählig ein; nur der in den USA anderweitig engagierte Schlagzeuger Thomas Lang fehlte. Falcos Bandleader und Keyboarder Thomas Rabitsch liess sich von Alkbottle-Sänger Roman Gregory zum Konzert im Wiener U4, am 19.2., hinreißen. Ob allerdings der Titel Die Goldfisch wirklich ausreicht, um "diese Band", die ja "nur" aus der Originalband Falcos (Thomas Rabitsch, Peter Paul Skrepek (git), Bertl Pistracher (bass), Bernhard Rabitsch (tromp, chor) sowie dem frühen Falco-Gitarristen Peter Vieweger) mit Schlagzeuger Florian Holoubek besteht, "eigenständig" zu positionieren, ist fragwürdig. Denn tatsächlich unterschied sich das diesjährige U4-Konzert kaum vom jenem von 2008 anlässlich Falcos 10. Todestages, wo verschiedene bekannte Sänger der österreichischen Musikszene einzelne Hits darboten. - intimacy: art hat darüber ausführlich berichtet: siehe Link.

Viele Sänger verderben nicht immer das Konzert


Das Unterscheidbarkeits-Quäntchen lag heuer allein darin, dass die acht Sänger oftmals im Duo oder Trio auftraten, sodass sich eine gewisse Atmosphäre der interpretatorischen "Beliebigkeit" einstellte. Das Vorhaben Gregorys, "Falcos Songs Leben einzuhauchen und die gegenwärtige Sangesszene jene zelebrieren zu lassen" erfüllte sich zwar in Sachen "engagierter Unterhaltung", denn Roman Gregory und Hans "Anzo" Morawitz bemühten sich als animierender Auftakt mit Hits wie Wiener Blut und Ganz Wien sichtlich, Schwung auf die enge Bühne mit niederer Decke zu bringen. Dazu gesellte sich noch Springinkerl Andie Gabauer - der Mann mit der schönen Dancing-Stars-Stimme -, den Egoist(en) und Junge(n) Roemer nahm man dem adretten Turnschuh-Buben in den gleichnamigen Liedern aber nicht ab. Konkret gesagt: Gabauer sollte definitiv an seiner Performance arbeiten, um auch den Inhalt des von ihm klassifizierten "genialen Lyrikers Falco" zu transportieren. Dann wirkt auch sein hübscher Ton expressiver.

Kainrath und Makazaria - die kraftvollsten Blick- und Gehörfänger


Stimmiger wurde Gabauers Amerika-Darbietung mit Tini Kainrath, weil sie beide ausgezeichnete Sänger sind und einander zu motivieren verstehen. Die einnehmende Sängerin im grünen Glitzerkleid ließ außerdem das coole Brillantin Brutal als Solo und Emotional mit Roman Gregory temperamentvoll erstrahlen. Ihren Sager "es ist ja jeder für sich emotional, und man soll sowieso nie so klingen wie das Original, aber möglichst dieselbe Kraft haben" scheint sie einverleibt zu haben. Das hatte seine größte Wirkung im dark-metal-stimm-gewaltigen Duo No Time For Revolution mit dem theatral ungemein starken Georgij Makazaria, überraschenderweise überhaupt das Highlight  des Abends, obschon dieses Lied nicht zu den großen Falco-Hits gehört. Mit seinem neuzeitlich adaptierten Computer-Hardcore-Sound hätte die U4-Disco-Atmosphäre nicht passender gefüllt werden können. Der Teufel, den auch Falco gut drauf hatte, verkörperte Makazaria schließlich in Dance Mephisto, sodass die Funken nur so sprühten. Das Duett mit Gregory machte danach auch das zweideutige Mutter, der Mann mit dem Koks ist da bedrohlich lebendig. 

Viel, aber zu wenig geprobt


Daraufhin Haymon Buttinger als "echten" Schauspieler anzukündigen, war im Ablauf gut geplant, die Theaterleistung in Spiel und Gesang bei Jeanny kam aber eher als sarkastische "Ich-mag-dieses-kitschige-Lied-eigentlich-nicht-sonderlich" rüber, ganz so, wie es bereits Drahdiwaberl-Kopf Stefan Weber in den vergangenen Jahren interpretiert hatte. Nur dass Weber mit einem Urinkübel spielte, während Buttinger als alter, zerfallener Mann mit Sonnenbrille eine antike Puppe mit zerschlagenem Gesicht in den Händen hielt. ( - Sollte das, wenn er heute noch lebte, Falco sein?) Dann folgte der bewährte Auf der Flucht- und Der Kommissar-Rapper Skero, nur dass sein äußeres Erscheinungsbild und damit auch seine Gesangeshaltung dieses Mal nicht den Dandy mimten. Potential hat Vienna Calling von der stimmlich farbreichen und spezifischen Minisex-Legende, Rudi Nemeczek, gerade wegen seines Bewusstseins über seine Probleme mit der "Textsicherheit, weil der Falco hat so atmosphärische, assoziative Texte geschrieben, die nicht eine normale Geschichte erzählen. Und da muss man sehr lange üben, bis man das drauf hat". 


Tolle Partystimmung trotz Musiker-Unterforderung


Zum Finale war die Stimmung im vollen U4 ausgelassen, denn wie Thomas Rabitsch selbst scherzhaft über sich und die alte Band sagt, spielte hier eine "Altherren-Partie" für eine, laut Gregory, "bunte" Sängerschar, was denn auch in ausreichend "Spannung" münden sollte. Dass selbst dafür intensive Proben nötig waren, kommentierte Rabitsch für die Musiker sprechend ( - die die Lieder ja auswendig können -) ironisch auflachend mit: "Naja, man will sich ja keine Blöße geben, vor allem wegen der Interpreten". Ob das musikalische Erbe Falcos letztlich aber vollendet ins Heute übertragen wurde, blieb offen. Umso mehr, da zwei Tage später der Vergleich mit einem Konzert ganz anderen Zugangs möglich wurde.



EIN EINZIGARTIGES MUSIK-ERLEBNIS: DIE 7. FALCO CONVENTION WURDE ZUM ÜBERRASCHUNGSKONZERT DES JAHRES. DER WERMUTSTROPFEN FÜR DIE VERANSTALTER: VON JETZT AN LIEGEN DIE ERWARTUNGEN BEIM PUBLIKUM HOCH …


Am 21. Februar 2015 kam es im Orpheum bei der Falco-Convention VII zu einem unvergesslichen Konzertereignis: die sympathischen Interpreten, Martin Böhm und Alex
Sailer, traten dafür im harmonischen Doppel auf. (Orpheum-Fotos,
wenn nicht anders angegeben © Dietmar Lipkovich)

Tenorsaxophonist Harry Sokal führte als Solist das rhythmische Punkte setzende und Fanfaren-artige Bläser-Sextett an, das immer wieder für mitreißende Funky- und Jazz-Spitzen sorgte …

…hier "Drei von Sechs": Harry Sokal, Trompeter Martin Milanovich und Falco-Originalband-Trompeter Bernhard Rabitsch.

Die anspruchsvollen Arrangements kamen von Falco-Originalband-Gitarrist, Peter Paul Skrepek, der sich nicht nur selbst herausforderte …

… sondern auch die Sanges-Interpreten Sailer und Böhm, die sonst in eigenen Bands auftreten ...

… das künstlerische Geheimnis lag durchgehend in der Luft. (Foto © Elfi Oberhuber)

Die Falco-Originalband und Falco-Tributeband - zu beiden gehört Skrepek - hatten kein Problem, auch mit der Band Sappalot und deren Frontman Alex Sailer ein rasantes Falco-Gefühl zu erschaffen.

Sappalot - hier Gitarrist Martin Edelmann neben Sailer - traten auch in Reinkultur als Falco-Interpreten auf. Der Hard-Rock-Zugang ist unverkennbar …

… wobei die Band für diesen Zugang ungewöhnliche Instrumente verwendet, wie die Mundharmonika (sorgte für Bewunderung: Johann Allacher) und das Tenorsaxofon von und mit Edgar Pleyer.

Trotzdem war man dann erfreut, wenn wieder die "Originale" um Martin Böhm mit "gewohnten" Tempi und solidem Gesang samt Chor - Sheila Fernandez, Bernhard Rabitsch, Martin Hulan und Eliza Mandzik - auftraten.





 

 

FALCO CONVENTION VII



Bei der Falco Convention VII im Wiener Orpheum war die Falco-Originalband am 21.2.2015 keine "Altherren"-Partie mehr, sondern sie bestand aus Musikerpersönlichkeiten, die jeder für sich zeigen konnte, warum sie den Ruf des legendären Originals genießt. Außerdem gesellten sich zwischen die "Alten" ein paar junge Musiker, sodass das Alter auch optisch keine Rolle mehr spielte. Zusammen ergab das rein instrumental eine Big Band erster Güte, wo der Ton der Lieder so rhythmisch exakt saß, die Lieder so sehr einverleibt und aus dem "Im-Schlaf-Können" heraus abstrahiert und erweitert wurden, dass Überraschung und Drive für den Falco-Fan und vielseitigen Musikliebhaber zum freudigsten Abenteuer wurden. Arrangiert wurden die Hits von E-Gitarrist Peter Paul Skrepek.

Gewaltstark wie ein Donnerschlag: der Konzertbeginn


Es fing schon aufregend an: nach der kleinen U4-Bühne erschien die Orpheum-Bühne geradezu gigantisch, sodass diese Meister ihres Fachs gebührend rüberkamen. 13 Musiker und zwei Sänger, die Frontmen der Falco-Tributeband (Martin Böhm, der auch der Konzertveranstalter ist) und von Sappalot (Alex Sailer), eröffneten mit Auf der Flucht eindrucksvoll und rasant durch punktgenau gespielte Energie. Gesteigert wurde jene noch in Der Kommissar, wo der sechsköpfige Bläsersatz mit Bernhard Rabitsch (Tromp, Flügelhorn), Harry Sokal (Tenorsax), Thomas Faulhammer (Baritonsax, Flute), Alois Eberl (Posaune), Edgar Pleyer (Tenorsax) und Martin Milanovich (Tromp, Flügelhorn) so funky wirkte, als wären die James-Brown-Meister Pee Wee Ellis und Fred Wesley höchstpersönlich anwesend. Lichtgestalt Sokal gibt dabei sein erstes Solo, das mit allen Bläsern im mitreißenden Titellied der Cop-TV-Serie Die Straßen von San Francisco von Patrick Williams mündet - eine ungemein geistreiche und musikalisch erstaunlich passende Assoziation. Im dritten Lied Amerika mit kurzem,  neben amerikanischer Bundeshymne, live gespieltem Mozart-Zitat konnte man sich als - ob des instrumentalen Aufgebots - verblüffter Zuschauer erstmals bewusst auf die beiden gut gelaunten und motivierten Sänger konzentrieren, die schon optisch, gleich groß, in fast derselben schwarzen T-Shirt-Hemd-Gilet und Dreitagebart-Aufmachung wie ein verstärktes Doppel eines Frontmannes erschienen, was denn auch ihr synchroner einstimmiger und voller Gesang unterstrich. Vor dem vielsagenden musikalischen Hintergrund war es somit nicht nötig, als Interpret noch extra eine Betonung und theatrale Deutung draufzugeben.

Die Hardrock-Falco-Interpreten: Sappalot


Dann lösten sich einige Musiker aus der "Big Band" heraus, sie gesellten sich zu neu auftretenden Instrumentalisten und stellten sich als Band Sappalot vor  - die Bläser Edgar Pleyer und Martin Milanovich, Gitarrist und Background-Sänger Martin Edelmann, Bassist Hardy Wallner, Keyboarder Heinz Schwarz, Gitarrist Reinhard Sacher, Schlagzeuger Wolfgang Frühbauer und Mundharmonika-Spieler Johann Allacher. Sappalot interpretierte vier Falco-Nummern, darunter auch die selten gespielten Lieder Ihre Tochter und Kann es Liebe sein mit verwegenem, härterem Gitarrensolo Edelmanns als es Falco-Originalgitarrist Skrepek spielen würde. Überhaupt interpretiert Sappalot die Lieder eher im Stil von jungen Outlaws, schneller, fahriger und auch schleissiger als die Originale, vielleicht sogar in Richtung Punk-Rock. Und wenn Sänger Sailer in Hinblick auf Falco etwas mehr drauf hat als Böhm, dann ist es Falcos Arroganz in der Stimme; was beiden Sängern fehlt, ist der "raffinierte Lyriker" und "extravagante Schauspieler" Falco.

Falcos Originalband mit neu aufgeteilten Rollen


Nach der beintechnisch und körperlich wendigen "Jugend" - Sailer outete sich als Jahrgang ´80, demnach war mancher von Sappalot gerade einmal fünf Jahre alt, als Falco seine größten Erfolge feierte - freute man sich schon wieder auf die exakten "Altmeister": Keyboarder Thomas Rabitsch, Trompeter Bernhard Rabitsch, Gitarrist Peter Paul Skrepek, Bassist Bertl Pistracher von Falco, sowie den langjährigen Falco-Tributeband-Schlagzeuger Peter Barborik und -Keyboarder Barnabas Juhasz. In Wiener Blut, Verdammt, wir leben noch und Emotional wurden sie von den Chorsängern Martin Hulan, Eliza Mandzik und Sheila Fernandez unterstützt. Hier zeigte Sänger Böhm, dass er der richtige Mann für Falcos gefühlvollen Lieder ist. Er widmete das letzte Lied tatsächlich seiner anwesenden Liebsten, wodurch die Verinnerlichung seiner Darbietung nachvollziehbar wurde.
Mit der Erwähnung, dass Thomas Rabitsch bei Falco, und Skrepek bei Hansi Dujmic, wo sie ja beide spielten, jeweils Kapellmeister gewesen seien, schien nun vice versa Skrepek an diesem Falco-Abend jene Rolle inne zu haben, indem er den Einsatz zum umwerfenden, frisch geschriebene Bläser-Intro von Ganz Wien gab. - Das Stichwort für den Auftritt von Stargast Boris Bukowski, der mit seiner rauchigen Stimme und Entrücktheit Kunst-Atmosphäre verströmte.

Textinterpret Bukowski auf Falcos Theaterspuren


Im rauchigen Nebelmeer hält er sich einen langen Moment pathetisch die Augen zu und singt über die Angst vor der und zugleich Lust auf die Außenwelt im ebenfalls neu arrangierten Psychiatrie-Schicksal-Hit Euer Fritze mit der Spritze. Das ist düster. Der Sänger lockert die Stimmung auf, indem er von einem Insider-Witz zwischen Falco und Tina Turners Mann erzählt, worin sie sich selbstironisch über ihre Trinklust amüsieren. Darauf folgt Bukowskis 80er Hit Kokain mit anspruchsvollem Tenorsaxofon- und Gitarren-Solo. Natürlich kann das niemand authentischer darbieten als er selbst. Nachtflug singt Bukowski schließlich im Duett mit Falco, der im Zuge des Konzerts immer wieder von der Videoleinwand agiert. Über die Liebesebene sind wir damit von der "Drogen-" in der "Sehn-Sucht" gelandet: Bukowski singt Jeanny mit aufrichtigem Feingefühl, nachdem Skrepek über sein anfangs zärtliches Gitarrensolo darauf hinweist, wie schön die Melodie dieses Liedes sein kann, wenn man sich wirklich ernsthaft damit auseinandersetzt.

Musikalische Querverweise mit Kabarettnummer


Nach der Pause "lüften" Sappalot und die Originalband in Vollbesetzung (20 Musiker) mit eigenen Worten "durch". Zuerst mit Montevideo von Falco-Wegbegleiter Hansi Lang, gesungen von den "Zwillingen" gleicher Attitüde, Böhm und Sailer. Es folgt die 1980-er Monster-Sturm-Nummer Sledgehammer von Peter Gabriel, die mit Harry-Sokal-Solo und trotz kurzer Tempo-Unstimmigkeit zwischen den Gitarristen und dem Schlagzeug für Blitzenergie sorgt. Dann kündet Sappalot das 1970er-Urgestein AC/DC an, was fast so etwas wie vorausahnenden Schock auslöst: Gespielt in ihrem Stil ist dieser Hard-Rock-"Durchzug" trotz Sailers Stimme, die bei hochrotem Kopf tatsächlich klingt wie jene von Leadsänger Brian Johnson, dann aber doch nicht so frostig. Er macht viel mehr deutlich, woher die fahrige, "hard-rockige" Falco-Herangehensweise von Sappalot im Grunde kommt. Brillantin Brutal ist im Vergleich zu dieser musik-stilistisch einschlägigen Nummer wieder Falco-gemäßigt, und mit Hoch wie nie liefert Sappalot überhaupt ihre beste Interpretation: mit der Blues-Harp-Mundharmonika von Johann Allacher, die ein Flair Wilden Westens verbreitet. Out Of The Dark scheint dagegen eher ein Kampf zwischen Bläsern und Bühnennebel zu sein, und Sappalots Titanic führt als deren letztes Lied härter als gewohnt zur "Originalband" über: Vienna Calling, wieder gemeinsam von Sailer und Böhm gesungen, ist im Originaltempo sofort zu erkennen, doch Keyboarder Thomas Rabitsch spricht anfangs statt des Telefonstimmen-Zuspielers "Hallo? Vienna Calling?" mit zugehaltener Nase. Das ist zunächst irritierend, löst sich dann aber zum runden Bühnenwitz auf, indem Gitarrist Skrepek als Wiens Altbürgermeister Helmut Zilk (er ist auch als Zilk-Darsteller bekannt) antwortet: "Rathaus, bitte warten. Sie können auf das Tonband des Wiener Rathauses sprechen!" Vom "sehr musikalischen und niveauvollen" Arrangement "des Herrn 'Vize'-Bürgermeisters" im darauffolgenden Nur mit Dir kann dann auch Leadsänger Böhm nur schwärmen - und das zurecht.

Junge Roemer - Unvergessliches Kino der Sinne


Und dann kommt er: der Höhepunkt des Abends. Junge Roemer wird schon seit ein paar Convention-Jahren im langsam zu spielenden Arrangement Skrepeks dargeboten. Heuer wird es jedoch zum wahren Kino der Sinne, zum abenteuerlichen Action-Konzert voller Dramatik, mit durchgehender Spannung und Angst vor dem Untergang, letztlich aber mit Happy End. Schon nach dem ersten Drittel wird klar, dass hier ein Experiment höchster Musikkunst im Gang ist, wobei der charmante Sänger Böhm nicht recht weiss, was da unter den Musikern vor sich geht. Nicht etwa, dass jeder von ihnen die Gunst der Stunde nutzt, um sich einmal ein obligatorisches Solo runter zu holen. Es ist eher so, dass es nach Böhms zu frühem Stimmeinsatz mit Blick eines jeden Musikers auf Skrepeks Einsatz notwendig wird, dass zuerst Alois Eberl, unterstützt von den anderen Bläsern, ein auffallend gutes Posaunen-Solo vorlegt. Dann überrascht Thomas Rabitsch mit seinem Keyboard-"Klavier" mit einer ungewöhnlich künstlerischen Improvisation. Und schließlich zaubert Peter Paul Skrepek ein sehr liebevolles Gitarrenspiel hervor, bis der letzte Refrain einsetzen kann. Bei all dieser Unmittelbarkeit und Spontaneität entsteht ein akustisches und handlungsreiches Meisterwerk, das sich wahrscheinlich nie wiederholen lassen können wird. Böhm ruft noch verzweifelt, "der Skrepek sagt immer, das geht dann schon …", wissend, dass gerade etwas Großartiges passiert ist. Worauf ein Zuschauer gen Bühne ruft: "Der hat Euch aber jetzt den Hintern versohlt!" - Zum Ausatmen der Anspannung und Erregung - für Musiker und Zuschauer - reichte daraufhin das originale Rock Me Amadeus, das hauptsächlich durch Zuspieler funktionierte.

Ein Rausch geht zuende


Nach tosendem Applaus des schon seit Tagen ausverkauften Orpheums, bekamen die 600 Besucher als Zugabe noch Falcos bei Live-Konzerten stets interpretierte Bob-Dylan-Nummer Baby Blue serviert, wo der brillante Pianist Barnabas Juhasz neben dem wie Miles Davis klingenden Bernhard Rabitsch noch für jazz-bluesiges Hochgefühl sorgten, während Böhm und Sheila Fernandez ein zärtliches Mann-Frau-Duett sangen. Mit der Falco-Hymne Helden von Heute gingen die berauschten Zuschauer nach Hause. Ein unvergesslicher Abend!

Hochwertiges, neues Eigenprofil durch Herausforderung der Instrumentalisten


Dank dieses Ansatzes - Instrumental-Kapazunder für niveauvolle Arrangements einer Big Band - ist es der Falco-Tributeband erstmals seit ihrem Bestehen gelungen, "Eigenständigkeit" als individuelle Kunstform, die musikhistorisch relevant werden könnte, zu erreichen. Höchstwahrscheinlich kam das so, weil sich die Falco-Originalband mit ihrem speziellen Knowhow in den Dienst des Versuchs gestellt hat, hier etwas Neues zu erschaffen. Stand bisher "Falco" in seiner Vielseitigkeit im Mittelpunkt, der man nachtrauerte, so kommt es jetzt zur echten "Wiederbelebung", wobei "ein interpretierender Falco" in jedem Bühnenperformer und Musikdetail sitzt. Der Musikstil ist als herangereifte Form mit Falcos Handschrift kompatibel, der jeweils Rap, Pop, Jazz, Funk, Klassik, Rock, Ballade oder später auch Techno-Stil für seine Lieder mit signifikantem Text kombinierte. Falco selbst war für die Entwicklung und den Fortschritt: "Ich glaube nicht, dass man mich heute noch als machohaft sieht, man wird mir ja auch nicht unterstellen, dass ich es heute nicht besser weiss, als vor zehn Jahren, nicht?", sagte er 1996 bei der Harald-Schmidt-Show. Für Falco-Hardcore-Fans, die indessen nicht akzeptieren wollen, dass ein hochtalentierter Künstler der 80-er Jahre heute wahrscheinlich ebenfalls seine eigenen Hits in Live-Konzerten interpretieren würde - denn auch solche Leute waren anwesend -, wäre es vielleicht besser, im kleinen Rahmen ein Nostalgiefest mit Original-Falco-Videos und Schallplatten abzuhalten. Die Falco-Tribute-Original-Band indessen hätte im "Da capo" der Falco Convention VII Konzerthaus- oder Stadthallen-Potential, wo heute dasselbe bunt gemischte Publikum kommt wie bei einem experimentell überraschenden Prince, bei einem feinsinnig unterhaltenden David Byrne und einem hoch-energetischen (leider bereits verstorbenen) James Brown.  e.o.

Martin Böhm ist einer der wenigen Interpreten, der die gefühlvollen Falco-Lieder echt stark singen kann …
… auch Stargast Boris Bukowski machte sich über Jeanny nicht lustig.  (Foto © Elfi Oberhuber)
Bukowski - mit pathetischer Geste zu Beginn - sang auch seine eigenen Lieder über Drogensucht authentisch besinnlich.

Die ernsthafte Auseinandersetzung zeigt erst die schöne Melodie von dramatischen Liedern, die hier außerdem für die Musiker des Abends arrangiert worden waren … (Foto © Elfi Oberhuber)
… mit von der feinen Bläserpartie: Thomas Faulhammer. (Foto © Elfi Oberhuber)


Bei so einer musikalischen Hingabe gerät auch Bukowski in Verzückung.

Dank der neuen Arrangements konnte man sich auch von Thomas Rabitschs abstrakten Fähigkeiten als Solist überzeugen: in Skrepeks Glanz-Stück Junge Roemer.

Das war´s: Ein Großaufgebot an Musikern und Sängern
für ein neues, künstlerisches Falco-Erlebnis!










- Die Zitate in der "Die Goldfisch-Kritik" sind O-Töne von Interviews der TV-Sendung
Heute Leben
, 20.2.2015 ORF)

 
 
DAS URTEIL
 
MIT DER FALCO CONVENTION VII IST DER FALCO-(TRIBUTE)BAND EIN KONZERT MIT KÜNSTLERISCHER EIGENSTÄNDIGKEIT UND HOHEM ANSPRUCH GELUNGEN. UMSO KLARER WURDE DAS DURCH DEN DIREKTEN VERGLEICH MIT SAPPALOT, DIE IN EINE ANDERE RICHTUNG INTERPRETIERT. - DIE U4-NACHT WAR INDESSEN EINE FÜR DAS ETABLISSEMENT PASSENDE, UNTERHALTSAME PARTY.

 
 
KONZERT A Tribute To Falco - Gedenkkonzert * Falco-Band feat. Reinhold Bilgeri und Bella Wagner (Voc.), moderiert von Udo Huber * Mit: Falco-Tributeband: Martin Böhm (voc), Bernhard Rabitsch (tromp, chor), Peter Paul Skrepek (git), Rue Kostron (bass), Peter Barborik (dr), Barnabas Juhasz (keyb) * Mit Bläsersatz – arrangiert von Peter Paul Skrepek (alle Falco-Nummern) und Bernhard Rabitsch (Reinhold Bilgeris "Desperado") –, gespielt von Bernhard Rabitsch (tromp), Harry Sokal (tenorsax), Otmar Klein (bariton-, altosax), Clemens Hofer (Posaune)  * Ort:  Stadthalle Ybbs, Kaiser-Josef-Platz 2, 3370 Ybbs * Zeit: 27.4.2017, 19h30
--> Info und Ticket-Link


Zwei Hörproben zur Falco-Convention 2014 mit Bella Wagner:
https://www.youtube.com/watch?v=eaynWQwIFKE 
 https://www.youtube.com/watch?v=qS9CWeZwCBE
 

Nachbericht zum Falco-Konzert 2017 als Abschluss der Ybbsiade:
https://www.youtube.com/watch?v=hrrYiclb7cM

KONZERT Falco Night 2015 … im U4 geig´n die Goldfisch… * Voc: Hans „Anzo“ Morawitz, Andie Gabauer, Tini Kainrath, Roman Gregory, Georgij Makazaria, Skero, Rudi Nemeczek, Haymon Buttinger * Mit: Falco-Originalband: Thomas Rabitsch (keyb), Bernhard Rabitsch (tromp, chor), Peter Paul Skrepek (git), Bertl Pistracher (bass), Peter Vieweger (git) * Mit: Florian Holoubek (dr) * Ort: U4 1120 Wien * Zeit: 19.2.2015, 21h


KONZERT Falco Convention VII * Mit Falco-Originalband: Thomas Rabitsch (keyb, voc, arr), Bernhard Rabitsch (tromp, chor, Flügelhorn, perc), Peter Paul Skrepek (git, voc, arr), Bertl Pistracher (bass) *Mit Falco-Tributeband: Martin Böhm (voc), Peter Paul Skrepek (git, voc, arr), Bertl Pistracher (bass), Peter Barborik (dr), Barnabas Juhasz (keyb) * Mit Bläsersatz: Bernhard Rabitsch (tromp, Flügelhorn), Harry Sokal (tenorsax), Thomas Faulhammer (baritonsax, flute), Edgar Pleyer (tenorsax), Alois Eberl (Posaune), Martin Milanovich (tromp, Flügelhorn) * Mit Chor: Martin Hulan, Eliza Mandzik, Sheila Fernandez * Mit Sappalot: Alex Sailer (voc), Martin Edelmann (git, voc), Hardy Wallner (bass), Heinz Schwarz (keyb), Reinhard Sacher (git), Wolfgang Frühbauer (dr), Johann Allacher (Mundharmonika), Martin Milanovich (tromp, Flügelhorn), Edgar Pleyer (tenorsax) * Special Guest: Boris Bukowski (voc), Harry Sokal (Solo-tenorsax) * Ort: Orpheum Wien * Zeit: 21.2.2015, 20h30