... der gerne dumm bleibt, genauso wie Dannys Ex-Freundin Marley (Johanna Wokalek). Sie hat studiert und bleibt vom Wesen her dennoch eine Proletin.
So droht Danny der einen, und schlägt er die andere - Teenager Jade (Astou Maraszto) - bis zum Mord. Denn Schule ist heute nur noch fad...
... wo sich perverse Lehrer wie Justin (Udo Samel) herumtreiben und die Schüler zu ebenso perversen Medienmanagern wie Helen (Andrea Clausen) ausbilden. Fotos © Bernd Uhlig
AKADEMIETHEATER ANDREA BRETH PROVOZIERT MIT SIMON STEPHENS´ MOTORTOWN ALS PACKENDEM GRENZGANG DER VERLORENEN JUGEND
Eigentlich könnte Danny genauso gut aus dem Knast heimkehren. Es müßte nicht Basra sein, wo er fürs britische Vaterland gekämpft hat. Knast und Krieg bewirken im Menschen dasselbe. - Diese Assoziation hat Simon Stephens in seinem Stück Motortown aus dem Jahr 2005 in vier Tagen Schreibarbeit, zur Zeit der Explosion der vier Bomben in den Bussen und der U-Bahn Londons, wahrscheinlich beabsichtigt. Und Regisseurin Andrea Breth hat das noch einmal betont. Aber nicht, um den Krieg zu verdammen, sondern die Umstände, warum es zu diesem Krieg und seinen verwirrt-verbohrten Kriegsheroen kommen kann. Danny stammt aus einem niedrigen, bzw. kleingeistigen Milieu, vielleicht auch nur aus der ganz normalen, unsensiblen, "beschränkten" Proletarier- oder Mittelschicht; Nicholas Ofczarek spielt diesen Danny mit roten Haarstoppeln im Akademietheater faszinierend unberechenbar, engstirnig und brutal. So ist es wohl passend, dass seine Wohngegend mit (amerikanisch einwirksamem) Ford-Nummernschild und Reifen auf der zum Rechteck verkleinerten Garagenbühne von Annette Murschetz spielt. Darauf versteht es wiederum Breth, eine packende Handlung in einer rhythmisch-intellektuellen und damit modernen Erzählmethode mit Schauplatz- und Zeitsprüngen bei Schwarzbildern und Toneffekten zu inszenieren.
Der Raum ist begrenzt wie Möglichkeiten und Geist
Im Wohnraum begegnet Danny seinem Bruder Lee (Markus Meyer), den Kostümbildnerin Sabine Volz mit verwachsenen Riesenzähnen, grotesk großer Brille und wildem Bart- bzw. Haarwuchs absichtlich übertrieben "verkleidet" und damit - für den Zuschauer zum distanzierten Nachdenken anregend - verfremdet hat, als Hinweis zur genetischen Debilität dieser Menschen, aber auch zum bewußten Festhalten derselben an ihrem defekten Dasein. Denn es garantiert jenen Menschen innerhalb ihrer Lage eine Zone des Schutzes und der Bequemlichkeit: Der putzende, kochende und bügelnde Lee kann sich und Danny so immerhin eine Wohnung halten. Ähnliches suggeriert Dannys Freundin vor dem Krieg, Marley, die sogar auf der Universität studierte, aber dennoch redet, als käme sie aus der Gosse nie heraus (Johanna Wokalek als "Proletin" in ungewohnter Rolle). Ihre Angst vor Danny ist hysterisch gross, nachdem er ihr aus dem Krieg verstörende Briefe geschrieben hat. Sie will von ihm nichts mehr wissen und meint zwischen Stottern und Weinen, ohne nachzudenken, wie provokant das ist: "Du hast eh keinen hoch gekriegt, und wenn, dann bist du nach zwei Sekunden gekommen!" - Frauen dieser Schicht scheinen Schläge auf diese Weise förmlich "herbei zu sticheln", nur lässt es Breth bei Marley nicht so weit kommen, was wiederum den Schrecken für den Zuschauer umso anhaltender macht, sodass er ständig auf der Lauer liegt.
Der Psychothrill kann beginnen
Mit Marleys Abfuhr ist der Psychothriller eingeläutet. Obwohl Danny irritierender Weise auch noch einen spannenden Job bekommt - nämlich Spezialeffekte-Macher beim Film (einem Blockbuster-Musical über den 11. September) -, kauft er bei einem ebenfalls übertrieben-verfremdeten Yuppie-Sandler-Freund aus früheren Zeiten eine Waffe. Dabei deckt der philosophisch angehauchte Weltpessimist Paul (passend zu seinem Typ: Wolfgang Michael) Danny mit einer Nonstop-Nörgelei über die Jugend von heute ein: "Drogen können die Jungen im Supermarkt kaufen, solche, die man heute gar nicht mehr kennt ... Und ihre gespaltene Sexualität leben sie, weil ihre Partnerschaften nicht lange dauern, online aus." Das scheint weniger moralische Anklage als abgefundene Tatsache für den doppelmoralischen Nörgler zu sein, der als Mitfünfziger selbst etwas mit der 14-jährigen Jade (Astou Maraszto) hat. - "Sie langweilt sich in der Schule und geht nicht mehr hin", sagt er über sie. Die Erlebnis-gierige Jade sucht sich zur Unterhaltung also die Gefahr - wobei sie beim aggressiv aufgeladenen Danny gut aufgehoben ist. Nachdem er der bereits wieder vergebenen Marley gedroht hat, "alle ihre Typen umzubringen", geht er mit dem naiv-geilen Teenager auf Spritztour ...
Je schwächer das Opfer, desto besser für den Sadisten
"Das ist das Problem mit der Jugend von heute. Sie weiß nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen soll", frotzelt Danny Jade in einer spannungsgeladenen Mischung aus Sex und überlegener Drohgebärde, sodass sie sich unter seiner (Zuhälter-)Masche, sie zwischen Abscheu und Versöhnung zum unterlegenen, wertlosen Objekt zu degradieren, zunächst noch angezogen fühlt. - Das mag übrigens der Grund sein, warum Frauen bei "Schlägern" bleiben: Weil jene ihnen Stärke nach außen hin weismachen, während sie sie nach innen (also bei ihnen) ausüben. - Er schüchtert das Kind immer mehr ein, indem er ihm befiehlt, sich auf einem Bein stehend zu bücken und nicht zu bewegen. Und während sie gehorcht, drückt er eine Zigarette auf ihr aus, sodass sie sich bewegen muss ... Danny treibt sein sadistisches Spiel, damit er seine (Freude an der) Wut los werden kann. Dass sie eigentlich aus der Kriegszeit kommt, sagt er beiläufig zu seinem Befehl, Jade solle ein Kleidungsstück nach dem anderen ausziehen: "Ich tu mit dir das, was mein Vorgesetzter mit mir gemacht hat." Er überschüttet sie mit Benzin und spielt mit dem Feuer, sodass sie vor Angst nur noch schreit. Doch für ihr Sterben hat er eine andere Lösung, festgehalten in einer trophäenartigen Fotoserie.
Behinderte haben es gut, denn sie wissen nicht, was sie tun
Auf der Heimfahrt, wo die Worte fallen, "die jungen Leute gehen auf die Uni, bekommen kleine Jobs und hoffen, irgendwann Überflieger zu sein", trifft er noch auf ein perverses Paar, den biederen Lehrer Justin (aberwitzig gut: Udo Samel) und die Medienmanagerin Helen im schicken Kostüm (Andrea Clausen), der Dannys Militärvergangenheit besonders imponiert. Sie fordern ihn zum Dreier-Sex auf, weil der Lehrer gerne zusehe, wenn seine Geliebte glücklich sei. Darauf meint Danny nur angewidert: "Meine Ma hat meinen Pa nie so was gefragt. Wird man so, wenn man in den Medien arbeitet? - Ich konvertiere zum Islam, da schützt man sich vor Abschaum, wie ihr es seid!" - Doch damit nicht genug, der Perversität zwecks sozialer "Integrität" kommt selbst Danny in seiner Familie nicht aus: sein staunender, nur nach Behinderten-Instinkten reagierender Bruder - was für die Menschen von heute ohne Gefühl für Recht und Moral stehen mag -, bekommt einen Ständer, während Danny ihn küßt, und er ihm vom Mord erzählt. Das ist nun ihr beider Geheimnis, das nicht nach außen dringen darf und sie eng verschweißt .. Und wahrscheinlich ist das im Leben erst der Anfang vom perversen Terror-Ende, wo man partizipieren muß, um nicht drauf zu gehen. Denn das ist das Resultat einer Weltsicht ohne bestehende - und vor allem lebbare - Ideale. e.o./a.c.
Eigentlich könnte Danny genauso gut aus dem Knast heimkehren. Es müßte nicht Basra sein, wo er fürs britische Vaterland gekämpft hat. Knast und Krieg bewirken im Menschen dasselbe. - Diese Assoziation hat Simon Stephens in seinem Stück Motortown aus dem Jahr 2005 in vier Tagen Schreibarbeit, zur Zeit der Explosion der vier Bomben in den Bussen und der U-Bahn Londons, wahrscheinlich beabsichtigt. Und Regisseurin Andrea Breth hat das noch einmal betont. Aber nicht, um den Krieg zu verdammen, sondern die Umstände, warum es zu diesem Krieg und seinen verwirrt-verbohrten Kriegsheroen kommen kann. Danny stammt aus einem niedrigen, bzw. kleingeistigen Milieu, vielleicht auch nur aus der ganz normalen, unsensiblen, "beschränkten" Proletarier- oder Mittelschicht; Nicholas Ofczarek spielt diesen Danny mit roten Haarstoppeln im Akademietheater faszinierend unberechenbar, engstirnig und brutal. So ist es wohl passend, dass seine Wohngegend mit (amerikanisch einwirksamem) Ford-Nummernschild und Reifen auf der zum Rechteck verkleinerten Garagenbühne von Annette Murschetz spielt. Darauf versteht es wiederum Breth, eine packende Handlung in einer rhythmisch-intellektuellen und damit modernen Erzählmethode mit Schauplatz- und Zeitsprüngen bei Schwarzbildern und Toneffekten zu inszenieren.
Der Raum ist begrenzt wie Möglichkeiten und Geist
Im Wohnraum begegnet Danny seinem Bruder Lee (Markus Meyer), den Kostümbildnerin Sabine Volz mit verwachsenen Riesenzähnen, grotesk großer Brille und wildem Bart- bzw. Haarwuchs absichtlich übertrieben "verkleidet" und damit - für den Zuschauer zum distanzierten Nachdenken anregend - verfremdet hat, als Hinweis zur genetischen Debilität dieser Menschen, aber auch zum bewußten Festhalten derselben an ihrem defekten Dasein. Denn es garantiert jenen Menschen innerhalb ihrer Lage eine Zone des Schutzes und der Bequemlichkeit: Der putzende, kochende und bügelnde Lee kann sich und Danny so immerhin eine Wohnung halten. Ähnliches suggeriert Dannys Freundin vor dem Krieg, Marley, die sogar auf der Universität studierte, aber dennoch redet, als käme sie aus der Gosse nie heraus (Johanna Wokalek als "Proletin" in ungewohnter Rolle). Ihre Angst vor Danny ist hysterisch gross, nachdem er ihr aus dem Krieg verstörende Briefe geschrieben hat. Sie will von ihm nichts mehr wissen und meint zwischen Stottern und Weinen, ohne nachzudenken, wie provokant das ist: "Du hast eh keinen hoch gekriegt, und wenn, dann bist du nach zwei Sekunden gekommen!" - Frauen dieser Schicht scheinen Schläge auf diese Weise förmlich "herbei zu sticheln", nur lässt es Breth bei Marley nicht so weit kommen, was wiederum den Schrecken für den Zuschauer umso anhaltender macht, sodass er ständig auf der Lauer liegt.
Der Psychothrill kann beginnen
Mit Marleys Abfuhr ist der Psychothriller eingeläutet. Obwohl Danny irritierender Weise auch noch einen spannenden Job bekommt - nämlich Spezialeffekte-Macher beim Film (einem Blockbuster-Musical über den 11. September) -, kauft er bei einem ebenfalls übertrieben-verfremdeten Yuppie-Sandler-Freund aus früheren Zeiten eine Waffe. Dabei deckt der philosophisch angehauchte Weltpessimist Paul (passend zu seinem Typ: Wolfgang Michael) Danny mit einer Nonstop-Nörgelei über die Jugend von heute ein: "Drogen können die Jungen im Supermarkt kaufen, solche, die man heute gar nicht mehr kennt ... Und ihre gespaltene Sexualität leben sie, weil ihre Partnerschaften nicht lange dauern, online aus." Das scheint weniger moralische Anklage als abgefundene Tatsache für den doppelmoralischen Nörgler zu sein, der als Mitfünfziger selbst etwas mit der 14-jährigen Jade (Astou Maraszto) hat. - "Sie langweilt sich in der Schule und geht nicht mehr hin", sagt er über sie. Die Erlebnis-gierige Jade sucht sich zur Unterhaltung also die Gefahr - wobei sie beim aggressiv aufgeladenen Danny gut aufgehoben ist. Nachdem er der bereits wieder vergebenen Marley gedroht hat, "alle ihre Typen umzubringen", geht er mit dem naiv-geilen Teenager auf Spritztour ...
Je schwächer das Opfer, desto besser für den Sadisten
"Das ist das Problem mit der Jugend von heute. Sie weiß nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen soll", frotzelt Danny Jade in einer spannungsgeladenen Mischung aus Sex und überlegener Drohgebärde, sodass sie sich unter seiner (Zuhälter-)Masche, sie zwischen Abscheu und Versöhnung zum unterlegenen, wertlosen Objekt zu degradieren, zunächst noch angezogen fühlt. - Das mag übrigens der Grund sein, warum Frauen bei "Schlägern" bleiben: Weil jene ihnen Stärke nach außen hin weismachen, während sie sie nach innen (also bei ihnen) ausüben. - Er schüchtert das Kind immer mehr ein, indem er ihm befiehlt, sich auf einem Bein stehend zu bücken und nicht zu bewegen. Und während sie gehorcht, drückt er eine Zigarette auf ihr aus, sodass sie sich bewegen muss ... Danny treibt sein sadistisches Spiel, damit er seine (Freude an der) Wut los werden kann. Dass sie eigentlich aus der Kriegszeit kommt, sagt er beiläufig zu seinem Befehl, Jade solle ein Kleidungsstück nach dem anderen ausziehen: "Ich tu mit dir das, was mein Vorgesetzter mit mir gemacht hat." Er überschüttet sie mit Benzin und spielt mit dem Feuer, sodass sie vor Angst nur noch schreit. Doch für ihr Sterben hat er eine andere Lösung, festgehalten in einer trophäenartigen Fotoserie.
Behinderte haben es gut, denn sie wissen nicht, was sie tun
Auf der Heimfahrt, wo die Worte fallen, "die jungen Leute gehen auf die Uni, bekommen kleine Jobs und hoffen, irgendwann Überflieger zu sein", trifft er noch auf ein perverses Paar, den biederen Lehrer Justin (aberwitzig gut: Udo Samel) und die Medienmanagerin Helen im schicken Kostüm (Andrea Clausen), der Dannys Militärvergangenheit besonders imponiert. Sie fordern ihn zum Dreier-Sex auf, weil der Lehrer gerne zusehe, wenn seine Geliebte glücklich sei. Darauf meint Danny nur angewidert: "Meine Ma hat meinen Pa nie so was gefragt. Wird man so, wenn man in den Medien arbeitet? - Ich konvertiere zum Islam, da schützt man sich vor Abschaum, wie ihr es seid!" - Doch damit nicht genug, der Perversität zwecks sozialer "Integrität" kommt selbst Danny in seiner Familie nicht aus: sein staunender, nur nach Behinderten-Instinkten reagierender Bruder - was für die Menschen von heute ohne Gefühl für Recht und Moral stehen mag -, bekommt einen Ständer, während Danny ihn küßt, und er ihm vom Mord erzählt. Das ist nun ihr beider Geheimnis, das nicht nach außen dringen darf und sie eng verschweißt .. Und wahrscheinlich ist das im Leben erst der Anfang vom perversen Terror-Ende, wo man partizipieren muß, um nicht drauf zu gehen. Denn das ist das Resultat einer Weltsicht ohne bestehende - und vor allem lebbare - Ideale. e.o./a.c.
DAS URTEIL VOR ALLEM VON NICHOLAS OFCZAREK GRANDIOS GESPIELTER PSYCHOTHRILLER MIT REALISTISCHER AHNUNG VON DEN PROBLEMEN JUNGER MENSCHEN VON HEUTE. BEI MODERNER UND PACKENDER REGIE.
THEATER Motortown * Von: Simon Stephens * Regie: Andrea Breth * Mit: Markus Meyer, Nicholas Ofczarek, Johanna Wokalek, Jörg Ratjen, Wolfgang Michael, Astou Maraszto, Udo Samel, Andrea Clausen * Ort: Akademietheater Wien * Zeit: * Zeit: 12.6.: 18h30, 18.6.: 20h, 29.6.2008: 18h
THEATER Motortown * Von: Simon Stephens * Regie: Andrea Breth * Mit: Markus Meyer, Nicholas Ofczarek, Johanna Wokalek, Jörg Ratjen, Wolfgang Michael, Astou Maraszto, Udo Samel, Andrea Clausen * Ort: Akademietheater Wien * Zeit: * Zeit: 12.6.: 18h30, 18.6.: 20h, 29.6.2008: 18h