... denn Hoffmanns Liebe soll nur der Kunst gehören, so wie auch die erste Liebe Olympia (Daniela Fally) letztlich als Frau selbst nur eine beängstigend puppenhafte Kunstfigur ist. (Fotos © Dimo Dimov / Volksoper)
VOLKSOPER WIEN HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN IST EINE DER FANTASTISCH DOPPELBÖDIGSTEN OPERN - PEER BOYSON HAT SIE LYRISCH EINDIMENSIONAL BESCHNITTEN
Bedeutet, ein großes Artistengenie zu sein, Verzicht auf die harmonische, langfristig erfüllte Liebe? - Warum diese Frage viele Künstler beschäftigt, mag an der engen Verbindung von größter Hingabe und größter Distanz liegen, was jedes große Werk auszeichnet. Und nicht alle Menschen, die zu Liebesfähigkeit jenseits ihrer selbst fähig sind, schaffen es, sich von ihrem aktuellen Liebespartner zu distanzieren, weshalb sie (un)bewußt ihre Liebe(sbeziehung) zerstören müssen: um sich so (wieder) zur Gänze ihrer noch größeren Liebe, dem Kunstschaffen, widmen zu können. Was letztendlich der puren Liebe zu sich selbst entspricht, indem sich die Konzentration nur auf das eigene Innenleben zu richten hat. Das ist intensiv und buddhistisch, Meditation in höchster Klarheit. Wie einfach ist es also, um diese nicht zu trüben, jede Schuld des zwischenmenschlichen Liebestrugs, der Liebesverhinderung, auf den Partner zu schieben; und so zu tun, als würde man "als Künstler" leiden. - Das liegt in der Strategie des E.T.A. Hoffmann, dem Dichter, über den Komponist Jacques Offenbach seine phantastische Oper Hoffmanns Erzählungen geschrieben hat. Die rauschhafte Poesie in Hoffmanns trunkenem Kopf gleicht einer Traumreise voller episodenhafter Schauplatzwechsel; sie quält sich am wiederholten Scheitern des immer wieder (hoffend) neu liebenden Hoffmann, der mit jedem Liebesrückschlag ein bißchen mehr stirbt. Denn er sucht sich stets unerreichbar dämonenhafte Frauen (Sängerinnen = damit selbst Künstlerinnen), bis er gänzlich zerstört ist (sich umbringt). - Seine Liebeswahl gleicht so dem Selbsmord von sich selbst als Mann, jedoch nicht als Künstler.
Eher zu wenig (fantastisch) wirr
Das hat Regisseur Peer Boyson mit klarem Nachdruck in seinen neuen Hoffmanns Erzählungen an der Wiener Volksoper heraus gearbeitet. Unverständlich sind insofern die Publikumssager während der regie-ausgebuhten Premiere, die ihrerseits von "Unverständlichkeit" und "Verwirrtheit" sprachen. Eindeutiger läßt sich Symbolik kaum ausdrücken als auf diese Art, sie ist so eindeutig, dass es schon fad ist. Denn auf der statischen Bühne, wo auch die (nicht unbedingt geschmackvoll kombinierten) Grundfarben ganz reduziert für etwas stehen, tut sich nichts. Der Verlauf ist in durchgezogener Ästhetik mit dem ersten Eröffnungsbild festgelegt, ihr stur gehorchend wird jeder weiteren Überraschung entsagt. Die Symbolik erstreckt sich konkret und kurz aufgezählt über die Reduktion der fünf Frauenfiguren auf eine, indem sie alle dieselbe Frisur und großteils gelbfarbene Kleider tragen. Das geht von der aktuellen Flamme Hoffmanns, Sängerin Stella, aus, die die "Rahmenliebe" zu seinen vergangenen amours fous mit "Puppe" Olympia, Sängerin Antonia und Kurtisane Giulietta bildet, wobei die im Rückblick erzählte Handlung mit ihnen jeweils auf demselben Guckkasten-Bühnenbett in der Bühne (wie die Kostüme auch von Boyson) spielt; nur die als Freund Niklaus verkleidete Muse von Hoffmann, Eva Maria Riedl, trägt das Stella-Kleid in der Farbe Blau. Und Hoffmann verbleibt rot im schwarzen Bühnenrest. Ansonsten geht noch ein Liliputaner-Paar als Repräsentant der allgemein-menschlichen Beziehungsmuster solcher Liebesprojektionen zwischen Sehnsucht und Zerstörung auf der Bühne herum, wobei die "Liliputaner" wohl eine Art von Jahrmarkt-Unheimlichkeit in Liebe und Kunst verströmen sollen - diese Atmosphäre gelingt nicht wirklich, sondern bleibt eher als schaler Nachgeschmack in der Erinnerung hängen. In Erinnerung bleibt aber auch, dass sich am Ende jeder glücklosen Liebesepisode der ursprünglich echte Erzähler in Hoffmanns eigenständigen Erzählungen umbringt: Nathanael (Wolfgang Gratschmaier) sowie Antonias Vater Crespel (Einar Th. Gudmundsson). Man weiß also: der erzählende Künstler erlebt diese Gefühle als echt und profitiert dennoch als Künstler von ihnen.
Verschrieben dem Gesang, nicht der Dramaturgie
Als Erkenntnis bleibt nun: Lassen sich - wie in diesem Fall - Liebe zum Partner und zur Kunst nicht vereinen, ist es schlüssig, dass die mehr der Kunst als der Partner-Liebe verschriebenen "Künstler" überdurchschnittlich singen: allen voran Kristiane Kaiser als Antonia. Daniela Fally gibt ihren Part mit Mut zur Häßlichkeit vor allem witzig-theatral - auch wenn Olympias Koloraturen ansonsten von anderen Sängerinnen schon puppenhaft brillanter zu hören waren. Sergej Khomov zeigt in seinem Hoffmann-Debut zumindest individuell menschlichen Charakter. Einen Glanzgesang legt Jochen Schmeckenbecher als Dapertutto hin. Und würde man Hoffmanns Erzählungen nicht schon viel doppeldeutiger zwischen Fröhlichkeit und Trauer, zwischen Sarkastik und Leichtigkeit gesehen haben - etwa in der fantastisch-schönen Regie von Jerome Savary - dann könnte man diese Inszenierung ingesamt als passabel durchgehen lassen. Da aber die von allen ersehnte, liebenswerte Zwergennummer vom Klein Zack, die ausgleichend-schönen Chorteile und das in diesem Stück an sich so stimmig erwartete Ballett entweder verkümmerten oder durch plumpe Statisten ersetzt wurde (das Ballett), ist sie eher eine Enttäuschung. Wobei auch Dirigent Leopold Hager das Orchester der Volksoper Wien eher eindeutig lyrisch, als jüdisch-zweideutig (sprich fröhlich-wehmütig) durch den Abend führt. e.o.
Bedeutet, ein großes Artistengenie zu sein, Verzicht auf die harmonische, langfristig erfüllte Liebe? - Warum diese Frage viele Künstler beschäftigt, mag an der engen Verbindung von größter Hingabe und größter Distanz liegen, was jedes große Werk auszeichnet. Und nicht alle Menschen, die zu Liebesfähigkeit jenseits ihrer selbst fähig sind, schaffen es, sich von ihrem aktuellen Liebespartner zu distanzieren, weshalb sie (un)bewußt ihre Liebe(sbeziehung) zerstören müssen: um sich so (wieder) zur Gänze ihrer noch größeren Liebe, dem Kunstschaffen, widmen zu können. Was letztendlich der puren Liebe zu sich selbst entspricht, indem sich die Konzentration nur auf das eigene Innenleben zu richten hat. Das ist intensiv und buddhistisch, Meditation in höchster Klarheit. Wie einfach ist es also, um diese nicht zu trüben, jede Schuld des zwischenmenschlichen Liebestrugs, der Liebesverhinderung, auf den Partner zu schieben; und so zu tun, als würde man "als Künstler" leiden. - Das liegt in der Strategie des E.T.A. Hoffmann, dem Dichter, über den Komponist Jacques Offenbach seine phantastische Oper Hoffmanns Erzählungen geschrieben hat. Die rauschhafte Poesie in Hoffmanns trunkenem Kopf gleicht einer Traumreise voller episodenhafter Schauplatzwechsel; sie quält sich am wiederholten Scheitern des immer wieder (hoffend) neu liebenden Hoffmann, der mit jedem Liebesrückschlag ein bißchen mehr stirbt. Denn er sucht sich stets unerreichbar dämonenhafte Frauen (Sängerinnen = damit selbst Künstlerinnen), bis er gänzlich zerstört ist (sich umbringt). - Seine Liebeswahl gleicht so dem Selbsmord von sich selbst als Mann, jedoch nicht als Künstler.
Eher zu wenig (fantastisch) wirr
Das hat Regisseur Peer Boyson mit klarem Nachdruck in seinen neuen Hoffmanns Erzählungen an der Wiener Volksoper heraus gearbeitet. Unverständlich sind insofern die Publikumssager während der regie-ausgebuhten Premiere, die ihrerseits von "Unverständlichkeit" und "Verwirrtheit" sprachen. Eindeutiger läßt sich Symbolik kaum ausdrücken als auf diese Art, sie ist so eindeutig, dass es schon fad ist. Denn auf der statischen Bühne, wo auch die (nicht unbedingt geschmackvoll kombinierten) Grundfarben ganz reduziert für etwas stehen, tut sich nichts. Der Verlauf ist in durchgezogener Ästhetik mit dem ersten Eröffnungsbild festgelegt, ihr stur gehorchend wird jeder weiteren Überraschung entsagt. Die Symbolik erstreckt sich konkret und kurz aufgezählt über die Reduktion der fünf Frauenfiguren auf eine, indem sie alle dieselbe Frisur und großteils gelbfarbene Kleider tragen. Das geht von der aktuellen Flamme Hoffmanns, Sängerin Stella, aus, die die "Rahmenliebe" zu seinen vergangenen amours fous mit "Puppe" Olympia, Sängerin Antonia und Kurtisane Giulietta bildet, wobei die im Rückblick erzählte Handlung mit ihnen jeweils auf demselben Guckkasten-Bühnenbett in der Bühne (wie die Kostüme auch von Boyson) spielt; nur die als Freund Niklaus verkleidete Muse von Hoffmann, Eva Maria Riedl, trägt das Stella-Kleid in der Farbe Blau. Und Hoffmann verbleibt rot im schwarzen Bühnenrest. Ansonsten geht noch ein Liliputaner-Paar als Repräsentant der allgemein-menschlichen Beziehungsmuster solcher Liebesprojektionen zwischen Sehnsucht und Zerstörung auf der Bühne herum, wobei die "Liliputaner" wohl eine Art von Jahrmarkt-Unheimlichkeit in Liebe und Kunst verströmen sollen - diese Atmosphäre gelingt nicht wirklich, sondern bleibt eher als schaler Nachgeschmack in der Erinnerung hängen. In Erinnerung bleibt aber auch, dass sich am Ende jeder glücklosen Liebesepisode der ursprünglich echte Erzähler in Hoffmanns eigenständigen Erzählungen umbringt: Nathanael (Wolfgang Gratschmaier) sowie Antonias Vater Crespel (Einar Th. Gudmundsson). Man weiß also: der erzählende Künstler erlebt diese Gefühle als echt und profitiert dennoch als Künstler von ihnen.
Verschrieben dem Gesang, nicht der Dramaturgie
Als Erkenntnis bleibt nun: Lassen sich - wie in diesem Fall - Liebe zum Partner und zur Kunst nicht vereinen, ist es schlüssig, dass die mehr der Kunst als der Partner-Liebe verschriebenen "Künstler" überdurchschnittlich singen: allen voran Kristiane Kaiser als Antonia. Daniela Fally gibt ihren Part mit Mut zur Häßlichkeit vor allem witzig-theatral - auch wenn Olympias Koloraturen ansonsten von anderen Sängerinnen schon puppenhaft brillanter zu hören waren. Sergej Khomov zeigt in seinem Hoffmann-Debut zumindest individuell menschlichen Charakter. Einen Glanzgesang legt Jochen Schmeckenbecher als Dapertutto hin. Und würde man Hoffmanns Erzählungen nicht schon viel doppeldeutiger zwischen Fröhlichkeit und Trauer, zwischen Sarkastik und Leichtigkeit gesehen haben - etwa in der fantastisch-schönen Regie von Jerome Savary - dann könnte man diese Inszenierung ingesamt als passabel durchgehen lassen. Da aber die von allen ersehnte, liebenswerte Zwergennummer vom Klein Zack, die ausgleichend-schönen Chorteile und das in diesem Stück an sich so stimmig erwartete Ballett entweder verkümmerten oder durch plumpe Statisten ersetzt wurde (das Ballett), ist sie eher eine Enttäuschung. Wobei auch Dirigent Leopold Hager das Orchester der Volksoper Wien eher eindeutig lyrisch, als jüdisch-zweideutig (sprich fröhlich-wehmütig) durch den Abend führt. e.o.
DAS URTEIL EINIGE SÄNGER(INNEN) WIE KRISTIANE KAISER SORGTEN FÜR AKUSTISCHE STERNSEKUNDEN. DIE DRAMATURGISCHEN STERNE BLIEBEN AUS.
OPER Hoffmanns Erzählungen * Von: Jacques Offenbach * Text von Jules Barbier, In deutscher Sprache * Regie und Ausstattung: Peer Boysen * Dirigent: Leopold Hager * Mit: Daniela Fally, Kristiane Kaiser, Adrineh Simonian, Doris Hindinger, Eva Maria Riedl, Sergej Khomov, Wolfgang Gratschmaier, Einar Th. Gudmundsson, Jochen Schmeckenbecher * Ort: Volksoper Wien * Zeit: 2., 7., 12., 14., 21., 30.1. + 3.2. 2008: 19h
OPER Hoffmanns Erzählungen * Von: Jacques Offenbach * Text von Jules Barbier, In deutscher Sprache * Regie und Ausstattung: Peer Boysen * Dirigent: Leopold Hager * Mit: Daniela Fally, Kristiane Kaiser, Adrineh Simonian, Doris Hindinger, Eva Maria Riedl, Sergej Khomov, Wolfgang Gratschmaier, Einar Th. Gudmundsson, Jochen Schmeckenbecher * Ort: Volksoper Wien * Zeit: 2., 7., 12., 14., 21., 30.1. + 3.2. 2008: 19h