Friday, October 05, 2018

MUSIK-KRITIK: „SPANISH DAYDREAMS“ – PAMELIA STICKNEY und MARIE-THERES RAUBA IM ROTEN SALON WIEN

Spanish Daydreams-Plakat (© Plakat: Chi Rich 2017/Rauba, von OESTIG adaptiert)
-->
Sehr stimmig: Pamelia Stickney (Theremin) und Marie-Theres Rauba (Klavier) in Francis Poulencs „C´est ainsi que tu es“ (Ausschnitt link)
-->
Ein Highlight: Pamelia Stickney (Theremin) und Marie-Theres Rauba (Klavier) in Isaac Albeniz „Leyenda“ (Ausschnitt link) 
(Screenshots © Elfi Oberhuber)
--> -->

AM 17. NOVEMBER 2017 FÜHRTEN PAMELIA STICKNEY (THEREMIN) UND MARIE-THERES RAUBA (KLAVIER) DAS PUBLIKUM DES ROTEN SALONS DER OESTIG LSG NACH SPANIEN, VERMISCHT MIT FRANZÖSISCHEM FLAIR.      




„Spanische Tagträume“ sind das Motto. – Die Wienerin Marie-Theres Rauba beginnt das Konzert, das sie mit dem amerikanischen Weltstar am Theremin, Pamelia Stickney, zusammengestellt hat, bis zur Pause mit einem Solo. Es enthält Sonaten von Domenico Scarlatti. Da mag man sich fragen, was wohl der italienische Barockkomponist, der von 1685 bis 1757 gelebt hat, mit dem eigentlich programmierten Duett zu tun hat. Zumindest theoretisch kann Rauba den Bezug herstellen, wie sie einführend erklärt: Erstens spiele sie ihr Leben lang „Scarlatti“, und zweitens hätte jener am spanischen Königshof gelebt und spanische Volksmusik und Elemente verwendet. So weit, so gut, eine musikhistorische Frühentwicklung von „Spanish Daydreams“ also.


Für gewöhnlich ist bei guten Scarlatti-Interpreten die „sportliche Leistung“ an Fingerfertigkeit neben den Überkreuzungen der Hände und die Ausdauer in den schnellen Tonrepetitionen sowie das Tonleiterspiel in rasantem Tempo über mehrere Oktaven hinweg bestaunenswert. Rauba meistert diesen Anspruch weniger in der Virtuosität eines leicht scheinenden Spiels, als viel mehr in ihrer bewussten Tempo-Setzung: das Schnelle sitzt zwar nicht so exakt, sie hat aber, wenn es darauf ankommt, Mut zum Gefühl und sichtlich Freude am Spiel; sie vermag es, durch Verzögerung und Reduktion des Tempos eine spannende Betonung zu bewirken. – Man nimmt ihr den Scarlatti auch ab, weil bei ihr das Klavierspiel mit recht kräftigem Tastendruck eigentlich wie das Spiel eines Cembalos klingt, wofür der Komponist einst die Sonaten geschaffen hat. Und Rauba lernte das echte Cembalo zu spielen, noch bevor sie mit dreißig Jahren das Klavier richtig zu studieren begann.



DUETTE SCHÖNSTER LIEDER


Der Auftritt Stickneys hinter ihrem faszinierend ungewöhnlichen Instrument Theremin, das über elektromagnetische Schwingungen funktioniert, stielt Rauba natürlich zunächst die Show. Es scheint fast wie ein Wunder, was für mystisch schöne Töne die starr, fast wie eine Spastikerin wirkende Musikerin aus diesem Kasten hervorzuzaubern vermag. Insbesondere bei dieser wunderschönen Auswahl an Liedern, die man kaum gezielter treffen kann, um eine intellektuell und emotional elitäre, gebildete Atmosphäre von einer „Spanien-Haftigkeit“ zu erzeugen. Das wird noch besser herausgearbeitet, indem hier der Entwicklungszweig zwischen dem Spanischen und dem Französischen aufgezeigt wird. Zuerst spielen die beiden Frauen das zärtlich entrückte „Wiegenlied“ von Manuel de Falla, der 1876 in Spanien geboren und 1946 in Argentinien gestorben ist. Der südamerikanische Gedanke ist der Komposition anzumerken. Auch de Falla liebäugelte im Zuge seiner Kompositionsjahre mit dem Cembalo, weshalb sich dieser als Übergang zum Duett (zumindest theoretisch) sehr gut eignet. Dieser Titel ist aber vor allem entrückend schön und sensibel, was insbesondere das hochkonzentrierte Spiel Stickneys ausdrückt, die hier die Lead-Stimme übernimmt, während Rauba Grundstimme, Takt und Basis liefert. Beide Frauen aber hören einander zu, reagieren aufeinander, und das über das ganze Konzert hinweg. Das nimmt den Zuhörer gefangen, selbst wenn man vielleicht insgesamt noch mehr Gefühl, Sanftheit und Raffinesse hineingelegt haben wollte.



GROSSARTIGE STÜCKE-ZUSAMMENSTELLUNG



Darauf folgt das dreiteilige Chanson von Franzose Maurice Ravel (1875 bis 1937) „Don Quichotte
à Dulcinée“: „Chanson romanesque“, „Chanson épique“, „Chanson à boire“, wo der Spanien-Bezug einerseits durch den literarischen Inhalt besteht, als auch durch die spanischen Themen in der französischen Musik. Stickney und Rauba meistern diese jazzigen Stücke mit Volkslied-Elementen mehr humoristisch als virtuos, was aber auch seinen Reiz hat. Sehr stimmig spielen sie dafür Francis Poulencs (1899–1963)  „C´est ainsi que tu es“, sodass die emotionale Beziehung zweier Menschen getroffen und vermittelt wird.
Genau zur richtigen Zeit erfährt das Konzert darauf seine Höhepunkte, und zwar hintereinander: Mit Spanier Isaac Albeniz (1860–1909), der persönlich den Bogen nach Argentinien und Frankreich zog, gelingt „Leyenda“ auf einem sehr hohen Niveau. Zum rhythmisch schnellen, gut betonten Beginn Raubas summt Stickney subtil tief und hoch mit ihrem Theremin, worauf ein besinnlich langgezogener Zwischenteil mit spanischen Weisen folgt. Hier treffen sich die beiden Musikerinnen vor allem in ihrer gegenseitigen Laut-Leise-Reaktion. Äußerst spannend ist daraufhin „Walzer aus der Sonate für Theremin und Klavier Nr.1“. Es ist den beiden Damen praktisch auf den Leib geschrieben worden, und zwar von Kanadier Alexander Rapaport, dem 1957 geborenen, komponierenden Ehemann von Rauba. – Die beiden haben dieses modernste Stück des Abends sichtlich bereits öfter aufgeführt. Es trägt sowohl romantisch beschwingte, als auch intellektuell zeitdehnende Züge der Neuen Musik.

Darauf folgten schließlich ein verträumtes „Vocalise-Étude“ von Franzose Olivier Messiaen (1908 – 1992), sowie ein besinnliches „Asturiana“ von – wie zu Beginn der Duett-Reihe – Manuel de Falla. Und weil das Publikum nicht genug bekommen konnte, gab es als Zugabe noch den spanisch beschwingten „Dolores-Walzer“ des Franzosen Émile Waldteufel (gestorben 1915)!  a.c.



RESUMÉE PAMELIA STICKNEY UND MARIE-THERES RAUBA IST MIT SPANISH DAYDREAMS EINE SPANISCHE STIMMUNG QUER DURCH DIE MUSIKGESCHICHTE GELUNGEN: DIE BEIDEN MUSIKERINNEN GEHEN DARIN EINFÜHLSAM AUFEINANDER ZU, AGIEREN UND REAGIEREN, SODASS SIE DAS PUBLIKUM ZU GEWINNEN VERSTEHEN. DAS SCHÖNSTE DARAN IST DIE EKLEKTISCH ELITÄRE MUSIKAUSWAHL AUF FEINEM NIVEAU. UND NATÜRLICH DIE MYSTISCHE KOMBINATION VON KLAVIER MIT DEM THEREMIN DER EINZIGARTIGEN PAMELIA STICKNEY.

KONZERT „Spanish Daydreams“ * Von und mit: Pamelia Stickney, Theremin & Marie-Theres Rauba, Klavier * Ort: Roter Salon der OESTIG LSG, Wipplingerstraße 20, 1010 Wien * Zeit: 17.11.2017, 19h30
-->