Saturday, August 03, 2013

impulstanz 2013 -TAGEBUCH 2: ANWESEND BEI RODRIGO SOBARZOS PHYSIKSTUNDE "APNEA"

--> Rodrigo Sobarzo de Larraechea macht die Bewegung von Luft in Ohr, Erde, Wasser und Eis sichtbar. (Foto © Christine Brorsson)  -->

ODEON WIE LUFT UND WASSER IN IHREN AGGREGATZUSTÄNDEN MATERIALFREMD SICHTBAR GEMACHT WERDEN, ZEIGT „PHYSIKLEHRER“ RODRIGO SOBARZO DE LARRAECHEA IN APNEA – ZWEITE TAGEBUCHAUFZEICHNUNG.


Befinde mich im Odeon
kurz vor Beginn des Stücks APNEA von Chilene Rodrigo Sobarzo de Larraechea –
- allein der Name klingt nach Kunst,
oder zumindest nach alter spanischer Handelsfamilie oder gar nach Adel in einem armen Land Südamerikas.
Vielleicht erklärt das den außergewöhnlichen Zugang...
Den Mut zum eigenen Ich und Weg aufgrund einer autonom genossenen, privilegierten Erziehung.
Hat etwas Romantisches, an so etwas zu denken.
Das könnte aber auch eine völlige Fehlinterpretation sein ...

Ich muss etwas länger warten, weil das Vorstück Never Live Twice ein flexibles Ende hat.
Hm. Hoffentlich schaffe ich es dann noch bis 21h ins Burgtheater, wo der kolportierte Geniestreich Desh von Akram Khan stattfinden wird.
Zeit zum Nachdenken:
Sobarzos Wahnsinnsplane, sein wichtigstes Requisit, wird sich im Odeon gut machen. Das sonst dort beheimatete Serapionstheater arbeitet auch mit solchen bewegten, den hohen Raum durchwandernden Riesenlaken.

Sobarzos „Tanztheater“ entpuppt sich allerdings eher als interessante, physikalische Demonstration mit kraftvollem, doch wenig artifiziertem Körpereinsatz. Das vom Künstler beabsichtigte „Anhalten des Atmens unter Wasser“ kommt nur bedingt beim Publikum rüber.
Wie Luft sich allerdings in diversen Materien visualisiert bewegt, ist ungemein spannend zu beobachten. Jenseits von aller Theatralität wird die dröhnende Technokraft von Musik über Boxen sehr laut ansteigend und raumakustisch richtungswechselnd spürbar gemacht, bis sie schließlich im Kampf gegen aufgeschüttete Erde immer kleinlauter und in der Bewegung immer kraftloser werdend begraben ist. Mit einem endgültigen Mischpult-Dreh „erstickt“ sie ganz.

Darauf folgt der Einzug des besagten Riesen-Plastikvorhangs. Durch rhythmische, tempo-ansteigende Klopfbewegung entstehen vor den Zuschaueraugen Meeresrauschen, kreisförmige Wellen, als hätte man gerade einen Stein ins Wasser geworfen, bis man wieder auf die Bewegung des Performers achtet, der inzwischen wie ein verzweifelter Krauler auf der Wasseroberfläche um sein Leben "schwimmt" und mit einem rutschenden Handflächen-Klang seine Atemnot demonstriert. Ein zuvor wahrgenommenes „Feuerflackern“ auf der Plastikfläche geht schließlich in Rauch über, der allerdings für sich im Raum kreisförmig ausbreitender „Wasserdampf“ steht. Das macht wiederum bewusst, wie ähnlich sich materiell gegensätzlich hervorgerufene Aggregatzustände doch sehen.
Ein Laserstrahl wird letztendlich durch den „Dampf“ aus Rauch gebrochen und nimmt je nach Strahlrichtung kristallförmige Auswüchse an. Was denn nun das gefrorene Eis oder eine Schneeflocke darstellen müsste.

Zwischen all dem Rauch fällt mir ein Zuschauer auf, den ich bei diesem außergewöhnlichen „Insiderstück“ eigentlich nie vermuten würde, weshalb ich mir lange nicht sicher bin, ob er es auch ist: Trompeter Bernhard Rabitsch. Ich muss ihn beim Verlassen des Saals unbedingt ansprechen, um mir sicher zu sein, ob er es auch war.
Er war.

Jetzt aber schnell ins Burgtheater zu Khan, es beginnt in 15 Minuten.
e.o.





DAS URTEIL AUFGRUND DES EINZIGARTIGEN ZUGANGS IM BEREICH TANZTHEATER SPANNEND. EIGENTLICH EINE KLASSISCHE KONTEXTVERSCHIEBUNG DER ZEITGENÖSSISCHEN BILDENDEN KUNST. HAT ABER MEHR VON EINEM PHYSIKUNTERRICHT ALS VON EINER THEATRALEN PERFORMANCE, DIE GEFÜHLE TRIFFT.

PERFORMANCE APNEA * Konzept & Performance: Rodrigo Sobarzo de Larraechea * Ort: Odeon * Zeit: 16., 18.7.2013, 19h30

Thursday, August 01, 2013

impulstanz 2013 -TAGEBUCH 1: MIT DEM RAD VON NAVARIDAS / DEUTINGER ZU OLIVIER DUBOIS

--> Speaking of which: Zu zaghaftes Körperkommentar zu komplexen Sachverhalten, Gedanken und verbalen Analysen von Marta Navaridas und Alex Deutinger ....
--> ... weil man die Bewegungstöne und Raumakustik im Video nicht hört. So ging der Kommentar unter. Den darauf bezogenen gesprochenen Wissenschaftstext verstand man wegen des Haltens auf Englisch auch nur in Fetzen. (Video-Screenshots © Navaridas/Deutinger)
--> Le Sacre du Printemps als Vorlage von Olivier Dubois´ Pret a baiser: Der Kuss zwischen Künstler (Dubois) und Muse (Mohamed Kouadri-Sameut) ...
--> ... lässt lange auf sich warten. Dafür dauert er dann ...
-->
... umso länger. Weil der Künstler seinen kleinlauten Partner wie ein schweres Vieh übermannt. (Fotos © Boris Munger)


-->

VOM SCHAUSPIELHAUS ZUM ODEON DIE ERREGUNG GEGENÜBER DEM IMPULSTANZ-FESTIVALSTART IST GRÖSSER ALS DIE BEFRIEDIGUNG DURCH DEN KÜNSTLERISCHEN AUFTAKT OLIVIER DUBOIS PRET A BAISER SOWIE DES 8:TENSION-STÜCKS SPEAKING OF WHICH VON NAVARIDAS & DEUTINGER – ERSTE TAGEBUCHAUFZEICHNUNG.


-->
HURRA, HURRA, impulstanz!

Am 11. Juli 2013 schwinge ich mich gegen 19 Uhr auf mein Fahrrad.
Zum Wiener Schauspielhaus, 20 Uhr Speaking of which von Marta Navaridas und Alex Deutinger aus der 8:tension-Newcomer-Schiene.

42 bin ich jetzt. Schäme mich nicht zu sagen, dass ich mit dem Rad zu einer Theater-Aufführung fahre.

Ich besuche ImPulsTanz seit zehn Jahren, weil ich dorthin mit dem Rad fahren kann. „Muss“. Alle Eingefleischten kommen so.

ImPulsTanz macht im wahrsten Sinne des Wortes „frei“, frei von Eitelkeit, frei von Konvention, frei vom Alltag, frei von Prüderie. Nirgends ist das Individuum so sehr Substanz wie hier.

Deshalb die Tagebuch-Form. Mein Falter-Kollege, Wolfgang Kralicek, hat sie auch öfter gewählt, für seine Wiener-Festwochen-Marathon-Besuche. Sein Grund war der Marathon.
 
Ich gehe nicht zu allen „wichtigen“ Stücken. Etwa nicht zum Duo Partita 2 zur Musik Bachs. Anne Teresa De Keersmaeker und Boris Charmatz waren mir im Werbe-Kurzvideo zu angestrengt.

Zu moralisierend.
Geht mit meinem Bedürfnis nach sommerlicher Freiheit nicht überein.
Jetzt, im Schauspielhaus, sehe ich auch so etwas Ähnliches:
It´s completely English spoken.


As an audience I should have spoken a lot of English in my pre-show-rehearsal to get into it. ´Cause they deal with difficult science-stuff that I hardly would understand in my native language. The two performers, Navaridas and Deutinger, sit on the side of the stage, looking to the video-wall on the stage. They say the English text while their bodies in the video comment their words with their movements. The main problem, why this attempt to show something in a new (inverted) form fails (normally the text comes from the loudspeaker whereas the movement comes live from stage), is that they turn off the whole movement- and room-acoustic-sound of the video. So you don´t perceive whether the words nor the movement within the understanding-department of your brain.
Die Frau sagt zwar am Ende, „I think, I got it“, was wohl heißt, dass der (weibliche) Instinkt mehr mitkriegt als er bewusst auszusprechen vermag. Für diese Aussage hätte man aber besser den Film-Klassiker aus dem Jahr 1977 Die Spitzenklöpplerin mit Isabelle Huppert in ihrer ersten Rolle gezeigt. Der rührt einen bis ins Mark, nachdem ihr philosophisch verkopfter Studenten-Liebhaber nicht wahrhaben will, dass das instinktive Verständnis für vertiefende Reflexionen für ein familiäres Dasein genug sein kann.



Ich treffe Festivalleiter Karl Regensburger nach der Vorstellung im Odeon und sage ihm anhand genau jenes Vergleichs: „Jedem Medium seinen Stoff.“
Worauf er meint, jene Schauspielerin habe auch in Akram Khans In-I fantastisch gemimt.
Ich staune und denke die ganze folgende Haupt-Vorstellung des ImPulsTanz-Eröffnungsabends Pret à Baiser von Olivier Dubois, der einen 35-Minuten-Nonstop-Zungenkuss mit Mohammed Kouadri-Sameut nach einer 15-minütigen Zeitlupen-Sitz-Annäherung hinlegt, darüber nach, bis mir einfällt, dass jene Khan-Schauspielerin viel mehr Juliette Binoche gewesen sein muss.
Das Dubois-Stück war übrigens auch nur ein origineller Versuch, eine Künstler-Liebe mit seiner Muse zu zeigen, worin der mächtige Dubois seinen kleinlaut aufmüpfigen Geliebten zur Musik von Igor Strawinskys Le Sacre du Printemps nicht aufkommen lassen will. Die Kräfte in diesem Münder-Dialog waren zu einseitig verteilt. Geschweige denn, dass es erotisch gewesen wäre. Nur Dubois´ dicklicher Körper und seine Vehemenz gleich einem schweren Vieh waren einmal mehr ein Blickfang jenseits der Gewohnheit. Ein unübersehbarer Tänzer-Charakter.


Das schönste an diesem Doppelabend ist die Heimfahrt mit dem Rad. Ich kann wieder mal nachts allein durch die Innenstadt Wiens fahren. Als Mutter eines kleinen Kindes kommt man eigentlich nie mehr dazu. e.o.





DAS URTEIL MITTELMÄSSIGER SACRE-AUFTAKT VON IMPULSTANZ MIT OLIVIER DUBOIS SOWIE VON 8:TENSION. DAFÜR IST DIE FESTIVAL-ATMOSPHÄRE VON ANFANG AN SPANNUNGSGELADEN.

PERFORMANCE Speaking of which * Konzept & Performer: Marta Navaridas & Alex Deutinger * Ort: Schauspielhaus * Zeit: 11.7.2013, 20h + 14.7.2013, 23h

PERFORMANCE Pret à baiser - Ready to kiss * Performance: Olivier Dubois, Mohamed Kouadri-Sameut * Ort: Odeon * Zeit: 11.7.2013, 21h30

Friday, April 19, 2013

MUSIK: SEIFENOPER DER HÖHEN UND TIEFEN FÜR HANSI DUJMICs 25. TODESTAG


-->
Für die Kicks des Abends sorgte einerseits Peter Paul Skrepek, der auf diversen Dujmic-Gitarren seine exakte und sensible Arbeitsweise unter Beweis stellte ...


--> 
... aber auch Harry Sokal zeigte, dass ein Saxofon so manchem massenmedialen Pop-Song zum niveauvollen Großstadtsound verhelfen kann.


-->
Der raffiniert-subtile Bassist Mischa Krausz (hinten) komponierte mit Dealing With Love einen zeitlos schönen Blues, wo jeder Musiker gefordert ist. Alexis Dujmic (vorne) hatte als E-Gitarrist mehr Glanzmomente als in seinen Gesangseinlagen.

-->
Umwerfend: Meena Cryle als Interpretin von John Fogertys Long As I Can See The Light.


-->
Umwerfend: Lukas Resetarits als theatraler Blues-Sänger.


--> 
Bühnentalent: Marty Pi ist nicht nur ein stilsicherer Sänger, er schafft es auch, eine Stimmung ins Publikum zu transportieren.
 
-->
So gelangen Gefühle und Klänge von der Bühne zu den Zuschauern. (Fotos © Dietmar Lipkovich)


STADTSAAL ZUM 25. TODESTAG HANSI DUJMICS SPIELTEN DESSEN WIEDER AUFERWECKTE BAND CHAOS DE LUXE – RELOADED (1982) MIT SÄNGER MARTY PI (seit 2012), MITGLIEDER DER HANSI-DUJMIC-BAND (1985-87) WIE PETER PAUL SKREPEK, HARRY SOKAL, BERNHARD RABITSCH, SOWIE MUSIKERFREUND LUKAS RESETARITS UND DIE ALEXIS DUJMIC BAND


Man kann sich schon verlieren, in so einem Leben, wie von Hansi Dujmic. Wenn man nachhört, in seinen Liedern. In Nachtschattengewächse auf youtubes Musik-unterlegtem Bilderbuch etwa, sieht man einen jungen, hageren Peter Paul Skrepek an der E-Gitarre, einen blonden, braven Bernhard Rabitsch an der Trompete, während Hansi Dujmic vorne singt: „Und sollte Begabung Strafe sein, so warst du über alle Maßen bestraft. Die Besten gehen meistens als erstes, ganz still und unverhofft“. Das stilsichere, immer aggressiver und höher dem Kollaps zuspitzende Gitarrenspiel Skrepeks und Dujmics bestärkt den Sinn dieses Gedankens der Verzweiflung, und Skrepek spielt jetzt wieder, an diesem Abend, Chaos de Luxe – reloaded, Hansi Dujmic, Konzert zum 25. Todestag. Und rechts steht wieder Bernhard Rabitsch als Chorsänger und Bläser, bescheiden im Hintergrund, so wie er ist. 

Gelungene Reminiszenz an die 80er Jahre

 

Die Reminiszenz an den Musiker Dujmic und seine Lieder und Vorlieben in diversen Band-Formationen ist es daher nicht allein, wofür man sich heute und hier interessiert, auch wenn sie andauernd droht, sich alle Aufmerksamkeit einzuverleiben. Sie ruft schon mit ausgedehntem, bedrohlichem Science-Fiction-Dröhnsound den Beginn des Konzerts ein, als die Leute herein strömen. Und es strömen viele. Es ist so gut wie voll im Stadtsaal der Wiener Mariahilfer Straße, der eigentlich ein Kabarett-Etablissement ist. In dieser akustischen Chaos de Luxe-Eröffnung - der Name Dujmics früher Band -, die hörbar an den offensichtlichen Arcade-Abknall-Computer-Spiel-Namensgeber Deluxe Space Invaders (1979) erinnert, geben die Nummern Space Invaders, Check Us Out und Times On Highspeed aus den Jahren 1982 den Konzertauftakt. Und so befremdend künstlich insbesondere die „billigen“ Synthesizer-Klänge im typischen, rasanten Rhythmus und alles verschluckenden Kosmos-Sound - anfangs klingen, so wenig kann man sich ihnen entziehen. Besonders jene, die die frühen 80er Jahre erlebt haben, wo Computer noch mit Weltall, und Weltall mit Gutmensch-Polizisten, und Polizisten mit der Rettung vor den Außerirdischen und der Umkehrung von beidem gleichgesetzt wurde. Das Siegerzitat des Arcade-Spiels lautet ja auch am Ende: „Well done earthling, this time you win.“ Aber auch andere können diesem Stil neuerdings etwas abgewinnen, wie zum Beispiel die Fernsehzeitschrift tv-media, die nach Jahren der Abwertung mit nur zwei Punkten, also „Okay“ des US-Thrillers Gnadenlos aus dem Jahr 1986, am 13.4.2013 demselben Film mit Richard Gere und Kim Basinger plötzlich drei Punkte, also „Sehr gut“, verleiht, und zwar mit den Worten: „Optik, Musik, Frisuren: Hier ist alles total 80er. Wem das nicht auf die Nerven geht, der wird tadellos unterhalten.“ Im wahrsten Sinne des Wortes glorifizierte man in dieser Zeit nämlich trotz aller Künstlichkeit einen erdigen Outlaw-Heroen, ja, der Polizist war ein Outlaw und selbstlos visionär von der Bekämpfung des Bösen besessen. Das Visionäre unterstreicht die pseudofuturistische Musik. Ohne den Synthesizer-Klang wäre der Beginn dieses Abends allerdings auch so erdig genug, dass man ihn heute noch ohne Wenn-und-aber anhören mag. – Was aber noch nicht heißt, dass die Musik der Band insgesamt nicht erstklassig auferweckt wäre. Denn nur, weil die Leute da auf der Bühne – Bassist Mischa Krausz, Keyboarder Robert Kastler, Schlagzeuger Alex Munkas, Gitarrist Peter Paul Skrepek, Background-Sänger Bernhard Rabitsch und Lead-Sänger Marty Pi - so gut, sprich exakt, spielen und singen, fällt man ja begeistert in die Zeit der 80er hinein. 

 

Highlights für die Analen der Musikgeschichte


Eindeutig zwiespältig sitzt man dafür dem Popsong Kum wieder ham in Wiener Mundart gegenüber, wo das Keyboard diesmal eigenartige Panflötenklänge als Happy-Orgeltöne verkleidet. Naja, alles muss ja nicht Musikgeschichte schreiben. Dafür in die Analen eingehen könnte der komplexe Jazz-Blues Dealing With Love, geschrieben von Mischa Krausz für Chaos de Luxe und den Film Artischocke, mit großartigem Skrepek-E-Gitarren-Solo und auch allen anderen, einzeln hörbaren, Künstlichkeit-freien Instrumenten. Spätestens beim folgenden Irgendwann setzt sich nun Marty Pi als neuer „Frontman“ durch, der mit Skrepeks klarer, schnell gespielter Gitarre ein schönes Duett abgibt. Mit Bernhard Rabitschs Flügelhorn gewinnt das Lied gegen Ende an eleganter Leichtigkeit. Der zweite Ewigkeitshit ist Jano, ebenfalls Artischocke-Filmmusik, allerdings geschrieben von Hansi Dujmic, ein instrumentales Rock-Epos mit Hansi Dujmics Neffen, Alexis Dujmic, an der (etwas verstimmten) Lead-E-Gitarre, der weniger lyrisch als Skrepek spielt, dafür mit einem Motorradmaschinenklang gemischt mit einer lässigen Unverfrorenheit in der Greiftechnik zu verführen versteht. - Die Besonderheit des Abends scheinen überhaupt die E-Gitarren als Instrumente zu sein, die allesamt von Hansi Dujmic selbst stammen und zum Teil restauriert wurden, einem sichtlichen Qualitätskenner. - Leider hat Robert Kastler am platt-auftrumpfenden Keyboard jedoch wieder diesen unangenehmen Klang eingestellt, der gewöhnungsbedürftig ist und in unsere Zeiten übertragen gehört.
Nach einem bunten Redner-Karussell zwischen den Liedern, wo Peter Paul Skrepek für Witz und Unterhaltung, Mischa Krausz für die bandhistorischen Schilderungen und Alexis Dujmic für familiäre Anekdoten sorgt, versteht es Marty Pi, zu einer gewissen Stimmungs-Verinnerlichung vorzudringen, indem er aus den Texten der Lieder heraus spricht. Dementsprechend botschaftsbetont und bewegend singt er das sich darauf beziehende In Frieden leben, wozu der ganze Saal einstimmt und Alexis Dujmic den kontraststarken Dialogpart an der E-Gitarre gibt.

 

Showacts an der Unglaublichkeitsgrenze


Der zweite Teil des Abends beginnt im Gegensatz zum Konzertbeginn mit dem sensiblen, mit Kollaps-Abrutschern versehenen, sich in Wiederholungsmustern wieder aufbäumenden E-Gitarrensolo Skrepeks Just Let Me Play My Guitar, wohl ein Jimi-Hendrix-Zitat, weil der Gitarrist danach John Fogerty und seine Band CCR (Creedence Clearwater Revival) erwähnt, und die beiden Musiker oft in einem Atemzug genannt werden, wobei Hendrix als Gott außergewöhnlicher Rockgitarrentechnik, der gitarrespielende Fogerty als göttlicher Sänger und Komponist gehandelt wird. Außerdem soll es Hansi Dujmic geschafft haben, den Country-Rock Fogertys täuschend ähnlich nachzuahmen, und seine Gitarre nach einem Gig wie Hendrix zu zerschlagen (die dann wieder zusammen geflickt und gerade eben von Skrepek gespielt wurde). Eine österreichische „Fogerty“ des Blues ist die Amadeus-Award-nominierte Meena Cryle, die dessen Song Long As I Can See The Light daraufhin so atemberaubend singt, als höre man gerade eine perfekt gemischte, schwarze Melissa Etheridge im US-Radio. Darauf stimmt noch Jazz-Saxofon-Legende Harry Sokal ein, im Duett mit der Trompete Rabitschs, sodass das Konzert erstmals die Unglaublichkeitsgrenze erreicht. Für solche Momente geht man auf Konzerte. Da gibt es keine bewusste Zeitzuschreibung mehr, weil solche Musik zeitlos ist und bleibt. Gehalten wird dieses Niveau auch noch danach, als Kabarettstar Lukas Resetarits auftritt. Und jeder, der ihn als „singenden“ Kottan, der ja nur imitierte, kannte und sich wünschte, dass er doch echt sänge, wird hier in seinen Träumen erreicht: Lukas Resetarits ist tatsächlich ein einnehmend guter Sänger, wahrscheinlich sogar mit einer schöneren Stimme als sein Bruder „Ostbahn Kurti“. Er singt Randy Newmans Guilty mit theatraler Tragkraft, zu Kastlers diesmal angenehm klavier-eingestelltem, locker gespieltem Keyboard und tollem Bläser-Background. Und bevor er Riot In Cell Block No9 von Dr. Feelgood, Elvis und später The Blues Brothers singt, verbreitet er einen Schmäh, der so sitzt, wie man es sich von einem Theaterprofi erwartet. Im Lied selbst singt dann auch sichtlich der Schauspieler Resetarits in verstellter tiefer Stimmlage vor mehrstimmigem Background-Chor und Bläsern im hochprofessionellen Rockorchester. 

 

Großes Potential, aber inkonsequent: Alexis Dujmic


Sternental ist das extreme Gegenteil davon, ein berührendes, klanglich in der Zweistimmigkeit ungewöhnlich schönes Akustik-Gitarren-Duett zwischen Skrepek und Dujmic, wo Zweiter auch als Sänger an Marty Pi heran reicht, wobei Dujmic an sich ja das vielfältigere Stimm- und Betonungsspektrum auf Lager hat. Man könnte insofern von den beiden vergleichend als Interpreten auf der Bühne sagen, dass Dujmic der Mann der leisen Töne ist (was ihm im Radio zugute kommt), während Pi in den Lauten und in der Bühnenpräsenz brilliert. Das wird endgültig klar, als Dujmic in der Folge mit seiner eigenen Band auftritt – im Einzelnen mit einem energievolleren Peter Barborik als Munkas am Schlagzeug, mit Bassist
 Robert Noebauer und Bernhard Käferböck am nach Kastlers Tonwahl erholsamen Akkordeon-, Klavier- und Orgelsound, lauter gute Musiker. Nachtschattengewächse, Aszendenten und Sun Of My Days klingen trotz momentweise tollen Gitarrensolos Dujmics wie von einer ausbaufähigen Amateurband, die sich in Sachen Timing-Exaktheit im Zusammenspiel und im Laut-Leise-Spannungsaufbau an den zuvor aufgetretenen Profis orientieren sollte. Vieles klang regelrecht falsch, seien es Töne des Sängers, als auch der Musiker. So hört man irgendwann nicht mehr zu. Eine musikalische Katastrophe ist schließlich das von Drina Dujmic gesungene Don´t Let Them Stop The Music Now, der älteren Schwester von Hansi und Mutter von Alexis Dujmic. Sie bekommt trotzdem einen auf Sentimentalität beruhenden Höflichkeitsapplaus, den sichtlich Familienmitglieder und Freunde hochtreiben. Nur das bekannte Die Freiheit, Original-arrangiert von Christian Kolonovits und für dieses Konzert neu instrumentiert und adaptiert von Peter Paul Skrepek, schafft es in dieser Band, bühnentragfähig zu sein, wahrscheinlich weil Saxofonist Harry Sokal mitspielt und weil Dujmics an sich schöne Stimme zum Text passt, sie ihm "glaubt". Aufrecht mit tollem Sokal-Solo, 1985 für die Plattenaufnahme von Mischa Krausz / Peter Paul Skrepek und für die Hansi-Dujmic-Band von Peter Paul Skrepek allein arrangiert, ist in Marty Pis Worten "Hansi Dujmics letztes Aufbäumen, seine Rebellion, gegen das Verkauft-Werden", weshalb das wohl beide Sänger - offensichtlich nicht geprobt und deshalb auch nicht besonders gut - zusammen vorführen.

 

Eine Zugabe für die Musikfans, eine für die Seifenoper-Voyeure


Das von allen Musikern und Sängern performte Ausgeliefert, überzeugend und einfühlsam gesungen von Dujmic, wird als erste Zugabe – besonders auch wegen des sonst nicht bekannten Details von einem Großstadt-Saxofon-Klang Harry Sokals – zum vollen Erfolg. Zuletzt kommt noch mal ein „Zigeunerfest-Auftritt“ der ganzen Dujmic-Familie bei Don´t Say No, sprich mit den Töchtern von Alexis Dujmic – naja, die Mädchen können zumindest fast durchgehend richtig und hoch singen. Darin haben sich ein paar Profis wie Sokal, Skrepek, Krausz, etc. verirrt. Aber: schließlich sind ja auch sie mitfühlende Menschen, und das sollte doch auch eine Art Familienfest werden. Sieht man außerdem den ganzen Abend als eine dieser gängigen TV-Seifenopern oder Casting-Shows mit Menschenschicksalen und Faszinationen, dann passen die musikalischen Hochs und Tiefs (die für ein paar Insider wieder emotionale Hochs bedeuten) auch zusammen. Sollte es ein Dacapo geben, wäre dem Musikfreund die ausschließliche Konzentration auf die Hochs aber lieber. Denn schließlich war ja auch Hansi Dujmic ein Profi, den man genau deshalb verehrte.  e.o.


DAS URTEIL LANGWEILIG WAR´S NICHT, DIESES HANSI-DUJMIC-TODESTAGSKONZERT. EIN SHOWACT EBEN, MIT EINIGEN HÖHENFLÜGEN UND LEIDER AUCH MIT EIN PAAR PEINLICHKEITEN. DIE MEISTER UNTER DIESEN MUSIKERN ERKENNT MAN AN IHRER KONSEQUENTEN GENAUIGKEIT, DIE SICH ALS GEFÜHLVOLLE LEICHTIGKEIT TARNT.

KONZERT Chaos de Luxe – reloaded  + Alexis Dujmic Band - Hansi Dujmic – Konzert zum 25. Todestag * Voc: Lukas Resetarits, Meena Cryle, Marty Pi, Alexis Dujmic, Alex Munkas [dr], Mischa Krausz [b], Robert Kastler [kb], Peter Paul Skrepek [g], Harry Sokal [ts, ss, fl], Bernhard Rabitsch [tp, voc], Peter Barborik [dr], Robert Noebauer [b], Bernhard Käferböck [kb] * Ort: Stadtsaal, Mariahilfer Straße 81 * Zeit: 26.3.2013: 20h