Saturday, April 21, 2012

MUSIK: JON REGEN KOMMT MIT "REVOLUTION" WIEDER NACH WIEN

Im Wiener Birdland waren Jon Regens Konzerte stets gut besucht gewesen. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass er nach seinem Revolution-Konzert am 8. Mai 2013 im Wiener Reigen an seinem Erfolg anknüpfen kann. (Foto © Elfi Oberhuber)

REIGEN WIEN DASS ZUM LETZTEN KONZERT DES BEGNADETEN US-MUSIKERS UND SEINER EUROPABAND NUR WENIGE - ALLERDINGS SCHWER BEGEISTERTE - BESUCHER KAMEN, IST UNFASSBAR. ES WAR JEDENFALLS EIN TOP-KONZERT. MIT LIEDERN DER NEUESTEN CD REVOLUTION KOMMT DIE JON REGEN BAND AM 8. MAI 2013 WIEDER. HIER IST SCHON MAL DIE KRITIK ZU SEINEM MEISTERWERK.

Es ist ein heiliger Moment im Klangreich der neuen CD Revolution des US-Singer-Songwriters und Jazz-Pianisten Jon Regen, als mit der Neunten von zehn Nummern Spirits of the Soul die Sonne aufgeht. "The blues is fresh, but the music is old" (der Blues ist frisch, aber die Musik ist alt) ist die tragende Textzeile, die literarisch elegant in die menschliche Gefühlszone dringt, sodass sich der Hörer erneut seinem Konzentrationssensorium hingeben muss, wo er doch ohnehin seit Anbeginn lauscht. Denn eine Jon-Regen-CD ist immer ein bis ins kleinste Detail durchdachtes, komplexes Folgewerk, wo man von vorne bis hinten zuhört und nicht abschalten kann, selbst wenn beinahe jede Nummer ein potentieller Hit ist und für sich selbst steht. Die Aufmerksamkeit des Hörers taucht zu diesem Zeitpunkt in eine traurige, zeitlos schöne "Chopin"-Atmosphäre ein, ja, in klassischen "Chopin", obwohl das Blues und Jazz und Pop - und zwischendurch auch Rock - ist, was da zu hören ist. Regen spielt dieses Lied einfühlsamer und ernster, nicht mit dem Swing-Drive, den er sonst so gekonnt drauf hat.

Gleich präsent wie er, wenn nicht sogar präsenter, ist Ex-The-Police-Gitarrist Andy Summers mit seinem beginnenden Bossa-Rhythmus und seiner lautmalerisch fortsetzenden, metallen-tscheppernden Konzertgitarre, die er zupft, während ihn Julia Kent am Cello begleitet. Ihre Saiten klingen so klar und endlos-wichtig, als erzählten auch sie den Inhalt von Jon Regens-Stimme. Es geht um Erinnerungen, die Regens Gemüt wie Stalker heimsuchen, nachdem ihn eine geliebte Person verlassen hat. Sie bescheren ihm ein Gefühl der Leere und Schuld, wie er es schon oft erfahren mußte. Er, der Musiker, schöpft aber letztlich aus diesem Gefühl für seinen typischen Stil: "The blues is fresh but the music is old", eben. Das hat auf entrückter Ebene subtilen, schwarzen Humor, wie er einige Male mehr oder weniger verhalten auf Revolution zu finden ist.


Kein toller Höhepunkt ohne gigantisches Vorspiel


Spirits of the Soul ist auf der CD Höhepunkt und leichter Stilbruch zugleich. Und er wäre weniger herausragend, würde die immer spannender werdende Abfolge der Lieder zuvor nicht sein. Scheinbar unterliegt das ganze Konzept der Reihung einer (werbe)psychologisch gewinnenden Strategie. Es beginnt mit der "Einführungsnummer" und dem Titellied Revolution, dem einzigen schwächeren Lied, nebenbei bemerkt. Möglicherweise liegt die Schwäche an den plump gesetzten Instrumenten Cello und Percussion im einfach gestrickten Hauptteil, wodurch auch der Text etwas konstruiert wirkt. Doch Regens raffiniertes Klaviersolo signalisiert dann doch noch die Ruhe vor dem Sturm (die Revolution), der bereits mit der zweiten Nummer aufkommt. Seine Windstärke liegt bis zur vierten Nummer vor allem auf der Wort-Ebene, d.h., der Hörer wird geistig erfaßt und emotional für die klanglich in der Instrumentation immer wieder wechselnde und anwachsende Musik der kommenden Songs "geöffnet".


Erste Gefangennahme durch Worte


So also, wenn Regen in She´s Not You davon singt, dass er in diesem billigen Hotel feststecke, wo der Fernseher kaputt sei, und er sich nicht wohlfühle, sodass er sich gemüßigt sieht, in die Bar zu gehen. Und: "Da war "sie". Sie könnte deine Schwester sein!" Doch: "Sie ist nicht du, aber heute Nacht muss sie es sein". Die Begeisterung für die Frau hält zu angenehm lockeren Rockswing-Klängen fast bis zum Ende an, bis er durchblicken läßt: "Ich hänge immer noch an dir." Dieselbe amouröse Leichtigkeit mit einem Hauch schwarzen Humors und Selbstironie bezüglich der eigenen Rührseligkeit und Musikerexistenz hält auch in Delores an. Das Lied beginnt schon so: "Alle schönen Frauen sind beschäftigt, alle netten Kerle sind betrunken. So lass uns ausgehen, Delores, um uns ein bißchen zu vergnügen. Nun, deine Mutter sagt, ich sei verrückt. Dein Bruder sagt, ich bin zu alt. Du hast einen Vater in der Marine, er sagt, ich passe nicht zu Eurer Lebensweise..." Sie solle doch tun, was sie wolle, denn sie hätte ihr Leben in der eigenen Hand. Dass "seine" andere Lebensweise allerdings auch einiges zu bieten hat, bekräftigt die zärtlich-elegant swingende Hammond-B3-Orgel von Benmont Tench im präsenten Back- und Sologround, dem ersten Gaststar-Musiker auf der CD. Im vierten Just Waiting For Now wird die Ironie zwischen Text und Musik noch stärker, indem sich der Inhalt um eine philosophische Abhandlung vom Fallen und auf dem Boden aufkommen, vom Wegrennen und Eingeholtwerden, und dem "Warten auf das Jetzt" einem locker-fröhlichen Pop-Blues-Orchester aus Akkordeon, Melodica (auch von Jon Regen gespielt) und Orgel neben den "Standards" Piano, Bass und Schlagzeug gegenüber stellt.


Überwältigung durch die Musik


Ab Excuse Me, But It´s Not Supposed To End Like This, dem fünften Song, geht die musikalische Größe schließlich ganz auf, sodass der Text zweitrangig wird, wenn Regen (wie schon in früheren Nummern auf der CD Let It Go) von seinem Trennungsschmerz singt. Mit dem Tenorsaxophon von Mike Karn und Trompeter Jim Rotondi bekommt die CD einmalig eine neue, vollere Klangfarbe. Dadurch kommt das wieder reduzierte One Part Broken, Two Parts Blue mit den Frontinstrumenten Akkordeon und Klavier neben der einfühlsamen Background-Orgel von Matt Rollings erst recht beim Hörer an. Vor allem auch wegen der treffend schönen, traurigen Metapher einer Empfindung "Ein Teil zerstört, zwei Teile melancholisch (=blue(s))", passend zu einem Morgen in New York, wo Jon Regen zuhause ist. Fighting For Your Love ist dann die sexuell befreiende, rockig-schnelle Lebensfreude als Antwort, musikalisch und inhaltlich. Sowohl die Akteure - Regen am charismatischen Piano und mit seiner männlichen Mikrofonstimme neben seiner erdig-rauen Co-Sängerin Dana Fuchs - als auch die Unterstreicher, der gas-gebende Schlagzeuger John Miller und der dynamische Bassist PJ Phillips, sowie der rassige Gitarrist George Marinelli, stehen hier für den aktiven Kampf ums Liebesglück schlechthin. Die darauffolgende Nummer If You´re Here beginnt wieder ruhig und extrem stark mit den zwei genialen Solisten, E-Gitarrist Matt Beck und Ricky Peterson an der Hammond-B3-Orgel, sodass auch Jon Regen - aus der verbalen Orientierungslosigkeit ohne die Stabilität der geliebten Person - an der Orgel und am Wurlitzer zu seiner Hochblüte gelangt.


Erfüllung durch Wort und Musik


Und damit sind wir beim anfangs beschriebenen Spirits of the Soul, das den Hörer bis ins Detail gefangen nimmt. Dieser Song wurde übrigens neben Regen von Tenor David McAlmont co-geschrieben, der im letzten Song Run Away im Duett mit dem Bandleader, oder besser, als Lead-Sänger auftritt und noch einmal eine komplett neue Klangfarbe mitbringt. Diese beiden Stimmen - wie schon die Regen-Kombination mit Dana Fuchs zuvor - sind dermaßen originell und gleichzeitig stimmig ergänzend, dass es dem Zuhörer die Sprache verschlägt. So originell und stimmig, wie es durchgezogen die Instrumental-Arrangements der ganzen CD sind.

Mit einem Wort: Jon Regen und seine Co-Produzenten Matt Rollings , Juan Patino und Mischer John Porter, Michael H. Brauer haben sich mit dieser CD Revolution übertroffen. Eine extreme Befriedigung für jeden Musikfetischisten, und vor allem Qualitätskenner!      e.o.
          

DAS URTEIL DIE NEUE JON REGEN - CD  REVOLUTION IST EIN MUSIKALISCHES KUNSTWERK, DAS UNS ÜBERLEBEN WIRD. ES BLEIBT ZU HOFFEN, DASS DAS MUSIKLAND ÖSTERREICH DIESE PERLE BEIM NÄCHSTEN KONZERT ZU SCHÄTZEN WEISS.

CD & KONZERT Revolution * Jon Regen Band Tour 2013 * Ort: Reigen Wien * Zeit: 8.5.2013: 20h30