Friday, March 06, 2015

MUSIK: SAU-SPANNENDE "FALCO CONVENTION VII" NACH KONVENTIONELLER "DIE GOLDFISCH"-U4-NACHT

U4 und ORPHEUM DIE POPMUSIK DER 2010-er JAHRE IST DEM 80-er POP RECHT ÄHNLICH. DESHALB IST FALCOS MUSIK ALLSEITS PRÄSENT. IM FEBRUAR 2015 WURDE FALCO DURCH SEINE ORIGINALBAND WIEDERBELEBT, EINMAL BEI DIE GOLDFISCH MIT VIELEN INTERPRETEN ALS DISCO-PARTY, EINMAL ALS KONZERT IN MUSIKALISCHER WEITERENTWICKLUNG. - WORIN LIEGT DAS GRÖSSERE POTENTIAL?


Der 19. Februar gehört im Wiener U4 dem legendären Falco. Das Lied-Zitat über sein Stammlokal, "und im U4 geigen die Goldfisch" diente 2015 als Konzert- und Bandtitel Die Goldfisch. (U4-Fotos, wenn nicht anders angegeben © Elfi Oberhuber)

Falco-Bandleader und Keyboarder Thomas Rabitsch hat für das Konzert die Originalband zusammengetrommelt.



Vollwertiger Ersatz für Falco-Schlagzeuger Thomas Lang: Florian Holoubek.

Falco-Bassist Bertl Pistracher (li) war Langzeitmusiker bei Falco, E-Gitarrist Peter Vieweger (re) war in Falcos frühen Jahren sein Bandleader.
Gesungen wurden die Hits von acht österreichischen Interpreten. Eine der stärksten war Tini Kainrath, und zusammen mit Georgij Makazaria brachte sie in No Time For Revolution die Disco zum Brodeln. (Foto © U4)
Russkaja-Frontman Makazaria ist nicht nur ein echter Stimmungsmacher, er hat auch als Teufel in Dance Mephisto schauspielerische Sangeskraft, so wie sie Falco drauf hatte - allerdings in anderer Manier.
Ein aggressiver Anheizer ist Roman Gregory, der die Idee zu dem ganzen Event hatte.
Einen "kaputten" gealterten Jeanny-Entführer mimte Haymon Buttinger, wobei die Darstellungskunst hauptsächlich auf die Requisiten begrenzt war.
Die Originalband (hier Peter Paul Skrepek) verstand sich an diesem Abend exakt so, wie sie für Falco spielte…



… wo zum Beispiel Trompeter Bernhard Rabitsch auch als Percussionist und Chorsänger auftrat. Dass er, so wie auch jedes andere Band-Mitglied, eigentlich solistisch mehr zu bieten hat, war zwei Tage später zu bestaunen ...



Auch 2015 stand der Februar zweimal im Zeichen des Falken, der in diesem Monat vor 58 Jahren auf die Welt kam und in diesem Monat vor 18 Jahren aus ihr ging. Dieses Mal geschah das aber in ziemlich authentischer Form: denn Falcos Originalband fand sich nach sieben Jahren fast vollzählig ein; nur der in den USA anderweitig engagierte Schlagzeuger Thomas Lang fehlte. Falcos Bandleader und Keyboarder Thomas Rabitsch liess sich von Alkbottle-Sänger Roman Gregory zum Konzert im Wiener U4, am 19.2., hinreißen. Ob allerdings der Titel Die Goldfisch wirklich ausreicht, um "diese Band", die ja "nur" aus der Originalband Falcos (Thomas Rabitsch, Peter Paul Skrepek (git), Bertl Pistracher (bass), Bernhard Rabitsch (tromp, chor) sowie dem frühen Falco-Gitarristen Peter Vieweger) mit Schlagzeuger Florian Holoubek besteht, "eigenständig" zu positionieren, ist fragwürdig. Denn tatsächlich unterschied sich das diesjährige U4-Konzert kaum vom jenem von 2008 anlässlich Falcos 10. Todestages, wo verschiedene bekannte Sänger der österreichischen Musikszene einzelne Hits darboten. - intimacy: art hat darüber ausführlich berichtet: siehe Link.

Viele Sänger verderben nicht immer das Konzert


Das Unterscheidbarkeits-Quäntchen lag heuer allein darin, dass die acht Sänger oftmals im Duo oder Trio auftraten, sodass sich eine gewisse Atmosphäre der interpretatorischen "Beliebigkeit" einstellte. Das Vorhaben Gregorys, "Falcos Songs Leben einzuhauchen und die gegenwärtige Sangesszene jene zelebrieren zu lassen" erfüllte sich zwar in Sachen "engagierter Unterhaltung", denn Roman Gregory und Hans "Anzo" Morawitz bemühten sich als animierender Auftakt mit Hits wie Wiener Blut und Ganz Wien sichtlich, Schwung auf die enge Bühne mit niederer Decke zu bringen. Dazu gesellte sich noch Springinkerl Andie Gabauer - der Mann mit der schönen Dancing-Stars-Stimme -, den Egoist(en) und Junge(n) Roemer nahm man dem adretten Turnschuh-Buben in den gleichnamigen Liedern aber nicht ab. Konkret gesagt: Gabauer sollte definitiv an seiner Performance arbeiten, um auch den Inhalt des von ihm klassifizierten "genialen Lyrikers Falco" zu transportieren. Dann wirkt auch sein hübscher Ton expressiver.

Kainrath und Makazaria - die kraftvollsten Blick- und Gehörfänger


Stimmiger wurde Gabauers Amerika-Darbietung mit Tini Kainrath, weil sie beide ausgezeichnete Sänger sind und einander zu motivieren verstehen. Die einnehmende Sängerin im grünen Glitzerkleid ließ außerdem das coole Brillantin Brutal als Solo und Emotional mit Roman Gregory temperamentvoll erstrahlen. Ihren Sager "es ist ja jeder für sich emotional, und man soll sowieso nie so klingen wie das Original, aber möglichst dieselbe Kraft haben" scheint sie einverleibt zu haben. Das hatte seine größte Wirkung im dark-metal-stimm-gewaltigen Duo No Time For Revolution mit dem theatral ungemein starken Georgij Makazaria, überraschenderweise überhaupt das Highlight  des Abends, obschon dieses Lied nicht zu den großen Falco-Hits gehört. Mit seinem neuzeitlich adaptierten Computer-Hardcore-Sound hätte die U4-Disco-Atmosphäre nicht passender gefüllt werden können. Der Teufel, den auch Falco gut drauf hatte, verkörperte Makazaria schließlich in Dance Mephisto, sodass die Funken nur so sprühten. Das Duett mit Gregory machte danach auch das zweideutige Mutter, der Mann mit dem Koks ist da bedrohlich lebendig. 

Viel, aber zu wenig geprobt


Daraufhin Haymon Buttinger als "echten" Schauspieler anzukündigen, war im Ablauf gut geplant, die Theaterleistung in Spiel und Gesang bei Jeanny kam aber eher als sarkastische "Ich-mag-dieses-kitschige-Lied-eigentlich-nicht-sonderlich" rüber, ganz so, wie es bereits Drahdiwaberl-Kopf Stefan Weber in den vergangenen Jahren interpretiert hatte. Nur dass Weber mit einem Urinkübel spielte, während Buttinger als alter, zerfallener Mann mit Sonnenbrille eine antike Puppe mit zerschlagenem Gesicht in den Händen hielt. ( - Sollte das, wenn er heute noch lebte, Falco sein?) Dann folgte der bewährte Auf der Flucht- und Der Kommissar-Rapper Skero, nur dass sein äußeres Erscheinungsbild und damit auch seine Gesangeshaltung dieses Mal nicht den Dandy mimten. Potential hat Vienna Calling von der stimmlich farbreichen und spezifischen Minisex-Legende, Rudi Nemeczek, gerade wegen seines Bewusstseins über seine Probleme mit der "Textsicherheit, weil der Falco hat so atmosphärische, assoziative Texte geschrieben, die nicht eine normale Geschichte erzählen. Und da muss man sehr lange üben, bis man das drauf hat". 


Tolle Partystimmung trotz Musiker-Unterforderung


Zum Finale war die Stimmung im vollen U4 ausgelassen, denn wie Thomas Rabitsch selbst scherzhaft über sich und die alte Band sagt, spielte hier eine "Altherren-Partie" für eine, laut Gregory, "bunte" Sängerschar, was denn auch in ausreichend "Spannung" münden sollte. Dass selbst dafür intensive Proben nötig waren, kommentierte Rabitsch für die Musiker sprechend ( - die die Lieder ja auswendig können -) ironisch auflachend mit: "Naja, man will sich ja keine Blöße geben, vor allem wegen der Interpreten". Ob das musikalische Erbe Falcos letztlich aber vollendet ins Heute übertragen wurde, blieb offen. Umso mehr, da zwei Tage später der Vergleich mit einem Konzert ganz anderen Zugangs möglich wurde.



EIN EINZIGARTIGES MUSIK-ERLEBNIS: DIE 7. FALCO CONVENTION WURDE ZUM ÜBERRASCHUNGSKONZERT DES JAHRES. DER WERMUTSTROPFEN FÜR DIE VERANSTALTER: VON JETZT AN LIEGEN DIE ERWARTUNGEN BEIM PUBLIKUM HOCH …


Am 21. Februar 2015 kam es im Orpheum bei der Falco-Convention VII zu einem unvergesslichen Konzertereignis: die sympathischen Interpreten, Martin Böhm und Alex
Sailer, traten dafür im harmonischen Doppel auf. (Orpheum-Fotos,
wenn nicht anders angegeben © Dietmar Lipkovich)

Tenorsaxophonist Harry Sokal führte als Solist das rhythmische Punkte setzende und Fanfaren-artige Bläser-Sextett an, das immer wieder für mitreißende Funky- und Jazz-Spitzen sorgte …

…hier "Drei von Sechs": Harry Sokal, Trompeter Martin Milanovich und Falco-Originalband-Trompeter Bernhard Rabitsch.

Die anspruchsvollen Arrangements kamen von Falco-Originalband-Gitarrist, Peter Paul Skrepek, der sich nicht nur selbst herausforderte …

… sondern auch die Sanges-Interpreten Sailer und Böhm, die sonst in eigenen Bands auftreten ...

… das künstlerische Geheimnis lag durchgehend in der Luft. (Foto © Elfi Oberhuber)

Die Falco-Originalband und Falco-Tributeband - zu beiden gehört Skrepek - hatten kein Problem, auch mit der Band Sappalot und deren Frontman Alex Sailer ein rasantes Falco-Gefühl zu erschaffen.

Sappalot - hier Gitarrist Martin Edelmann neben Sailer - traten auch in Reinkultur als Falco-Interpreten auf. Der Hard-Rock-Zugang ist unverkennbar …

… wobei die Band für diesen Zugang ungewöhnliche Instrumente verwendet, wie die Mundharmonika (sorgte für Bewunderung: Johann Allacher) und das Tenorsaxofon von und mit Edgar Pleyer.

Trotzdem war man dann erfreut, wenn wieder die "Originale" um Martin Böhm mit "gewohnten" Tempi und solidem Gesang samt Chor - Sheila Fernandez, Bernhard Rabitsch, Martin Hulan und Eliza Mandzik - auftraten.





 

 

FALCO CONVENTION VII



Bei der Falco Convention VII im Wiener Orpheum war die Falco-Originalband am 21.2.2015 keine "Altherren"-Partie mehr, sondern sie bestand aus Musikerpersönlichkeiten, die jeder für sich zeigen konnte, warum sie den Ruf des legendären Originals genießt. Außerdem gesellten sich zwischen die "Alten" ein paar junge Musiker, sodass das Alter auch optisch keine Rolle mehr spielte. Zusammen ergab das rein instrumental eine Big Band erster Güte, wo der Ton der Lieder so rhythmisch exakt saß, die Lieder so sehr einverleibt und aus dem "Im-Schlaf-Können" heraus abstrahiert und erweitert wurden, dass Überraschung und Drive für den Falco-Fan und vielseitigen Musikliebhaber zum freudigsten Abenteuer wurden. Arrangiert wurden die Hits von E-Gitarrist Peter Paul Skrepek.

Gewaltstark wie ein Donnerschlag: der Konzertbeginn


Es fing schon aufregend an: nach der kleinen U4-Bühne erschien die Orpheum-Bühne geradezu gigantisch, sodass diese Meister ihres Fachs gebührend rüberkamen. 13 Musiker und zwei Sänger, die Frontmen der Falco-Tributeband (Martin Böhm, der auch der Konzertveranstalter ist) und von Sappalot (Alex Sailer), eröffneten mit Auf der Flucht eindrucksvoll und rasant durch punktgenau gespielte Energie. Gesteigert wurde jene noch in Der Kommissar, wo der sechsköpfige Bläsersatz mit Bernhard Rabitsch (Tromp, Flügelhorn), Harry Sokal (Tenorsax), Thomas Faulhammer (Baritonsax, Flute), Alois Eberl (Posaune), Edgar Pleyer (Tenorsax) und Martin Milanovich (Tromp, Flügelhorn) so funky wirkte, als wären die James-Brown-Meister Pee Wee Ellis und Fred Wesley höchstpersönlich anwesend. Lichtgestalt Sokal gibt dabei sein erstes Solo, das mit allen Bläsern im mitreißenden Titellied der Cop-TV-Serie Die Straßen von San Francisco von Patrick Williams mündet - eine ungemein geistreiche und musikalisch erstaunlich passende Assoziation. Im dritten Lied Amerika mit kurzem,  neben amerikanischer Bundeshymne, live gespieltem Mozart-Zitat konnte man sich als - ob des instrumentalen Aufgebots - verblüffter Zuschauer erstmals bewusst auf die beiden gut gelaunten und motivierten Sänger konzentrieren, die schon optisch, gleich groß, in fast derselben schwarzen T-Shirt-Hemd-Gilet und Dreitagebart-Aufmachung wie ein verstärktes Doppel eines Frontmannes erschienen, was denn auch ihr synchroner einstimmiger und voller Gesang unterstrich. Vor dem vielsagenden musikalischen Hintergrund war es somit nicht nötig, als Interpret noch extra eine Betonung und theatrale Deutung draufzugeben.

Die Hardrock-Falco-Interpreten: Sappalot


Dann lösten sich einige Musiker aus der "Big Band" heraus, sie gesellten sich zu neu auftretenden Instrumentalisten und stellten sich als Band Sappalot vor  - die Bläser Edgar Pleyer und Martin Milanovich, Gitarrist und Background-Sänger Martin Edelmann, Bassist Hardy Wallner, Keyboarder Heinz Schwarz, Gitarrist Reinhard Sacher, Schlagzeuger Wolfgang Frühbauer und Mundharmonika-Spieler Johann Allacher. Sappalot interpretierte vier Falco-Nummern, darunter auch die selten gespielten Lieder Ihre Tochter und Kann es Liebe sein mit verwegenem, härterem Gitarrensolo Edelmanns als es Falco-Originalgitarrist Skrepek spielen würde. Überhaupt interpretiert Sappalot die Lieder eher im Stil von jungen Outlaws, schneller, fahriger und auch schleissiger als die Originale, vielleicht sogar in Richtung Punk-Rock. Und wenn Sänger Sailer in Hinblick auf Falco etwas mehr drauf hat als Böhm, dann ist es Falcos Arroganz in der Stimme; was beiden Sängern fehlt, ist der "raffinierte Lyriker" und "extravagante Schauspieler" Falco.

Falcos Originalband mit neu aufgeteilten Rollen


Nach der beintechnisch und körperlich wendigen "Jugend" - Sailer outete sich als Jahrgang ´80, demnach war mancher von Sappalot gerade einmal fünf Jahre alt, als Falco seine größten Erfolge feierte - freute man sich schon wieder auf die exakten "Altmeister": Keyboarder Thomas Rabitsch, Trompeter Bernhard Rabitsch, Gitarrist Peter Paul Skrepek, Bassist Bertl Pistracher von Falco, sowie den langjährigen Falco-Tributeband-Schlagzeuger Peter Barborik und -Keyboarder Barnabas Juhasz. In Wiener Blut, Verdammt, wir leben noch und Emotional wurden sie von den Chorsängern Martin Hulan, Eliza Mandzik und Sheila Fernandez unterstützt. Hier zeigte Sänger Böhm, dass er der richtige Mann für Falcos gefühlvollen Lieder ist. Er widmete das letzte Lied tatsächlich seiner anwesenden Liebsten, wodurch die Verinnerlichung seiner Darbietung nachvollziehbar wurde.
Mit der Erwähnung, dass Thomas Rabitsch bei Falco, und Skrepek bei Hansi Dujmic, wo sie ja beide spielten, jeweils Kapellmeister gewesen seien, schien nun vice versa Skrepek an diesem Falco-Abend jene Rolle inne zu haben, indem er den Einsatz zum umwerfenden, frisch geschriebene Bläser-Intro von Ganz Wien gab. - Das Stichwort für den Auftritt von Stargast Boris Bukowski, der mit seiner rauchigen Stimme und Entrücktheit Kunst-Atmosphäre verströmte.

Textinterpret Bukowski auf Falcos Theaterspuren


Im rauchigen Nebelmeer hält er sich einen langen Moment pathetisch die Augen zu und singt über die Angst vor der und zugleich Lust auf die Außenwelt im ebenfalls neu arrangierten Psychiatrie-Schicksal-Hit Euer Fritze mit der Spritze. Das ist düster. Der Sänger lockert die Stimmung auf, indem er von einem Insider-Witz zwischen Falco und Tina Turners Mann erzählt, worin sie sich selbstironisch über ihre Trinklust amüsieren. Darauf folgt Bukowskis 80er Hit Kokain mit anspruchsvollem Tenorsaxofon- und Gitarren-Solo. Natürlich kann das niemand authentischer darbieten als er selbst. Nachtflug singt Bukowski schließlich im Duett mit Falco, der im Zuge des Konzerts immer wieder von der Videoleinwand agiert. Über die Liebesebene sind wir damit von der "Drogen-" in der "Sehn-Sucht" gelandet: Bukowski singt Jeanny mit aufrichtigem Feingefühl, nachdem Skrepek über sein anfangs zärtliches Gitarrensolo darauf hinweist, wie schön die Melodie dieses Liedes sein kann, wenn man sich wirklich ernsthaft damit auseinandersetzt.

Musikalische Querverweise mit Kabarettnummer


Nach der Pause "lüften" Sappalot und die Originalband in Vollbesetzung (20 Musiker) mit eigenen Worten "durch". Zuerst mit Montevideo von Falco-Wegbegleiter Hansi Lang, gesungen von den "Zwillingen" gleicher Attitüde, Böhm und Sailer. Es folgt die 1980-er Monster-Sturm-Nummer Sledgehammer von Peter Gabriel, die mit Harry-Sokal-Solo und trotz kurzer Tempo-Unstimmigkeit zwischen den Gitarristen und dem Schlagzeug für Blitzenergie sorgt. Dann kündet Sappalot das 1970er-Urgestein AC/DC an, was fast so etwas wie vorausahnenden Schock auslöst: Gespielt in ihrem Stil ist dieser Hard-Rock-"Durchzug" trotz Sailers Stimme, die bei hochrotem Kopf tatsächlich klingt wie jene von Leadsänger Brian Johnson, dann aber doch nicht so frostig. Er macht viel mehr deutlich, woher die fahrige, "hard-rockige" Falco-Herangehensweise von Sappalot im Grunde kommt. Brillantin Brutal ist im Vergleich zu dieser musik-stilistisch einschlägigen Nummer wieder Falco-gemäßigt, und mit Hoch wie nie liefert Sappalot überhaupt ihre beste Interpretation: mit der Blues-Harp-Mundharmonika von Johann Allacher, die ein Flair Wilden Westens verbreitet. Out Of The Dark scheint dagegen eher ein Kampf zwischen Bläsern und Bühnennebel zu sein, und Sappalots Titanic führt als deren letztes Lied härter als gewohnt zur "Originalband" über: Vienna Calling, wieder gemeinsam von Sailer und Böhm gesungen, ist im Originaltempo sofort zu erkennen, doch Keyboarder Thomas Rabitsch spricht anfangs statt des Telefonstimmen-Zuspielers "Hallo? Vienna Calling?" mit zugehaltener Nase. Das ist zunächst irritierend, löst sich dann aber zum runden Bühnenwitz auf, indem Gitarrist Skrepek als Wiens Altbürgermeister Helmut Zilk (er ist auch als Zilk-Darsteller bekannt) antwortet: "Rathaus, bitte warten. Sie können auf das Tonband des Wiener Rathauses sprechen!" Vom "sehr musikalischen und niveauvollen" Arrangement "des Herrn 'Vize'-Bürgermeisters" im darauffolgenden Nur mit Dir kann dann auch Leadsänger Böhm nur schwärmen - und das zurecht.

Junge Roemer - Unvergessliches Kino der Sinne


Und dann kommt er: der Höhepunkt des Abends. Junge Roemer wird schon seit ein paar Convention-Jahren im langsam zu spielenden Arrangement Skrepeks dargeboten. Heuer wird es jedoch zum wahren Kino der Sinne, zum abenteuerlichen Action-Konzert voller Dramatik, mit durchgehender Spannung und Angst vor dem Untergang, letztlich aber mit Happy End. Schon nach dem ersten Drittel wird klar, dass hier ein Experiment höchster Musikkunst im Gang ist, wobei der charmante Sänger Böhm nicht recht weiss, was da unter den Musikern vor sich geht. Nicht etwa, dass jeder von ihnen die Gunst der Stunde nutzt, um sich einmal ein obligatorisches Solo runter zu holen. Es ist eher so, dass es nach Böhms zu frühem Stimmeinsatz mit Blick eines jeden Musikers auf Skrepeks Einsatz notwendig wird, dass zuerst Alois Eberl, unterstützt von den anderen Bläsern, ein auffallend gutes Posaunen-Solo vorlegt. Dann überrascht Thomas Rabitsch mit seinem Keyboard-"Klavier" mit einer ungewöhnlich künstlerischen Improvisation. Und schließlich zaubert Peter Paul Skrepek ein sehr liebevolles Gitarrenspiel hervor, bis der letzte Refrain einsetzen kann. Bei all dieser Unmittelbarkeit und Spontaneität entsteht ein akustisches und handlungsreiches Meisterwerk, das sich wahrscheinlich nie wiederholen lassen können wird. Böhm ruft noch verzweifelt, "der Skrepek sagt immer, das geht dann schon …", wissend, dass gerade etwas Großartiges passiert ist. Worauf ein Zuschauer gen Bühne ruft: "Der hat Euch aber jetzt den Hintern versohlt!" - Zum Ausatmen der Anspannung und Erregung - für Musiker und Zuschauer - reichte daraufhin das originale Rock Me Amadeus, das hauptsächlich durch Zuspieler funktionierte.

Ein Rausch geht zuende


Nach tosendem Applaus des schon seit Tagen ausverkauften Orpheums, bekamen die 600 Besucher als Zugabe noch Falcos bei Live-Konzerten stets interpretierte Bob-Dylan-Nummer Baby Blue serviert, wo der brillante Pianist Barnabas Juhasz neben dem wie Miles Davis klingenden Bernhard Rabitsch noch für jazz-bluesiges Hochgefühl sorgten, während Böhm und Sheila Fernandez ein zärtliches Mann-Frau-Duett sangen. Mit der Falco-Hymne Helden von Heute gingen die berauschten Zuschauer nach Hause. Ein unvergesslicher Abend!

Hochwertiges, neues Eigenprofil durch Herausforderung der Instrumentalisten


Dank dieses Ansatzes - Instrumental-Kapazunder für niveauvolle Arrangements einer Big Band - ist es der Falco-Tributeband erstmals seit ihrem Bestehen gelungen, "Eigenständigkeit" als individuelle Kunstform, die musikhistorisch relevant werden könnte, zu erreichen. Höchstwahrscheinlich kam das so, weil sich die Falco-Originalband mit ihrem speziellen Knowhow in den Dienst des Versuchs gestellt hat, hier etwas Neues zu erschaffen. Stand bisher "Falco" in seiner Vielseitigkeit im Mittelpunkt, der man nachtrauerte, so kommt es jetzt zur echten "Wiederbelebung", wobei "ein interpretierender Falco" in jedem Bühnenperformer und Musikdetail sitzt. Der Musikstil ist als herangereifte Form mit Falcos Handschrift kompatibel, der jeweils Rap, Pop, Jazz, Funk, Klassik, Rock, Ballade oder später auch Techno-Stil für seine Lieder mit signifikantem Text kombinierte. Falco selbst war für die Entwicklung und den Fortschritt: "Ich glaube nicht, dass man mich heute noch als machohaft sieht, man wird mir ja auch nicht unterstellen, dass ich es heute nicht besser weiss, als vor zehn Jahren, nicht?", sagte er 1996 bei der Harald-Schmidt-Show. Für Falco-Hardcore-Fans, die indessen nicht akzeptieren wollen, dass ein hochtalentierter Künstler der 80-er Jahre heute wahrscheinlich ebenfalls seine eigenen Hits in Live-Konzerten interpretieren würde - denn auch solche Leute waren anwesend -, wäre es vielleicht besser, im kleinen Rahmen ein Nostalgiefest mit Original-Falco-Videos und Schallplatten abzuhalten. Die Falco-Tribute-Original-Band indessen hätte im "Da capo" der Falco Convention VII Konzerthaus- oder Stadthallen-Potential, wo heute dasselbe bunt gemischte Publikum kommt wie bei einem experimentell überraschenden Prince, bei einem feinsinnig unterhaltenden David Byrne und einem hoch-energetischen (leider bereits verstorbenen) James Brown.  e.o.

Martin Böhm ist einer der wenigen Interpreten, der die gefühlvollen Falco-Lieder echt stark singen kann …
… auch Stargast Boris Bukowski machte sich über Jeanny nicht lustig.  (Foto © Elfi Oberhuber)
Bukowski - mit pathetischer Geste zu Beginn - sang auch seine eigenen Lieder über Drogensucht authentisch besinnlich.

Die ernsthafte Auseinandersetzung zeigt erst die schöne Melodie von dramatischen Liedern, die hier außerdem für die Musiker des Abends arrangiert worden waren … (Foto © Elfi Oberhuber)
… mit von der feinen Bläserpartie: Thomas Faulhammer. (Foto © Elfi Oberhuber)


Bei so einer musikalischen Hingabe gerät auch Bukowski in Verzückung.

Dank der neuen Arrangements konnte man sich auch von Thomas Rabitschs abstrakten Fähigkeiten als Solist überzeugen: in Skrepeks Glanz-Stück Junge Roemer.

Das war´s: Ein Großaufgebot an Musikern und Sängern
für ein neues, künstlerisches Falco-Erlebnis!










- Die Zitate in der "Die Goldfisch-Kritik" sind O-Töne von Interviews der TV-Sendung
Heute Leben
, 20.2.2015 ORF)

 
 
DAS URTEIL
 
MIT DER FALCO CONVENTION VII IST DER FALCO-(TRIBUTE)BAND EIN KONZERT MIT KÜNSTLERISCHER EIGENSTÄNDIGKEIT UND HOHEM ANSPRUCH GELUNGEN. UMSO KLARER WURDE DAS DURCH DEN DIREKTEN VERGLEICH MIT SAPPALOT, DIE IN EINE ANDERE RICHTUNG INTERPRETIERT. - DIE U4-NACHT WAR INDESSEN EINE FÜR DAS ETABLISSEMENT PASSENDE, UNTERHALTSAME PARTY.

 
 
KONZERT A Tribute To Falco - Gedenkkonzert * Falco-Band feat. Reinhold Bilgeri und Bella Wagner (Voc.), moderiert von Udo Huber * Mit: Falco-Tributeband: Martin Böhm (voc), Bernhard Rabitsch (tromp, chor), Peter Paul Skrepek (git), Rue Kostron (bass), Peter Barborik (dr), Barnabas Juhasz (keyb) * Mit Bläsersatz – arrangiert von Peter Paul Skrepek (alle Falco-Nummern) und Bernhard Rabitsch (Reinhold Bilgeris "Desperado") –, gespielt von Bernhard Rabitsch (tromp), Harry Sokal (tenorsax), Otmar Klein (bariton-, altosax), Clemens Hofer (Posaune)  * Ort:  Stadthalle Ybbs, Kaiser-Josef-Platz 2, 3370 Ybbs * Zeit: 27.4.2017, 19h30
--> Info und Ticket-Link


Zwei Hörproben zur Falco-Convention 2014 mit Bella Wagner:
https://www.youtube.com/watch?v=eaynWQwIFKE 
 https://www.youtube.com/watch?v=qS9CWeZwCBE
 

Nachbericht zum Falco-Konzert 2017 als Abschluss der Ybbsiade:
https://www.youtube.com/watch?v=hrrYiclb7cM

KONZERT Falco Night 2015 … im U4 geig´n die Goldfisch… * Voc: Hans „Anzo“ Morawitz, Andie Gabauer, Tini Kainrath, Roman Gregory, Georgij Makazaria, Skero, Rudi Nemeczek, Haymon Buttinger * Mit: Falco-Originalband: Thomas Rabitsch (keyb), Bernhard Rabitsch (tromp, chor), Peter Paul Skrepek (git), Bertl Pistracher (bass), Peter Vieweger (git) * Mit: Florian Holoubek (dr) * Ort: U4 1120 Wien * Zeit: 19.2.2015, 21h


KONZERT Falco Convention VII * Mit Falco-Originalband: Thomas Rabitsch (keyb, voc, arr), Bernhard Rabitsch (tromp, chor, Flügelhorn, perc), Peter Paul Skrepek (git, voc, arr), Bertl Pistracher (bass) *Mit Falco-Tributeband: Martin Böhm (voc), Peter Paul Skrepek (git, voc, arr), Bertl Pistracher (bass), Peter Barborik (dr), Barnabas Juhasz (keyb) * Mit Bläsersatz: Bernhard Rabitsch (tromp, Flügelhorn), Harry Sokal (tenorsax), Thomas Faulhammer (baritonsax, flute), Edgar Pleyer (tenorsax), Alois Eberl (Posaune), Martin Milanovich (tromp, Flügelhorn) * Mit Chor: Martin Hulan, Eliza Mandzik, Sheila Fernandez * Mit Sappalot: Alex Sailer (voc), Martin Edelmann (git, voc), Hardy Wallner (bass), Heinz Schwarz (keyb), Reinhard Sacher (git), Wolfgang Frühbauer (dr), Johann Allacher (Mundharmonika), Martin Milanovich (tromp, Flügelhorn), Edgar Pleyer (tenorsax) * Special Guest: Boris Bukowski (voc), Harry Sokal (Solo-tenorsax) * Ort: Orpheum Wien * Zeit: 21.2.2015, 20h30