Was sich dieser Mann (Marco Berrettini)
nicht alles gefallen lässt, von der mächtigen Frau (Marion Duval), die ihn ....
... nicht einmal liebt. Oder vielleicht
liebt, aber nur mit ihm arbeiten will ...
(Fotos © Yvonne Dickopf)
Solange sie auf der Bühne stehen, läuft alles perfekt. Selbst die „größte“ Zaubernummer: da gibt Duval sogar seine Assistentin.
Hinter der Bühne aber ist sie „Claptrap“, ein quasselnder, gefühlszerrissener Roboter zwischen Macht- und Ohnmacht-Obsessionen. Da kann sich Berrettini noch so sehr anpassen, sie will ihn als Liebespartner nicht erhören. (Fotos: © Dorothée Thébert Filliger)
Welch unmögliches, passendes Paar!
3.8., gegen 24h, im Wiener Schauspielhaus:
Was zählt für eine mittelalterliche Frau, wie mich, am Ende
dieser 2h45min-dauernden Aufführung Claptrap?
– Das Dilemma der darin gezeigten Amour-fou-Beziehung.
Und dass ich ohne schlechtes Gewissen schmunzeln konnte.
Beides nicht selbstverständlich beim ImPulsTanz-Festival.
Beziehungen spielen sich hier in den Aftershow-Parties ab, zu denen ich nicht hingehe.
Ich bedanke mich an dieser Stelle, weil mich die Einladungen trotzdem freuen.
Die ImPulsTanz-Leute sind ja sehr angenehme Menschen ohne versteckte Aggressionen. Sie bewegen und diskutieren sich den Alltagsfrust sozusagen von der Seele.
Ginge ich hin, würde ich kein Wort über die Stücke schreiben.
Weil ich schon vieles ausgesprochen hätte.
Und alles Nur-Ausgesprochene wird in der Regel wieder vergessen.
Mich beschäftigt die „junge“ Marion Duval wegen ihres im Stück dargestellten Gefühlszustands.
Sowie der„erfahrene“ Marco Berrettini, wie er als Mann mit der ihm eigentümlichen Distanz auf „ihr“ Gefühlswirrwarr reagiert.
Ihr Altersunterschied von zwanzig Jahren erscheint mir nicht zu groß.
Wenn jüngere Frauen auf ältere Männer stehen, zeichnet sich das sowieso im Kindesalter ab.
Das ist so ähnlich wie mit der Homosexualität.
Der von Marion Duval empfundene Unterschied im Alter ist daher weniger der Grund für die Unmöglichkeit ihrer Beziehung als jener ihrer Charaktere.
Es gibt unterschiedliche Charaktere, die insgesamt harmonieren, und es gibt unterschiedliche Charaktere, die für eine gewisse Zeit für einander spannend sind, am Ende aber nicht harmonieren.
Da wird also das Stück von dieser selbst bezeichnet talentiert-geltungssüchtigen, quasselnden Künstlerin (eh schon 32 Jahre!) zwischen Bühne und Zuschauerreihen eröffnet. Neben ihr der etablierte, für gewöhnlich auf Reflexion bedachte Performance-„Star“ und ihr ehemaliger Geliebter, Marco Berrettini (eh erst 53!). Bei ihm sitzt jede Pointe, originell, kein Wort zu viel. Sie ist zerrissen, sowohl in plötzlich zwischen Manie und Depression kippenden Emotionsgegensätzen, als auch in ihren Gedanken.
Was sie an einander fasziniert, ist ihr („schweizerischer“) Humor, ihr Lachen über unmögliche, „geschmacklose“ Pointen. Deshalb auch das Prinzip der unpassenden Szenenabfolgen dieser „Groteske“. Möglicherweise liegt es an Duval, der „zuliebe“ sich Berrettini darauf einlässt: „Ich wäre ohne sie nicht da, weil ImPulsTanz „meine“ Show nicht gekauft hätte“, gibt er trocken während der Kommunikationseinführung mit dem Publikum zu bedenken. „Ohne entsprechende Stimmung kann das Stück nicht beginnen“, ergänzt sie, die hier für Regie und Konzept verantwortlich ist. „Pina ist tot, und Cunningham ist tot, und ich fühl mich dabei nicht so gut“, meint Berrettini über sich selbst lachend, „und das war noch mein bester Witz für heute“. Dann gibt´s noch ein paar Angriffe aufs österreichische Publikum, um die letzten Schranken zu brechen: „Vienna Calling, sagte Regensburger zu mir, Leute aus den 80ern verstehen das. Rock Me Amadeus ist kein Nazi-Spruch.“ Und die Aussicht: „Es wird noch richtige Drachen geben.“
Damit beginnt die eigentliche Show des einmal auch privaten Paares: Nach dem legeren Erstauftritt erscheint Berrettini im Smoking und animiert die im schwarzen Abendkleid mit sensationellem Dekolleté auftretende Duval zum übermäßigen Sektgenuss. Das ist der Auftakt zur slapstickhaften Doppelconférence, wo zwar klar ist, wer der klügere, aber nicht, wer der mächtigere ist. Sie ist mächtig, weil sie privat inzwischen einen anderen und hier die Führungsrolle hat. Sie raucht ihm ins Gesicht, er lässt es sich gefallen. Sie küsst ihn, aber ohne Zunge, was ihn stört. Darauf folgt eine Zauberer-Assistentin-Nummer zur Musik Nino Rotas, wo jeder konventionelle Trick in der Offensichtlichkeit endet. Jetzt erst öffnet sich der Bühnenvorhang und zwei riesige Papierdrachen erscheinen: Berrettini und Duval befinden sich in den Drachen, einander drohend umgarnend und bekämpfend. Bis die Bühne mit Schachbrettboden zusammenfällt. Pause.
– Das Dilemma der darin gezeigten Amour-fou-Beziehung.
Und dass ich ohne schlechtes Gewissen schmunzeln konnte.
Beides nicht selbstverständlich beim ImPulsTanz-Festival.
Beziehungen spielen sich hier in den Aftershow-Parties ab, zu denen ich nicht hingehe.
Ich bedanke mich an dieser Stelle, weil mich die Einladungen trotzdem freuen.
Die ImPulsTanz-Leute sind ja sehr angenehme Menschen ohne versteckte Aggressionen. Sie bewegen und diskutieren sich den Alltagsfrust sozusagen von der Seele.
Ginge ich hin, würde ich kein Wort über die Stücke schreiben.
Weil ich schon vieles ausgesprochen hätte.
Und alles Nur-Ausgesprochene wird in der Regel wieder vergessen.
Mich beschäftigt die „junge“ Marion Duval wegen ihres im Stück dargestellten Gefühlszustands.
Sowie der„erfahrene“ Marco Berrettini, wie er als Mann mit der ihm eigentümlichen Distanz auf „ihr“ Gefühlswirrwarr reagiert.
Ihr Altersunterschied von zwanzig Jahren erscheint mir nicht zu groß.
Wenn jüngere Frauen auf ältere Männer stehen, zeichnet sich das sowieso im Kindesalter ab.
Das ist so ähnlich wie mit der Homosexualität.
Der von Marion Duval empfundene Unterschied im Alter ist daher weniger der Grund für die Unmöglichkeit ihrer Beziehung als jener ihrer Charaktere.
Es gibt unterschiedliche Charaktere, die insgesamt harmonieren, und es gibt unterschiedliche Charaktere, die für eine gewisse Zeit für einander spannend sind, am Ende aber nicht harmonieren.
Da wird also das Stück von dieser selbst bezeichnet talentiert-geltungssüchtigen, quasselnden Künstlerin (eh schon 32 Jahre!) zwischen Bühne und Zuschauerreihen eröffnet. Neben ihr der etablierte, für gewöhnlich auf Reflexion bedachte Performance-„Star“ und ihr ehemaliger Geliebter, Marco Berrettini (eh erst 53!). Bei ihm sitzt jede Pointe, originell, kein Wort zu viel. Sie ist zerrissen, sowohl in plötzlich zwischen Manie und Depression kippenden Emotionsgegensätzen, als auch in ihren Gedanken.
Was sie an einander fasziniert, ist ihr („schweizerischer“) Humor, ihr Lachen über unmögliche, „geschmacklose“ Pointen. Deshalb auch das Prinzip der unpassenden Szenenabfolgen dieser „Groteske“. Möglicherweise liegt es an Duval, der „zuliebe“ sich Berrettini darauf einlässt: „Ich wäre ohne sie nicht da, weil ImPulsTanz „meine“ Show nicht gekauft hätte“, gibt er trocken während der Kommunikationseinführung mit dem Publikum zu bedenken. „Ohne entsprechende Stimmung kann das Stück nicht beginnen“, ergänzt sie, die hier für Regie und Konzept verantwortlich ist. „Pina ist tot, und Cunningham ist tot, und ich fühl mich dabei nicht so gut“, meint Berrettini über sich selbst lachend, „und das war noch mein bester Witz für heute“. Dann gibt´s noch ein paar Angriffe aufs österreichische Publikum, um die letzten Schranken zu brechen: „Vienna Calling, sagte Regensburger zu mir, Leute aus den 80ern verstehen das. Rock Me Amadeus ist kein Nazi-Spruch.“ Und die Aussicht: „Es wird noch richtige Drachen geben.“
Damit beginnt die eigentliche Show des einmal auch privaten Paares: Nach dem legeren Erstauftritt erscheint Berrettini im Smoking und animiert die im schwarzen Abendkleid mit sensationellem Dekolleté auftretende Duval zum übermäßigen Sektgenuss. Das ist der Auftakt zur slapstickhaften Doppelconférence, wo zwar klar ist, wer der klügere, aber nicht, wer der mächtigere ist. Sie ist mächtig, weil sie privat inzwischen einen anderen und hier die Führungsrolle hat. Sie raucht ihm ins Gesicht, er lässt es sich gefallen. Sie küsst ihn, aber ohne Zunge, was ihn stört. Darauf folgt eine Zauberer-Assistentin-Nummer zur Musik Nino Rotas, wo jeder konventionelle Trick in der Offensichtlichkeit endet. Jetzt erst öffnet sich der Bühnenvorhang und zwei riesige Papierdrachen erscheinen: Berrettini und Duval befinden sich in den Drachen, einander drohend umgarnend und bekämpfend. Bis die Bühne mit Schachbrettboden zusammenfällt. Pause.
Nach einem erfrischend leichten Gene-Kelly-Steppduett wird es spannend: die beiden Künstler ziehen sich auf der Bühne um, die jetzt zur Garderobe geworden ist. Als Duval ihren BH öffnet, ist man erst mal verblüfft, dass ihr Busen tatsächlich so übermäßig groß ist, sichtlich, ohne operiert worden zu sein. Vom schwarzen Hosenanzug wechseln sie ins weiße Paar-Outfit. Und alles, was das Publikum sieht, sind die Auf- und Abläufe über eine quergestellte Treppe, was es hört, sind Applaus und Dialoge von der seitlichen Hinterbühne. Wir erleben also die nüchterne Realität hinter der Illusion des schillerndes Ex-Pärchens, das da in angespannter zwischenmenschlicher Stimmung seinen Bühnenjob verrichtet.
Nach der Show zieht sich Duval Rollschuhe an, die ihre jugendliche Befindlichkeit verstärken. Er solle nicht bleiben, meint sie. Sie findet aber den Weg nicht hinaus und stolpert ununterbrochen über Stühle. Als sie hinter der Bühne verschwindet, kommt er mit einem zu ihren Rollen passenden Scooter in gut ausgefüllter Unterhose daher, deren Inhalt sich aber wenig später als Banane offenbart. – Duval ist mit ihrem Busen also „echt“ sexy, er tut nur so. – Sie erscheint in einer unförmig riesigen Schaumstoff-Roboter-Polsterung mit eckigem Gesichtsausschnitt, sodass sie, wenn auch geschützt vor Prellungen, noch ungelenker herumkugelt. Jetzt ist seine Zeit gekommen, wo „er“ ihr Herr sein kann: er tritt und hüpft auf sie drauf. Sein Liebesbekenntnis über das Mikrofon danach hilft nichts, „ich vertraue dir nicht“, sagt sie. „Ich bin deshalb noch in der Show, weil ich dich liebe“, antwortet er, und das klingt echt echt. Das knappe, gefühlsmäßige Verpassen ihrer beider Bedürfnisse zeigt ihre Kleidung, die sie wechseln, wobei er aber erst dann ihren Stil und ihre Farben trägt, wenn sie sich schon wieder umgekleidet hat. „Komm, lass uns ins Burgtheater gehen“, sagt der routinierte Berrettini, um das Spiel mit der After-Show-Party endlich zu beenden. Aber eben diese Routine reicht der Duval nicht, sie erkennt: „Ich will stärker und Opfer zugleich sein. Du bist alt, ich bin jung.“ Das hört er aber nicht mehr, und vielleicht ist das auch besser für ihn.
Ich lese später nach, was „Claptrap“ eigentlich bedeutet: Es handelt sich dabei um einen kleinen, schreckhaften Spielkonsolen-Roboter in der Form eines Kastens mit einem Bildschirm als Auge.
Wegen eines Programmierungsfehlers quasselt er ununterbrochen, schlicht, weil er alles, was er denkt, aussprechen muss.
Von akuter Geltungssucht geplagt, hält er sich für den Größten, sodass sein Spieler, dem er die Türen öffnet, immer nur Untertan sein kann.
Verblüffender Weise ist er trotz seiner Ungelenkigkeit von einem Rad als Beine ein guter Tänzer: er steppt virtuos, seine Schwäche sind jedoch Treppen.
– Es zeugt doch für große Selbstironie und Distanzfähigkeit, sich als Frau mit so etwas charakterlich gleichzusetzen.
Und vielleicht ist Fräulein Duval ja in Wahrheit weniger weit von Berrettini entfernt, als sie glaubt.
Schön, dass sich Berrettini und Duval trotz ihrer gefühlsmäßig deklarierten Unvereinbarkeit am Ende mit lachenden Gesichtern verbeugt haben. Denn, was ist schon echte Liebe? – Hauptsache, man kann etwas Intensives miteinander schaffen. e.o.
DAS URTEIL MARION DUVAL IST IN IHRER WEIBLICHEN GEFÜHLSZERRISSENHEIT UND -ÜBERLADUNG AUSSERGEWÖHNLICH KOMISCH. MARCO BERRETTINIS KNAPP UND EXAKT PLATZIERTE POINTEN SIND ABER DIE HÖHERE KUNST. WEIL EIN PRINZIP DER KUNST DAS WEGLASSEN IST. – DENNOCH EINE ERFRISCHENDE, DA WAHRHAFTIGE BEZIEHUNGSKISTE INNERHALB DES IMPULSTANZ-PROGRAMMS.
THEATER - PERFORMANCE Claptrap * Konzept & Text: Marion
Duval * Performance: Marco Berrettini, Marion Duval * Künstlerische Mitarbeit: Louis
Bonard* Bühnenbild: Florian Leduc * Kostüm: Severine Besson * Dramaturgie: Adina
Secretan * Skulpturen: Djonam Saltani * Choreografie: Noémie Maton Dujardin *
Ort: Schauspielhaus Wien * Zeit: 3.8., 21h; 5.8.2016, 23h