Stimmt es, dass der höchste Punkt der Trio-Vereinigung in der Oper nur durch koitale Intensität entstehen kann?
Oder stimmt es, dass sich einer von den
Dreien dafür stets zum Hund unterwerfen und demütigen lassen muss?
„this stage is an ugly wired paradise“
25.7., gegen 22h15, im Akademietheater:
Was habe ich gelacht,
plötzlich befreit von schier unendlich großer, innerer Anspannung,
als der querste aller queeren Künstler,
Bulgare Ivo Dimchev,
ob seiner eigenen seelischen Verkrampftheit,
an die Rampe tappt,
und versucht,
das Keyboard hervorzuzerren,
das unter einer schwarzen Abdeckung am vorderen Bühnenrand
verborgen liegt.
plötzlich befreit von schier unendlich großer, innerer Anspannung,
als der querste aller queeren Künstler,
Bulgare Ivo Dimchev,
ob seiner eigenen seelischen Verkrampftheit,
an die Rampe tappt,
und versucht,
das Keyboard hervorzuzerren,
das unter einer schwarzen Abdeckung am vorderen Bühnenrand
verborgen liegt.
„with hard pain“
Dieser zögerliche Moment war keinesfalls geplant,
und doch hat ihn Dimchev zur eigenen Befreiung genutzt,
um stoßzornig auszurufen,
was ihn ununterbrochen bedrückt.
Jene helle Erlösung
war ausreichend,
um das gesamte restliche Stück,
mit Augenzwinkern zu betrachten.
„I´m partly forbidden in this country“
Denn die hysterische Leidensgeschichte Dimchevs,
worin er sich als unpassend „Widerlicher“ ständig selbst bemitleidet,
ist im Grunde nebensächlich;
seine Anklage,
als geschmacklos wie ein Sandler gekleideter Queerer
in der obligatorischen Dreierkonstellation
aus schönem, designer-weiß tragendem, selbstsicheren Bassbariton
und routinierter, samt-eleganter Soprandiva in Rot,
nervös und aggressiv wie ein Tier
nicht den vollwertigen, dritten Tenor-Teil auszumachen,
unbegründet.
Selbst wenn er diese emotionale
und seelische Überzeugung braucht,
um das zu schaffen,
was diese hohe Kunst ausmacht.
„The tragedies: being dead is political correct“
Hier „leidet“ und profitiert ein hochmusikalischer Künstler,
er offenbart die Oper als ein Genre, das
– bewiesenermaßen –,
musikalisch noch lange nicht erschlossen ist.
„whores and banks are friends with diseases, we prefer dirty dicks“
Da mag es die zeitgenössische (Geräusche-)Oper geben,
die Arien-Überlieferte mit ihren Klassikern;
wenn ein Dimchev
mit seinem exakt platzierten Halskraulen, Krächzen, Jammern, Jaulen,
vor Schmerz – wie ein Elefant – Trompeten
und Brüllen wie ein Löwe,
mit Pop-Rock-Zitaten der 70er-80er Jahre,
mit Jazz-Stoßwörtern in Kabuki-Atmosphäre,
mit taktgenauem Rapp,
anfängt, zu zeigen,
was klanglich im Opernarrangement schön ist,
ohne dem Bekannten anzugehören,
dann sorgt das für ein Aha-Erlebnis,
das vergessen macht,
in welchem Rahmen diese Musik stattfindet.
„somebody died in the back of the theater“
Dass sich diese drei
einander mit einer Fantasiesprache des Subtexts
konkurrierenden
und um gegenseitige Liebe gierenden Gesangskünstler
– auf Anstachelung Dimchevs –
untereinander
in sadomasochistischer Manier demütigen,
zum Hund degradieren,
und um die Vereinigung in koitaler Intensität betteln,
wobei aber stets einer das Nachsehen hat,
mag überzeichnet dem Bild der Realität entsprechen.
Und doch kommen Sänger nur an diese Spitzen heran,
wenn sie die grenzüberschreitende innere Tiefe anstreben,
wenn sie via Perücken-, Körperhaltungs- und Positionstausch
in den anderen hineinschlüpfen,
was sich hier allerdings nur auf den Körper Dimchevs bezieht.
Und das ist auch o.k., weil er jemand ist,
der die anderen beiden in ein neues Universum führen kann.
„there are too many pessimists in this country“
So entstehen die schönsten Duette und Trios
in eigener Musikalität
und körpergrafischer Anordnung.
Verzweifelte, um einander ringende Ausdrücke,
im Sinne der auf die Bühnenrückwand platzierten Gedanken,
„there´s only one person I love, it´s not you“
die immer wieder in akustisch wohlklingenden,
wundersamen Harmonien münden.
Die Oper ist eine Landschaft des Seelenschmerzes.
Da passt das zelebrierte Selbstmitleid
eines Nicht-Gesellschaftsfähigen
bestens dazu.
„we are social-democrats, we love prostitutes of all colours“
Traurig,
dass die Schönheit der Klänge am Ende vergeht,
wie der Wind,
den Dimchev im Finale zitiert,
denn der Verstand erinnert sich wohl an die Rührung
durch die verzückenden, unbekannten Melodien,
vergessen ist aber,
wie die Melodien waren.
„Sie sind“, tatsächlich, „die stummen Qualen eines sterbenden Windes“.
Und keine Kritik wird ihnen gerechter
als jene der sprachlichen Poesie. e.o.
DAS URTEIL IVO DIMCHEV IST MIT OPERVILLE DIE WEITERENTWICKLUNG SEINER MUSIKALISCHEN SPITZENWERKE LILI HANDEL, CONCERTO UND SONGS FROM MY SHOWS GELUNGEN. DAS LEIDENSSPEKTRUM DES GROTESKEN HYSTERIKERS BEGRÜNDET HIER DIE DIENENDE NEBENROLLE. DIE HAUPTROLLE ÜBERNIMMT SEIN UNKONVENTIONELL KOMBINATORISCHES GESPÜR FÜR MELODIEN, RHYTHMUS UND GRAFISCHE (KÖRPER)ARRANGEMENTS. DA IST DIMCHEV ERFINDUNGSREICH UND – WENN AUCH OBSTRUS – EXTREM FEIN.
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