Tuesday, October 12, 2010

KABARETT: NIVEAUVOLLERE POLITIKER IN "LASST KREISKY UND SEIN TEAM ARBEITEN!"


Die Siebziger waren eine Zeit der revolutionären Künstler (Arenabesetzung) und der emanzipierten Frauen (hier: Marco Maurer und Nina Tatzber), Sympathisanten der damaligen SPÖ ...

... doch hatte Bundeskanzler Kreisky zeitweilig nicht nur Sympathisanten (hier: Thomas Dapoz und Roman Straka) ...

... in einer Zeit, wo das von Peter Alexander (umwerfend: Roman Straka in der Mitte) besungene Kleine Beisl neben McDonald´s besteht, gibt es eben Gegensätze ...




... , die den revolutionären Roten aber gut taten. Nach dem haushochen Sieg der Partei SPÖ wurden die Parteigenossen mit der Zeit selbstgefällig, was ihnen bis heute schadet.




- Das läßt Helmut Zilk (grandios: Peter Paul Skrepek) erahnen, der seine persönliche Meinung über Bruno Kreisky preisgibt - in einer intellektuellen Art, wie sie im Niveau auch der legendäre Bundeskanzler pflegte. - Etwas, das es heute bei Parteibossen jedweder Couleur nicht mehr gibt. (Fotos © Palais Nowak, Jan Frankl)







PALAIS NOWAK IN "LASST KREISKY UND SEIN TEAM ARBEITEN!" ERFÄHRT MAN, WAS EINEN PERSÖNLICHKEITSSTARKEN POLITIKER AUSMACHT: SEINE SPRACHE.

Es sind die paar TV-Ausschnitte, im Kabarettmusical Lasst Kreisky und sein Team arbeiten!, die selbst für Nach-Siebzig-Geborene erahnen lassen, was für eine souveräne Persönlichkeit Bruno Kreisky gewesen sein muss. Da hat ein FPÖ-Mann Heinz-Christian Strache durchaus recht, wenn er in einer seiner Freiluft-Wahlreden kurz vor der Wiener Gemeinderatswahl mit Kreisky und Helmut Zilk von den letzten SPÖ-Persönlichkeiten schwärmt. - Vom Altbürgermeister kann man das am Kabarettabend übrigens behaupten, weil ihn der Zilk-Darsteller Nummer 1, Peter Paul Skrepek, philosophisch durchtränkt zur Geltung bringt. Kreisky und Zilk eint hier eine Sprache, die eine intellektuelle ist, und von deren Niveau man heute kaum glauben kann, dass es jemals vermochte, Massen zu gewinnen. Heutige Politiker (und auch TV-Medien) glauben, jene nur noch mit der Vorstadtwirtshaussprache überzeugen zu können, indem sie ein abwertendes Bild von der überwiegend vertretenen Arbeiter- und Mittelklasse zu haben scheinen und die gebildeten Menschen überhaupt vergessen. - Oder aber: der Alltagston des Wiener Bürgertums ist tatsächlich so tief gesunken, dass es gar nichts anderes mehr versteht (einschließlich der vielen Ausländer, die kein richtiges Deutsch sprechen). In der Politik wie in der Werbung regiert ja bekanntlich der Grundsatz: "Sprich die Sprache deines Adressaten!".

Kreisky sprach seine Sprache, nicht jene der Gesellschaft

Im besagten Kabarett wird allerdings dann doch deutlich, dass der Ton, den ein Politiker (sprich Bruno Kreisky) früher wählte, einer subjektiven Entscheidung unterlag (oder einfach dem eigenen Ich entsprach), während die Gesellschaft, in der er (Bruno Kreisky) sich befand, eine vielfältige war, voller niederer und hoher Modeströmungen. Gerade die krassen Gegensätze sind es, die das Paradoxon eines komplett widersprüchlichen und damit äußerst kreativen Jahrzehnts aufdecken, was wiederum den Unterhaltungswert des Kabarettstücks von Fritz Schindlecker und Albert Schmidleitner mit einem Beitrag von Peter Paul Skrepek ausmacht. Und ginge die inhaltliche Abfolge in Wort und getanzten Musiknummern nicht so rasant und pop-entschärft schnell, dann wäre das eine richtig böse Satire geworden.

Frauenemanzipation und Burschenschaften

Ein wiederkehrendes Thema ist die Frauenemanzipation, die vor allem den ersten Teil bis zur Pause bestimmt, wobei die Emanzipation von langhaarigen, intellektuellen Frauen wie Elfriede Jelinek, die eine Bundeskanzlerin nach 2000 (allerdings in Deutschland) voraussagen, letztlich von der Menstruation vereitelt wird. Auf der Männerseite taucht indessen während der Arena-Besetzung eine Gerhild auf, die sich als ehemaliger Gerhard entpuppt. Und im lustig frauengetanzten Alice-Song ruft eine Männerriege dazwischen: "Who the fuck is Alice?" - Gemeint ist Alice Schwarzer. Unterdesssen wird später auf Gesellschaftsebene neben den Bravo-Lesern eine schwangere Schülerin beleuchtet, die im sechsten Monat im Beisein ihrer provinziellen Eltern den ersten Aufklärungsunterricht besucht. Zwei Grafikern ist es dann erlaubt, im Zuge der Sozis-entschärften öffentlichen Pornografie, den blanken Busen auf Fotos zu belassen, während das Zumpferl aber übermalt werden muss. Und in diesem Kontext eröffnet sich noch das heutige Integrationproblem: nämlich als Anliegen der Arbeiter und Bauern, die gerne eine viersprachige Ortstafel hätten. Doch wer sollte das (damals) beschriften? - Frauen, natürlich.

Wiener Gemütlichkeit und Hanf-Intellektuelle

Auch Wirtschafts- und Gesinnungsthemen kommen nicht zu kurz: Neben Bankenkrisenanspielung und Ökodebatten (Autofreier Tag, Atomkraftwerk Zwentendorf) wird das Modewort der heutigen "Weltverschwörung" eingestreut, wobei jedoch die amerikanischen Ölbetreiber, die Kameltreiber und die sozialistischen Verkehrsbetriebe sowieso unter einer Decke stecken würden. Progressive Akademiker-Kiffer schwärmen unter RAF-Einfluß vom Hanfanbau im Weinviertel, denen burschenschaftige CV-Studenten im Girlie-Jazztanz entgegen halten wollen - eine wirklich gelungene Passage! Die allerbeste Nummer gibt dann aber der Peter-Alexander-Interpret Roman Straka mit einer Text-Abwandlung des Kleinen Beisls in unserer Straße, wo am Stammtisch gegen Ausländer gehetzt und am Klo gekotzt wird. - Das schildert das Bild von der "Wiener Gemütlichkeit" schlechthin. Zum "Ausgleich" derselben kommt Fastfooder McDonald´s auf, aufgetischt von einer Cheerleader-Girlie-Group. - Das ist zum Schreien.

Solche Eindrücke sind es, die dem Zuschauer bewußt in Erinnerung bleiben, weil sich die Regie von Victoria Schubert und die Choreographie von Cedric Lee Bradley von den vielen zum Teil ergänzten 80-er Popnummern (u.a. Highway to Hell, A Glockn, Da Hofer, Bobby Brown) unter der musikalischen Leitung von Erwin Bader treiben lassen, sodass auch die musicalgeschulten Sänger und Tänzer zwar eine sehr professionelle Ensembleleistung hinlegen, aber kaum persönlich herausragen.

Ein skrepekscher Zilk für Geist und Nachhaltigkeit

Umso auffälliger sticht am Ende Helmut Zilk (Peter Paul Skrepek) hervor, der dem Ganzen einen autoritätsstarken, zehnminütigen Nachhalt verleiht. Und das aber, ohne sich selbst zu kurz zu kommen, denn Helmut Zilk geht bekanntlich von seiner Person und seinem Redefluß nie ab, selbst wenn er schon gestorben ist. Das Fegefeuer sitzt ihm deshalb auf den Fersen. (Skrepek tritt hier als Zilk erstmals seit dessen Tod 2008 auf.) - Er resümiert über die Vor- und Nachteile des Agnostikers und leicht überheblich-charmanten Kreiskys, ohne wirklich zu werten und zu vergessen, ab und zu in den wortspielerischen und überraschenden Nonsense abzutriften. Die Lacher sitzen so gezielt und tief, dass sich manch einer persönlich angesprochen fühlt (weil ihn Zilk wirklich anspricht) ...
Wir vergessen am Ende dennoch nicht, die Quintessenz des Stücks heraus zu lesen: dass die Roten ab der Spitze ihres Erfolgs zu eitlen und selbstgefälligen Genossen geworden sind, wo sie doch einst "Children of the Revolution" sein wollten - das Lied, mit dem der Abend beschwingt und doch zynisch ausklingt. e.o.


DAS URTEIL HINTER EINEM RASANT SCHNELLEN MUSIKNUMMERNABLAUF VERSTECKEN SICH BITTERBÖSE TEXTE ÜBER DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT UND IHRE POLITIK. - EIN ZILK BRINGT DAS AM ENDE INS BEWUSSTSEIN. EIN RUNDER ABEND, ZUM AUFWACHEN, WENN MAN WILL, AUF JEDEN FALL ABER ZUM LACHEN.

KABARETTMUSICAL Lasst Kreisky und sein Team arbeiten! * Regie: Victoria Schubert * Musik: Erwin Bader * Choreografie: Cedric Lee Bradley * Buch: Fritz Schindlecker, Albert Schmidleitner, Peter Paul Skrepek (Zilk-Part) * Mit: Wilbirg Helml, Doris Hindiniger, Georg M. Leskovich, Kudra Owens, Ariane Swoboda, Nina Tatzber, Thomas Dapoz, Roman Frankl, Marco Maurer, Peter Paul Skrepek, Roman Straka * Ort: Palais Nowak beim Gasometer * Zeit: fast täglich von 5.10.2010 - 2.3.2011, 19h30 * link: www.palaisnowak.at