Für die Kicks des Abends sorgte
einerseits Peter Paul Skrepek, der auf diversen Dujmic-Gitarren seine exakte
und sensible Arbeitsweise unter Beweis stellte ...
... aber auch Harry Sokal zeigte, dass
ein Saxofon so manchem massenmedialen Pop-Song zum niveauvollen Großstadtsound
verhelfen kann.
Der raffiniert-subtile Bassist Mischa
Krausz (hinten) komponierte mit Dealing With Love einen zeitlos schönen Blues,
wo jeder Musiker gefordert ist. Alexis Dujmic (vorne) hatte als E-Gitarrist
mehr Glanzmomente als in seinen Gesangseinlagen.
Umwerfend: Meena Cryle als Interpretin
von John Fogertys Long As I Can See The Light.
Umwerfend: Lukas Resetarits als theatraler Blues-Sänger.
Bühnentalent: Marty Pi ist nicht nur ein stilsicherer Sänger, er schafft es auch, eine Stimmung ins Publikum zu transportieren.
So gelangen Gefühle und Klänge von der Bühne zu den
Zuschauern. (Fotos © Dietmar Lipkovich)
STADTSAAL ZUM 25. TODESTAG HANSI DUJMICS SPIELTEN DESSEN WIEDER AUFERWECKTE BAND CHAOS DE LUXE – RELOADED (1982) MIT SÄNGER MARTY PI (seit 2012), MITGLIEDER DER HANSI-DUJMIC-BAND (1985-87) WIE PETER PAUL SKREPEK, HARRY SOKAL, BERNHARD RABITSCH, SOWIE MUSIKERFREUND LUKAS RESETARITS UND DIE ALEXIS DUJMIC BAND
Man kann sich schon verlieren, in so einem Leben, wie von
Hansi Dujmic. Wenn man nachhört, in seinen Liedern. In Nachtschattengewächse
auf youtubes Musik-unterlegtem Bilderbuch etwa, sieht man einen jungen, hageren
Peter Paul Skrepek an der E-Gitarre, einen blonden, braven Bernhard Rabitsch an
der Trompete, während Hansi Dujmic vorne singt: „Und sollte Begabung Strafe
sein, so warst du über alle Maßen bestraft. Die Besten gehen meistens als
erstes, ganz still und unverhofft“. Das stilsichere, immer aggressiver und
höher dem Kollaps zuspitzende Gitarrenspiel Skrepeks und Dujmics bestärkt den Sinn dieses
Gedankens der Verzweiflung, und Skrepek spielt jetzt wieder, an diesem Abend, Chaos de
Luxe – reloaded, Hansi Dujmic, Konzert zum 25. Todestag. Und rechts steht wieder
Bernhard Rabitsch als Chorsänger und Bläser, bescheiden im Hintergrund, so wie
er ist.
Gelungene Reminiszenz an die 80er Jahre
Die Reminiszenz an den Musiker Dujmic und seine Lieder und Vorlieben in
diversen Band-Formationen ist es daher nicht allein, wofür man sich heute und
hier interessiert, auch wenn sie andauernd droht, sich alle Aufmerksamkeit
einzuverleiben. Sie ruft schon mit ausgedehntem, bedrohlichem
Science-Fiction-Dröhnsound den Beginn des Konzerts ein, als die Leute herein
strömen. Und es strömen viele. Es ist so gut wie voll im Stadtsaal der Wiener
Mariahilfer Straße, der eigentlich ein Kabarett-Etablissement ist. In dieser
akustischen Chaos de Luxe-Eröffnung - der Name Dujmics früher Band -, die
hörbar an den offensichtlichen Arcade-Abknall-Computer-Spiel-Namensgeber Deluxe Space Invaders (1979) erinnert, geben die Nummern Space Invaders, Check
Us Out und Times On Highspeed aus den Jahren 1982 den Konzertauftakt. Und so
befremdend künstlich insbesondere die „billigen“ Synthesizer-Klänge im
typischen, rasanten Rhythmus und alles verschluckenden Kosmos-Sound - anfangs
klingen, so wenig kann man sich ihnen entziehen. Besonders jene, die die frühen
80er Jahre erlebt haben, wo Computer noch mit Weltall, und Weltall mit
Gutmensch-Polizisten, und Polizisten mit der Rettung vor den Außerirdischen und
der Umkehrung von beidem gleichgesetzt wurde. Das Siegerzitat des Arcade-Spiels
lautet ja auch am Ende: „Well done earthling, this time you win.“ Aber auch
andere können diesem Stil neuerdings etwas abgewinnen, wie zum Beispiel die
Fernsehzeitschrift tv-media, die nach Jahren der Abwertung mit nur zwei
Punkten, also „Okay“ des US-Thrillers Gnadenlos aus dem Jahr 1986, am
13.4.2013 demselben Film mit Richard Gere und Kim Basinger plötzlich drei
Punkte, also „Sehr gut“, verleiht, und zwar mit den Worten: „Optik, Musik,
Frisuren: Hier ist alles total 80er. Wem das nicht auf die Nerven geht, der
wird tadellos unterhalten.“ Im wahrsten Sinne des Wortes glorifizierte man in dieser
Zeit nämlich trotz aller Künstlichkeit einen erdigen Outlaw-Heroen, ja, der
Polizist war ein Outlaw und selbstlos visionär von der Bekämpfung des Bösen besessen.
Das Visionäre unterstreicht die pseudofuturistische Musik. Ohne den Synthesizer-Klang
wäre der Beginn dieses Abends allerdings auch so erdig genug, dass man ihn heute noch ohne Wenn-und-aber anhören mag. – Was aber noch nicht heißt, dass
die Musik der Band insgesamt nicht erstklassig auferweckt wäre. Denn nur, weil
die Leute da auf der Bühne – Bassist Mischa Krausz, Keyboarder Robert Kastler,
Schlagzeuger Alex Munkas, Gitarrist Peter Paul Skrepek, Background-Sänger
Bernhard Rabitsch und Lead-Sänger Marty Pi - so gut, sprich exakt, spielen und
singen, fällt man ja begeistert in die Zeit der 80er hinein.
Highlights für die Analen der Musikgeschichte
Eindeutig zwiespältig sitzt man dafür dem Popsong Kum wieder ham in Wiener Mundart gegenüber, wo das Keyboard diesmal eigenartige Panflötenklänge als Happy-Orgeltöne verkleidet. Naja, alles muss ja nicht Musikgeschichte schreiben. Dafür in die Analen eingehen könnte der komplexe Jazz-Blues Dealing With Love, geschrieben von Mischa Krausz für Chaos de Luxe und den Film Artischocke, mit großartigem Skrepek-E-Gitarren-Solo und auch allen anderen, einzeln hörbaren, Künstlichkeit-freien Instrumenten. Spätestens beim folgenden Irgendwann setzt sich nun Marty Pi als neuer „Frontman“ durch, der mit Skrepeks klarer, schnell gespielter Gitarre ein schönes Duett abgibt. Mit Bernhard Rabitschs Flügelhorn gewinnt das Lied gegen Ende an eleganter Leichtigkeit. Der zweite Ewigkeitshit ist Jano, ebenfalls Artischocke-Filmmusik, allerdings geschrieben von Hansi Dujmic, ein instrumentales Rock-Epos mit Hansi Dujmics Neffen, Alexis Dujmic, an der (etwas verstimmten) Lead-E-Gitarre, der weniger lyrisch als Skrepek spielt, dafür mit einem Motorradmaschinenklang gemischt mit einer lässigen Unverfrorenheit in der Greiftechnik zu verführen versteht. - Die Besonderheit des Abends scheinen überhaupt die E-Gitarren als Instrumente zu sein, die allesamt von Hansi Dujmic selbst stammen und zum Teil restauriert wurden, einem sichtlichen Qualitätskenner. - Leider hat Robert Kastler am platt-auftrumpfenden Keyboard jedoch wieder diesen unangenehmen Klang eingestellt, der gewöhnungsbedürftig ist und in unsere Zeiten übertragen gehört.
Nach einem bunten Redner-Karussell zwischen den Liedern, wo Peter
Paul Skrepek für Witz und Unterhaltung, Mischa Krausz für die bandhistorischen
Schilderungen und Alexis Dujmic für familiäre Anekdoten sorgt, versteht es
Marty Pi, zu einer gewissen Stimmungs-Verinnerlichung vorzudringen, indem er
aus den Texten der Lieder heraus spricht. Dementsprechend botschaftsbetont und
bewegend singt er das sich darauf beziehende In Frieden leben, wozu der ganze
Saal einstimmt und Alexis Dujmic den kontraststarken Dialogpart an der E-Gitarre
gibt.
Showacts an der Unglaublichkeitsgrenze
Der zweite Teil des Abends beginnt im Gegensatz zum Konzertbeginn mit dem sensiblen, mit Kollaps-Abrutschern versehenen, sich in Wiederholungsmustern wieder aufbäumenden E-Gitarrensolo Skrepeks Just Let Me Play My Guitar, wohl ein Jimi-Hendrix-Zitat, weil der Gitarrist danach John Fogerty und seine Band CCR (Creedence Clearwater Revival) erwähnt, und die beiden Musiker oft in einem Atemzug genannt werden, wobei Hendrix als Gott außergewöhnlicher Rockgitarrentechnik, der gitarrespielende Fogerty als göttlicher Sänger und Komponist gehandelt wird. Außerdem soll es Hansi Dujmic geschafft haben, den Country-Rock Fogertys täuschend ähnlich nachzuahmen, und seine Gitarre nach einem Gig wie Hendrix zu zerschlagen (die dann wieder zusammen geflickt und gerade eben von Skrepek gespielt wurde). Eine österreichische „Fogerty“ des Blues ist die Amadeus-Award-nominierte Meena Cryle, die dessen Song Long As I Can See The Light daraufhin so atemberaubend singt, als höre man gerade eine perfekt gemischte, schwarze Melissa Etheridge im US-Radio. Darauf stimmt noch Jazz-Saxofon-Legende Harry Sokal ein, im Duett mit der Trompete Rabitschs, sodass das Konzert erstmals die Unglaublichkeitsgrenze erreicht. Für solche Momente geht man auf Konzerte. Da gibt es keine bewusste Zeitzuschreibung mehr, weil solche Musik zeitlos ist und bleibt. Gehalten wird dieses Niveau auch noch danach, als Kabarettstar Lukas Resetarits auftritt. Und jeder, der ihn als „singenden“ Kottan, der ja nur imitierte, kannte und sich wünschte, dass er doch echt sänge, wird hier in seinen Träumen erreicht: Lukas Resetarits ist tatsächlich ein einnehmend guter Sänger, wahrscheinlich sogar mit einer schöneren Stimme als sein Bruder „Ostbahn Kurti“. Er singt Randy Newmans Guilty mit theatraler Tragkraft, zu Kastlers diesmal angenehm klavier-eingestelltem, locker gespieltem Keyboard und tollem Bläser-Background. Und bevor er Riot In Cell Block No9 von Dr. Feelgood, Elvis und später The Blues Brothers singt, verbreitet er einen Schmäh, der so sitzt, wie man es sich von einem Theaterprofi erwartet. Im Lied selbst singt dann auch sichtlich der Schauspieler Resetarits in verstellter tiefer Stimmlage vor mehrstimmigem Background-Chor und Bläsern im hochprofessionellen Rockorchester.
Großes Potential, aber inkonsequent: Alexis Dujmic
Sternental ist das extreme Gegenteil davon, ein berührendes, klanglich in der Zweistimmigkeit ungewöhnlich schönes Akustik-Gitarren-Duett zwischen Skrepek und Dujmic, wo Zweiter auch als Sänger an Marty Pi heran reicht, wobei Dujmic an sich ja das vielfältigere Stimm- und Betonungsspektrum auf Lager hat. Man könnte insofern von den beiden vergleichend als Interpreten auf der Bühne sagen, dass Dujmic der Mann der leisen Töne ist (was ihm im Radio zugute kommt), während Pi in den Lauten und in der Bühnenpräsenz brilliert. Das wird endgültig klar, als Dujmic in der Folge mit seiner eigenen Band auftritt – im Einzelnen mit einem energievolleren Peter Barborik als Munkas am Schlagzeug, mit Bassist Robert Noebauer und Bernhard Käferböck am nach Kastlers Tonwahl erholsamen Akkordeon-, Klavier- und Orgelsound, lauter gute Musiker. Nachtschattengewächse, Aszendenten und Sun Of My Days klingen trotz momentweise tollen Gitarrensolos Dujmics wie von einer ausbaufähigen Amateurband, die sich in Sachen Timing-Exaktheit im Zusammenspiel und im Laut-Leise-Spannungsaufbau an den zuvor aufgetretenen Profis orientieren sollte. Vieles klang regelrecht falsch, seien es Töne des Sängers, als auch der Musiker. So hört man irgendwann nicht mehr zu. Eine musikalische Katastrophe ist schließlich das von Drina Dujmic gesungene Don´t Let Them Stop The Music Now, der älteren Schwester von Hansi und Mutter von Alexis Dujmic. Sie bekommt trotzdem einen auf Sentimentalität beruhenden Höflichkeitsapplaus, den sichtlich Familienmitglieder und Freunde hochtreiben. Nur das bekannte Die Freiheit, Original-arrangiert von Christian Kolonovits und für dieses Konzert neu instrumentiert und adaptiert von Peter Paul Skrepek, schafft es in dieser Band, bühnentragfähig zu sein, wahrscheinlich weil Saxofonist Harry Sokal mitspielt und weil Dujmics an sich schöne Stimme zum Text passt, sie ihm "glaubt". Aufrecht mit tollem Sokal-Solo, 1985 für die Plattenaufnahme von Mischa Krausz / Peter Paul Skrepek und für die Hansi-Dujmic-Band von Peter Paul Skrepek allein arrangiert, ist in Marty Pis Worten "Hansi Dujmics letztes Aufbäumen, seine Rebellion, gegen das Verkauft-Werden", weshalb das wohl beide Sänger - offensichtlich nicht geprobt und deshalb auch nicht besonders gut - zusammen vorführen.
Eine Zugabe für die Musikfans, eine für die Seifenoper-Voyeure
Das von allen Musikern und Sängern performte Ausgeliefert, überzeugend und einfühlsam gesungen von Dujmic, wird als erste Zugabe – besonders auch wegen des sonst nicht bekannten Details von einem Großstadt-Saxofon-Klang Harry Sokals – zum vollen Erfolg. Zuletzt kommt noch mal ein „Zigeunerfest-Auftritt“ der ganzen Dujmic-Familie bei Don´t Say No, sprich mit den Töchtern von Alexis Dujmic – naja, die Mädchen können zumindest fast durchgehend richtig und hoch singen. Darin haben sich ein paar Profis wie Sokal, Skrepek, Krausz, etc. verirrt. Aber: schließlich sind ja auch sie mitfühlende Menschen, und das sollte doch auch eine Art Familienfest werden. Sieht man außerdem den ganzen Abend als eine dieser gängigen TV-Seifenopern oder Casting-Shows mit Menschenschicksalen und Faszinationen, dann passen die musikalischen Hochs und Tiefs (die für ein paar Insider wieder emotionale Hochs bedeuten) auch zusammen. Sollte es ein Dacapo geben, wäre dem Musikfreund die ausschließliche Konzentration auf die Hochs aber lieber. Denn schließlich war ja auch Hansi Dujmic ein Profi, den man genau deshalb verehrte. e.o.
DAS URTEIL LANGWEILIG WAR´S NICHT, DIESES
HANSI-DUJMIC-TODESTAGSKONZERT. EIN SHOWACT EBEN, MIT EINIGEN HÖHENFLÜGEN UND
LEIDER AUCH MIT EIN PAAR PEINLICHKEITEN. DIE MEISTER UNTER DIESEN MUSIKERN
ERKENNT MAN AN IHRER KONSEQUENTEN GENAUIGKEIT, DIE SICH ALS GEFÜHLVOLLE
LEICHTIGKEIT TARNT.
2 comments:
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