Das Theater an der Wien war offensichtlich so "stolz" auf die altmodische Inszenierung des Mariinsky Theaters, dass es die Fotos von Der Spieler superklein vergab bzw. zurück hielt (Foto: © Theater/Wien)
THEATER AN DER WIEN VALERY GERGIEV MIT DEM RUSSISCHEN MARIINSKY THEATER UND ORCHESTER IN WIEN ZU GAST - SIE SPIELTEN UNTER DER REGIE VON TEMUR TSCHCHEIDZE PROKOFJEWS DER SPIELER - ZWISCHEN KLISCHEE UND STUMMFILMKULT
Unlängst, im Theater an der Wien, konnte man erfahren, was den Wert des Klischees ausmacht. Dieses Klischee ist in Einzelfällen als Qualität zu verkaufen. Ganz besonders das russische Klischee, das selbstverständlich vom vorigen Jahrhundert herrühren muss. Mit dem Gastspiel des Mariinsky Theaters St. Petersburg Der Spieler nach der gleichnamigen Erzählung von Fjodor M. Dostojewski wird man ins dramatische Schauspielpathos überbordender Mimik und Gestik in depressiv-schwarzer Leidenschaftsoptik versetzt. Das erinnert automatisch an Sergej Eisensteins Stumm- und ersten Sprechfilme Alexander Newski (1938) und Iwan der Schreckliche (1944), die die heute konnotierte "kommunistisch-russische" Propaganda-Theatralität nicht zuletzt wegen Sergej Prokofjews Filmmusik erhielten. Dem gleichen Komponisten wie von der Oper Der Spieler. Da dieser nun auch noch das russische Ballett (etwa mit dem grandiosen Romeo und Julia) maßgeblich prägte, kommt man nicht umhin, weitere Querverbindungen zum derzeit in Österreichs Staatsoper residierenden, "russischen" Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper zu ziehen. - Zuletzt erlebte es mit Tschaikowskys Der Nussknacker, beim Versuch den Russenstil zu "modernisieren", seinen Tiefpunkt. - Insofern: Besser alles total russisch, in russischer Sprache, in hundert Jahre altem Russen-Klischee, als ein verworrenes Mischmasch, das Leute (Ballettdirektor Gyula Harangozo) produzieren, die in ihrem tiefen Inneren keinerlei Sinn für die Moderne haben. - Dann haben wir eben ganz offiziell Russisches Ballett in Wien - wird den österreichischen Staatsherren ja sicher entgegen kommen beim Geschäfte aushandeln, nicht?! Und den Russen in Wien wird´s auch gefallen, von denen es ganz viele zu geben scheint, denn Der Spieler sorgte auch am dritten Tag für ein bummvolles Theater an der Wien; es war - trotz katastrophaler österrreichischer Kritiken - "russisch" ausverkauft!
"Echte" Russen am Pult und auf der Bühne
Mit ein Grund für den "Hit-Faktor" mag Dirigent Valery Gergiev sein, der mit zerzaust schwarzem Haar, dämonischer Körperbehaarung, dunklen Glutaugen nicht nur äußerlich genau "dem Russen" entspricht, den sich der (Österreich)tourist in seinen Klischeeaugen erträumt, sondern auch im Dirigatstil, indem er bei ungestümer Artikulation und wildem Blick zum despotischen Helden in den sibirisch-kasachischen Ohnmachtsfantasien gelangweilter (österreichischer) Hausfrauen aufsteigt. Man/Frau kommt in diesem Fall ja sowieso nur wegen der Musik in die Oper. Die beginnt auch gleich mit einem gehörigen Wirbel, mit großem orgiastischem Gebläse, sie tanzt sich im schnellen Wechsel betrunken und wahnsinnig rhythmisch von Melancholie in blitzschnelle Raserei und endet doch wieder in undefinierbar-geheimnisvoller Lustigkeit, sodass ihr wahrer Gefühlsausdruck (ohne Dialog) nie festzumachen ist; sie reißt einfach von einer Unruhe zur anderen, stets doppeldeutig, in fantastisch-schwindeliger Fülle und erinnert wiederholt an die berühmte Musikstelle im Film Der weiße Hai (wenn der gefährliche Hai kommt).
Denn auf der gleich bleibenden, lediglich durch Rolos variierten, düsteren Bühne geht es um Schein und Scheinheiligkeit der gehobenen russischen Bourgeousie, die der "gefährlichen" Spielsucht verfallen ist und deshalb an nichts anderes denkt als "wie" an das Erbe und Geld der reichen Verwandtschaft zu kommen, genau genommen, der Großmutter (Ljubow Sokolowa - für unsere Verhältnisse "im Rollstuhl" und "im Hamlet-Make-up" und "in üppigem Mimenspiel" reif für den Bauernschwank; für russische Verhältnisse: Riesen-Applaus-würdig), die jede Falschheit verabscheut und prinzipiell jedem mißtraut. Der "Spieler", Alexej (Wladimir Galuzin - für unsere Verhältnisse mit zerrissen-rastlosem, vollem Timbre ein richtiges Ost-Mannsbild ohne lyrische Sensibilität, also fast ein "Iwan der Schreckliche"; für Russische: ein Riesen-Star), ist zunächst noch die Hoffnungsfigur, die für die Liebe sein gewonnenes Geld hergeben will. Doch nachdem selbst die Oma ihr Bares verspielt hat, ist auch Alexej dem Spieltrieb hoffnungslos erlegen. - Im dritten und vierten Akt gewinnen alle Figuren - mit der größeren Klarheit des Musikausdrucks - an Profil, die Liebesaufgabe des Helden zugunsten des Geldes bliebe ohne Libretto allerdings unerkannt. - Insgesamt ein spürbarer Routine-Akt des Ensembles, einschließlich des Dirigenten; aber wie gesagt, besser so, als modern-alt-vernudelt. e.o. / r.r.
Unlängst, im Theater an der Wien, konnte man erfahren, was den Wert des Klischees ausmacht. Dieses Klischee ist in Einzelfällen als Qualität zu verkaufen. Ganz besonders das russische Klischee, das selbstverständlich vom vorigen Jahrhundert herrühren muss. Mit dem Gastspiel des Mariinsky Theaters St. Petersburg Der Spieler nach der gleichnamigen Erzählung von Fjodor M. Dostojewski wird man ins dramatische Schauspielpathos überbordender Mimik und Gestik in depressiv-schwarzer Leidenschaftsoptik versetzt. Das erinnert automatisch an Sergej Eisensteins Stumm- und ersten Sprechfilme Alexander Newski (1938) und Iwan der Schreckliche (1944), die die heute konnotierte "kommunistisch-russische" Propaganda-Theatralität nicht zuletzt wegen Sergej Prokofjews Filmmusik erhielten. Dem gleichen Komponisten wie von der Oper Der Spieler. Da dieser nun auch noch das russische Ballett (etwa mit dem grandiosen Romeo und Julia) maßgeblich prägte, kommt man nicht umhin, weitere Querverbindungen zum derzeit in Österreichs Staatsoper residierenden, "russischen" Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper zu ziehen. - Zuletzt erlebte es mit Tschaikowskys Der Nussknacker, beim Versuch den Russenstil zu "modernisieren", seinen Tiefpunkt. - Insofern: Besser alles total russisch, in russischer Sprache, in hundert Jahre altem Russen-Klischee, als ein verworrenes Mischmasch, das Leute (Ballettdirektor Gyula Harangozo) produzieren, die in ihrem tiefen Inneren keinerlei Sinn für die Moderne haben. - Dann haben wir eben ganz offiziell Russisches Ballett in Wien - wird den österreichischen Staatsherren ja sicher entgegen kommen beim Geschäfte aushandeln, nicht?! Und den Russen in Wien wird´s auch gefallen, von denen es ganz viele zu geben scheint, denn Der Spieler sorgte auch am dritten Tag für ein bummvolles Theater an der Wien; es war - trotz katastrophaler österrreichischer Kritiken - "russisch" ausverkauft!
"Echte" Russen am Pult und auf der Bühne
Mit ein Grund für den "Hit-Faktor" mag Dirigent Valery Gergiev sein, der mit zerzaust schwarzem Haar, dämonischer Körperbehaarung, dunklen Glutaugen nicht nur äußerlich genau "dem Russen" entspricht, den sich der (Österreich)tourist in seinen Klischeeaugen erträumt, sondern auch im Dirigatstil, indem er bei ungestümer Artikulation und wildem Blick zum despotischen Helden in den sibirisch-kasachischen Ohnmachtsfantasien gelangweilter (österreichischer) Hausfrauen aufsteigt. Man/Frau kommt in diesem Fall ja sowieso nur wegen der Musik in die Oper. Die beginnt auch gleich mit einem gehörigen Wirbel, mit großem orgiastischem Gebläse, sie tanzt sich im schnellen Wechsel betrunken und wahnsinnig rhythmisch von Melancholie in blitzschnelle Raserei und endet doch wieder in undefinierbar-geheimnisvoller Lustigkeit, sodass ihr wahrer Gefühlsausdruck (ohne Dialog) nie festzumachen ist; sie reißt einfach von einer Unruhe zur anderen, stets doppeldeutig, in fantastisch-schwindeliger Fülle und erinnert wiederholt an die berühmte Musikstelle im Film Der weiße Hai (wenn der gefährliche Hai kommt).
Denn auf der gleich bleibenden, lediglich durch Rolos variierten, düsteren Bühne geht es um Schein und Scheinheiligkeit der gehobenen russischen Bourgeousie, die der "gefährlichen" Spielsucht verfallen ist und deshalb an nichts anderes denkt als "wie" an das Erbe und Geld der reichen Verwandtschaft zu kommen, genau genommen, der Großmutter (Ljubow Sokolowa - für unsere Verhältnisse "im Rollstuhl" und "im Hamlet-Make-up" und "in üppigem Mimenspiel" reif für den Bauernschwank; für russische Verhältnisse: Riesen-Applaus-würdig), die jede Falschheit verabscheut und prinzipiell jedem mißtraut. Der "Spieler", Alexej (Wladimir Galuzin - für unsere Verhältnisse mit zerrissen-rastlosem, vollem Timbre ein richtiges Ost-Mannsbild ohne lyrische Sensibilität, also fast ein "Iwan der Schreckliche"; für Russische: ein Riesen-Star), ist zunächst noch die Hoffnungsfigur, die für die Liebe sein gewonnenes Geld hergeben will. Doch nachdem selbst die Oma ihr Bares verspielt hat, ist auch Alexej dem Spieltrieb hoffnungslos erlegen. - Im dritten und vierten Akt gewinnen alle Figuren - mit der größeren Klarheit des Musikausdrucks - an Profil, die Liebesaufgabe des Helden zugunsten des Geldes bliebe ohne Libretto allerdings unerkannt. - Insgesamt ein spürbarer Routine-Akt des Ensembles, einschließlich des Dirigenten; aber wie gesagt, besser so, als modern-alt-vernudelt. e.o. / r.r.
DAS URTEIL EIN RUSSISCHES GASTSPIEL, DAS JEDE TOURISTISCHE ERWARTUNG ERFÜLLT - WENN MAN DIE WIENER IN WIEN ALS TOURISTEN BEZEICHNET. PROKOFJEW ALS OPER RUSSISCH ZU HÖREN UND ZU SEHEN, IST ENTWEDER ALTMODISCH ODER HISTORISCHER KULT Á LA SERGEJ EISENSTEIN.
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