Und liebt das schlaue Füchslein die Frau im Fuchs oder die in ihm äquivalente Natur von Freiheit seiner selbst? - Eine Frage des Penisneids. (Fotos: © Christian Husar)
KAMMEROPER WIEN LEOS JANACEKS DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN ERLEBT IN DER FASSUNG VON JONATHAN DOVE UND VON PETER PAWLIK EINE JÄHE ERNÜCHTERUNG
Wenn unüberwundener Penisneid bei einer Frau und - das von uns ab sofort eingeführte Äquivalent - "verbliebener Scheidenneid" beim Mann, zusammen treffen, dann kommen die beiden bestimmt nicht zusammen. - Weil sie sich schätzungsweise mit demselben Geschlecht identifizieren und mehr oder weniger homosexuell sein werden. So besagt es zumindest die Psychoanalyse Sigmund Freuds. Im Erklärungsraffer hieße das also: das erste sexuelle Begehren der Mutter seitens Sohnemann und des Vaters seitens Tochterfrau, sollte gesundenfalls so bewältigt werden, dass der Junge mit der Phase des "Scheidenneids" seinen Penis in das weibliche Geschlecht stecken, das Mädchen mit der Phase des Penisneids das männliche Geschlecht in ihrer Scheide aufnehmen will - und zwar bei einer anderen Person als bei Mutter bzw. von Vater. Dann erst wären Mann und Frau sexuell erwachsen, sprich ausgereift potent! Andernfalls träfe bei ihnen der Ödipus- (bzw. Elektra)komplex zu - und sie wollten "homosexuell" bzw. "sexuell infantil" mit ihrer Mutter bzw. ihrem Vater schlafen (was die enge Liebe Homosexueller zur Mutter erklärt). - Diese psychologische Einführung ist hilfreich, um Regisseur Peter Pawliks ernüchternd karge Umsetzung von Leoš Janáčeks lautmalerisch poetischem Das schlaue Füchslein in der Wiener Kammeroper wahr zu nehmen.
Femme Fatale im Penisneid?
Hinzu kommt ein weiteres "verschobenes" Begehren: das nach und von der "Femme Fatale" - was wiederum mit dem sexuellen Reifungsprozeß Freuds verstrickt ist. - Kompliziert, kompliziert ist dieses Phänomen. Weshalb Peter Pawlik eine einfache, aber raffinierte Bühne und Erzähloptik braucht, um das alles - wenigstens suggestiv - transportieren zu können. Und da hat die Berliner Bühnenbildnerin Cordelia Matthes wieder einmal Außergewöhnliches geleistet ... In einem in die Tiefe nach hinten "verlängerten", nackten Schwarzkasten lassen sich an den magnetischen Wänden Utensilien wie Metalllöffel oder zermanschte Eier aufkleben oder mit Kreide Schauplatzbeschreibungen von den Schauspielern aufmalen, was einen tatsächlichen Umbau erspart. Auf dem abgeschrägten Bühnenboden mit quadratischem Loch - wo das live-spielende, in der reduzierten Kammerbesetzungsfassung von Jonathan Dove zum Teil profan-kapellenartig klingende Orchester der Wiener Kammeroper unter dem Dirigat von Daniel Hoyem-Cavazza hervortönt - läßt sich kurzfristig auch mal - Gefühle (scheinbar) klärendes - Wasser ausschütten, das dann in Richtung Zuschauer rinnt ... Das alles wirkt sehr einfach, verdeutlicht aber umso genauer die Botschaft in diesem komplizierten Amour-Fou-Geflecht.
Wenn man will, wovon man träumt
Augenscheinlich wird die sexuelle Verirrung, indem hier über Allegorien wie Menschen, die Tiere lieben, gesprochen wird; und indem eine männliche Fee ("Libelle" Karl Musil) mit Zauberstab unter schlafenden Menschen umherstreift, deren verstreuter Liebeszauber böswillig unterbunden wird: Von der charakterlichen Natur der von allen Männern (Förster, Schulmeister, Pfarrer, Landstreicher Haraschta) in der Geschichte begehrten "unabhängigen Frau", "Femme Fatale" Terynka (Annette Yvonne), Zigeunerin im Look eines heutigen Anarcho-Rocker-Teenager-Girls. Schreibt die Libelle (bereits fehlerhaft und damit prinzipiell zum Untergang verurteilt...) "LIBE KANN SO SCHÖHN SEIN" an die Wand, so löscht Terynka das Wort "Liebe" wieder aus. Denn sie will frei und ungebunden sein, wie das Füchslein Schlaukopf (Jennifer Davison mit überzeugend vollem Sopran) in dicht-roter Haarpracht. So will sie sich der Förster (eindrucksvoll schöner Bariton Christian Immler) eben mit Gewalt nehmen, indem er das Füchslein im Wald schnappt und bei sich zuhause bei eifersüchtiger Ehefrau und Kindern gefangen hält. Wie es die emanzipatorisch-agitatorische Natur des wilden Tieres aber ist, bringt es die Hennen gegen den Hahn auf und tötet es einige von ihnen, bevor es wieder in den Wald flieht. Dort trifft die Füchsin auf den Dachs, dem sie den Bau abluchst, was wiederum dem - ihr wesensverwandten- Schmuck klauenden Fuchs imponiert, sodass sie mit ihm eine Familie gründet. Und weil dieser aber nun auch von einer Frau in Sopranstimme (Magdalena Hofmann) gesungen wird, streift das das anfangs erwähnte Motiv des unüberwundenen "Penisneids". - Zumindest in der deutschen Fassung Max Brods von 1925, an der sich Pawlik orientiert. Bei Ur- Librettist und -Komponist Leos Janacek mag es eher mit der Abfindung zu tun haben, als Mann nie zu bekommen, was jener in seinen innigsten Träumen erhofft, weil sie als illusionäre Projektionsflächen gar nicht existieren. Deshalb gibt es am Ende der Geschichte auch bei Pawlik eine nackte "Lorelei" am Bühnenhintergrund, nach der der Förster tastet.
Förster im Scheidenneid oder doch nur Träumer?
Ein Streitfall mag in dieser Interpretation nun sein, ob der Förster laut Freud "sexuell reif und damit erwachsen ist" - denn immerhin begehrt er jede Frau jenseits seiner Mutter, indem er anfangs am Intim-Duft aller riecht, und nach dem evidenten Tod der Füchsin außerdem nach einer neuen Füchsin (ihrer Tochter) jagt - ein weiteres Indiz für seine "Normalität". Gleichzeitig könnte er aber (bei unkompensiertem Scheidenneid) anders "gepolt" sein: denn die Füchsin ist in ihrer Unabhängig- und Eigenständigkeit sehr "männlich". Möglicherweise bezieht sich das aber auch nur auf eine Definition, die vor den Emanzipationsbewegungen gefällt worden ist. - Heute sind "unabhängige" Frauen als Wunschpartnerinnen ja keine Illusion mehr. Insofern wäre viel mehr ein noch zu klärendes Kapitel, ob ein Mann "die Unabhängige" mit der prinzipiellen Möglichkeit überhaupt noch haben wollte? Wahrscheinlich ist es doch eher so, dass der Mann - sowie auch die heutige Frau - etwas haben will, das gesellschaftlich einfach nur "abnormal" ist, um sich selbst rebellisch "frei" zu fühlen. Und haben sie dann das Abnormale, fühlen sie sich - es durch den Besitz zur Normalität degradiert - sogleich "unfrei". - Wie gesagt: Das alles ist kompliziert, kompliziert... e.o./a.c.
Wenn unüberwundener Penisneid bei einer Frau und - das von uns ab sofort eingeführte Äquivalent - "verbliebener Scheidenneid" beim Mann, zusammen treffen, dann kommen die beiden bestimmt nicht zusammen. - Weil sie sich schätzungsweise mit demselben Geschlecht identifizieren und mehr oder weniger homosexuell sein werden. So besagt es zumindest die Psychoanalyse Sigmund Freuds. Im Erklärungsraffer hieße das also: das erste sexuelle Begehren der Mutter seitens Sohnemann und des Vaters seitens Tochterfrau, sollte gesundenfalls so bewältigt werden, dass der Junge mit der Phase des "Scheidenneids" seinen Penis in das weibliche Geschlecht stecken, das Mädchen mit der Phase des Penisneids das männliche Geschlecht in ihrer Scheide aufnehmen will - und zwar bei einer anderen Person als bei Mutter bzw. von Vater. Dann erst wären Mann und Frau sexuell erwachsen, sprich ausgereift potent! Andernfalls träfe bei ihnen der Ödipus- (bzw. Elektra)komplex zu - und sie wollten "homosexuell" bzw. "sexuell infantil" mit ihrer Mutter bzw. ihrem Vater schlafen (was die enge Liebe Homosexueller zur Mutter erklärt). - Diese psychologische Einführung ist hilfreich, um Regisseur Peter Pawliks ernüchternd karge Umsetzung von Leoš Janáčeks lautmalerisch poetischem Das schlaue Füchslein in der Wiener Kammeroper wahr zu nehmen.
Femme Fatale im Penisneid?
Hinzu kommt ein weiteres "verschobenes" Begehren: das nach und von der "Femme Fatale" - was wiederum mit dem sexuellen Reifungsprozeß Freuds verstrickt ist. - Kompliziert, kompliziert ist dieses Phänomen. Weshalb Peter Pawlik eine einfache, aber raffinierte Bühne und Erzähloptik braucht, um das alles - wenigstens suggestiv - transportieren zu können. Und da hat die Berliner Bühnenbildnerin Cordelia Matthes wieder einmal Außergewöhnliches geleistet ... In einem in die Tiefe nach hinten "verlängerten", nackten Schwarzkasten lassen sich an den magnetischen Wänden Utensilien wie Metalllöffel oder zermanschte Eier aufkleben oder mit Kreide Schauplatzbeschreibungen von den Schauspielern aufmalen, was einen tatsächlichen Umbau erspart. Auf dem abgeschrägten Bühnenboden mit quadratischem Loch - wo das live-spielende, in der reduzierten Kammerbesetzungsfassung von Jonathan Dove zum Teil profan-kapellenartig klingende Orchester der Wiener Kammeroper unter dem Dirigat von Daniel Hoyem-Cavazza hervortönt - läßt sich kurzfristig auch mal - Gefühle (scheinbar) klärendes - Wasser ausschütten, das dann in Richtung Zuschauer rinnt ... Das alles wirkt sehr einfach, verdeutlicht aber umso genauer die Botschaft in diesem komplizierten Amour-Fou-Geflecht.
Wenn man will, wovon man träumt
Augenscheinlich wird die sexuelle Verirrung, indem hier über Allegorien wie Menschen, die Tiere lieben, gesprochen wird; und indem eine männliche Fee ("Libelle" Karl Musil) mit Zauberstab unter schlafenden Menschen umherstreift, deren verstreuter Liebeszauber böswillig unterbunden wird: Von der charakterlichen Natur der von allen Männern (Förster, Schulmeister, Pfarrer, Landstreicher Haraschta) in der Geschichte begehrten "unabhängigen Frau", "Femme Fatale" Terynka (Annette Yvonne), Zigeunerin im Look eines heutigen Anarcho-Rocker-Teenager-Girls. Schreibt die Libelle (bereits fehlerhaft und damit prinzipiell zum Untergang verurteilt...) "LIBE KANN SO SCHÖHN SEIN" an die Wand, so löscht Terynka das Wort "Liebe" wieder aus. Denn sie will frei und ungebunden sein, wie das Füchslein Schlaukopf (Jennifer Davison mit überzeugend vollem Sopran) in dicht-roter Haarpracht. So will sie sich der Förster (eindrucksvoll schöner Bariton Christian Immler) eben mit Gewalt nehmen, indem er das Füchslein im Wald schnappt und bei sich zuhause bei eifersüchtiger Ehefrau und Kindern gefangen hält. Wie es die emanzipatorisch-agitatorische Natur des wilden Tieres aber ist, bringt es die Hennen gegen den Hahn auf und tötet es einige von ihnen, bevor es wieder in den Wald flieht. Dort trifft die Füchsin auf den Dachs, dem sie den Bau abluchst, was wiederum dem - ihr wesensverwandten- Schmuck klauenden Fuchs imponiert, sodass sie mit ihm eine Familie gründet. Und weil dieser aber nun auch von einer Frau in Sopranstimme (Magdalena Hofmann) gesungen wird, streift das das anfangs erwähnte Motiv des unüberwundenen "Penisneids". - Zumindest in der deutschen Fassung Max Brods von 1925, an der sich Pawlik orientiert. Bei Ur- Librettist und -Komponist Leos Janacek mag es eher mit der Abfindung zu tun haben, als Mann nie zu bekommen, was jener in seinen innigsten Träumen erhofft, weil sie als illusionäre Projektionsflächen gar nicht existieren. Deshalb gibt es am Ende der Geschichte auch bei Pawlik eine nackte "Lorelei" am Bühnenhintergrund, nach der der Förster tastet.
Förster im Scheidenneid oder doch nur Träumer?
Ein Streitfall mag in dieser Interpretation nun sein, ob der Förster laut Freud "sexuell reif und damit erwachsen ist" - denn immerhin begehrt er jede Frau jenseits seiner Mutter, indem er anfangs am Intim-Duft aller riecht, und nach dem evidenten Tod der Füchsin außerdem nach einer neuen Füchsin (ihrer Tochter) jagt - ein weiteres Indiz für seine "Normalität". Gleichzeitig könnte er aber (bei unkompensiertem Scheidenneid) anders "gepolt" sein: denn die Füchsin ist in ihrer Unabhängig- und Eigenständigkeit sehr "männlich". Möglicherweise bezieht sich das aber auch nur auf eine Definition, die vor den Emanzipationsbewegungen gefällt worden ist. - Heute sind "unabhängige" Frauen als Wunschpartnerinnen ja keine Illusion mehr. Insofern wäre viel mehr ein noch zu klärendes Kapitel, ob ein Mann "die Unabhängige" mit der prinzipiellen Möglichkeit überhaupt noch haben wollte? Wahrscheinlich ist es doch eher so, dass der Mann - sowie auch die heutige Frau - etwas haben will, das gesellschaftlich einfach nur "abnormal" ist, um sich selbst rebellisch "frei" zu fühlen. Und haben sie dann das Abnormale, fühlen sie sich - es durch den Besitz zur Normalität degradiert - sogleich "unfrei". - Wie gesagt: Das alles ist kompliziert, kompliziert... e.o./a.c.
DAS URTEIL DIE WAHRSCHEINLICH SCHÖNSTE POETISCHE OPER ÜBER DIE MENSCHLICHE LIEBESILLUSION DER WELT - MUSIKALISCH UND INSZENATORISCH NÜCHTERN UND KARG: ABER IMMER NOCH SYMBOLREICH-SUGGESTIV. BÜHNENTECHNISCH ÜBERRASCHEND-INTERESSANT MIT BLEIBENDEN PSYCHO-FRAGEN.
OPER Das schlaue Füchslein * Kammerfassung von Jonothan Dove nach Leoš Janáček * Regie: Peter Pawlik * Bühne: Cordelia Matthes * Dirigat: Daniel Hoyem-Cavazza * Mit: Orchester der Wiener Kammeroper * Mit: Jennifer Davison, Christian Immler, Annette Yvonne, Richard Wiegold, Lasse Penttinen, u.a. * Ort: Kammeroper Wien * Zeit: 13., 16., 18., 20., 23., 25., 27.10.2007: 19h30
OPER Das schlaue Füchslein * Kammerfassung von Jonothan Dove nach Leoš Janáček * Regie: Peter Pawlik * Bühne: Cordelia Matthes * Dirigat: Daniel Hoyem-Cavazza * Mit: Orchester der Wiener Kammeroper * Mit: Jennifer Davison, Christian Immler, Annette Yvonne, Richard Wiegold, Lasse Penttinen, u.a. * Ort: Kammeroper Wien * Zeit: 13., 16., 18., 20., 23., 25., 27.10.2007: 19h30
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