... denn er verliebte sich einst in die Prinzessin Lan (Cornelia Horak), die ihr eifersüchtiger Bruder (mit Maske: Alexander Kaimbacher) nicht hergeben wollte ...
... sodass er sich von ihm provozieren ließ, das "echte Buch vom Tee" zu suchen. Auf der Reise begleitete ihn Lan. - Immerhin kommt es dort zum schwindelerregenden Kuss, aber auch zum fatalen Ende! - Fotos © Armin Bardel
SEMPER DEPOT CARLOS WAGNER VERFÜHRT IN DER NEUEN OPER VON TAN DUN, TEA, IN DIE ÖSTLICH-WESTLICHE MEDITATIONSWELT WIDER LIEBE, EHRGEIZ UND EIFERSUCHT
Wenn im Tee die fünf aus der reinen Natur zur Vollkommenheit entwickelten Elemente - Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde - vereint sind, so muss der Tee der Inbegriff der perfekten Harmonie sein. - Das war die Schlußfolgerung des ersten Tee-Literaten bzw. -Wissenschaftlers Chinas und später erkorenen "Teegotts", Lu Yu. Wobei diese Harmonie aber noch einmal durch die "Kultur des Tees" in sich selbst gesteigert wird, da sie erst durch "Einfachheit, Mäßigkeit und besonnenes Gleichgewicht zwischen den Hauptelementen" erreicht wird. - Das sollte man wissen, um die Quintessenz von tea, der Oper aus dem Jahr 2002 des zeitgenössischen Starkomponisten Tan Dun, vollends zu verstehen, die die Neue Oper Wien im Semper Depot unter Carlos Wagners tänzerisch-melodiöser Regie gerade aufführt.
Eine Musik, die Seelen reinigt
Aber auch ohne diese Vorkenntnis lässt sich erahnen: Tan Duns Musik kann Seelen reinigen. Die ganze Welt liegt darin und treibt in parallel laufenden, stilistisch eigenständigen Tonfolgen und -elementen ihr facettenreiches, vielfärbiges Spiel in harmonischer Ganzheit, wo westliche Gefühlsdramatik in wundersamer Symbiose mit gregorianisch-buddhistischem Mönchsgesang und Tempelklängen einher geht. Simpel gesehen schlägt sich die chinesische Herkunft und das New Yorker Lebensumfeld Tan Duns zu gleichen Teilen in seiner Musik nieder; sie ist jedoch "westlicher" als Libretto und Aufführungsatmosphäre des Stücks und schafft es, begeistert gesagt, als eine der ganz wenigen zeitgenössisch-melodischen Mischformen, in atonaler Struktur weder zu geistig-verloren abstrakt, noch zu spekulativ unterhaltend angepaßt zu sein. In sich stimmig ist diese Musik sowohl höchst neu, modern, edel, als auch rhythmisch, lautmalerisch, emotional - weil sie - neben dem Ineinanderfließen von Geschichte, Text und Musik - nach dem, von Tan Dun bezeichneten "organischen" Musikkonzept funktioniert: Im ersten Akt plätschert Wasser (zu Feuer als Gegensatz) zu Dirigent Walter Kobéras exzellentem amadeus ensemble-wien - als Kunde der Wiedergeburt -, im zweiten verbreitet Papier-Wedeln die Kunde des Windes, im dritten Akt bereiten geschlagene Steine und Keramik-Töpfe die Kunde des Schicksals.
Vom Maß der gesunden Liebe
Materie und Geist fließen demnach in die Musik ein, so wie sie als Diskussionsgegenstand im Libretto von Tan Dun und des Chinesen Xu Ying dominieren: im Stil zwischen traditionell westlicher und chinesischer Oper, von No- und Kabuki-Theater verstecken sie sich in der fiktionalen Geschichte vom Geschwisterpaar, der chinesischen Prinzessin Lan (die intelligent und leidenschaftlich schön singende Sopranistin Cornelia Horak) und ihres Bruders (der lyrische Tenor Alexander Kaimbacher), der seine Liebe zu ihr verteidigt, als sich der japanische Mönch Seikyo (Bariton mit Fähigkeit zur Kopfstimmen-Jonglierung Klemens Sander) ernsthaft um sie bemüht. Dass die Geschwisterliebe seitens Bruder bereits das gesunde Maß von "Ausgewogenheit" verloren hat, liegt auf der Hand. Denn er trägt doppeldeutig immer wieder eine chinesische Affenmaske, was einerseits sein krankhaftes Festhalten an die gemeinsame Kinderzeit beim Spielen, andererseits seine aggressive Tarnung ausdrückt. Diese kranke Liebe ist dann trauriger Ausgangspunkt für eine weitere Unmäßigkeit, die selbst Mönch Seikyo ergreift. Denn er provoziert den Prinzen, indem er sagt, "dein Buch vom Tee ist eine Fälschung". - Sonst würde er ja kaum das falsche Maß von Tee (von Liebe) pflegen. - Und Seikyo muss sich aufmachen, um das "echte" Buch zu finden, um ihm das gesunde Maß zu beweisen.
Lan begleitet Seikyo. Auf einer drachenähnlichen Flugzeugsänfte mit zwei Passagierstühlen, wo es auch einen Steward gibt, der ihnen auf überhöhte Weise die Sicherheitsregeln beibringt - die einzige komische Stelle im Stück - reisen sie ins Ungewisse. In immer schneller werdender Drehung wird das aber auch der Platz ihrer ausgelebten Liebe und Leidenschaft. Einblicke auf Busen und Bein Lans und Kussszenen verdeutlichen raffiniert ihre Romantik, während die Windgeräusche lauter werden, und grüne Blätter von der Decke fallen. Kurz erinnert die Musik an Strawinsky als die Liebenden schließlich zur Tochter des Teegottes Lu Yu gelangen, der Ritualistin (Maren Engelhardt - einmal in mythisch-zerzauster, einmal in klerikal-gepflegter Montur), der von ihrem Vater aufgetragen wurde, Seikyo das Buch zu überreichen. Doch Lans, auf einer Liane herein gesprungener Bruder erträgt die Wahrheit nicht und fordert Seikyo zum Schwertkampf auf. In den traditionellen Kampftanz wirft sich Lan. Sie wird dabei von der Klinge getroffen. - Erst ihr Tod bringt die beiden Männer zur Einsicht, doch dem Kaiservater (schöner, bedrohlicher Bass Steven Gallop) bleibt nur die Trauer: "Ohne Dich ist das Leben lebendiger Tod!"
Tee ist der Spiegel der Seele
Zu Harvenklängen und Orchester singen die Mönche rituell und mit gesprochenen Tonspitzen wie "kkkkkkk" oder "sssssss", während sie im Kreis sitzen. Gehen sie, schweben Gesangsfetzen in unterschiedlicher Lautstärke und Betonung an den Ohren der - wie im Amphitheater - aufgereihten Zuschauer vorbei. Der Sandstein kitzelt unter den Füßen der Sänger in nacktschultrigem, weißem Binde- und Kittelgewand (Bühne und Kostüme Christof Cremer); denn der Sand ist die Materie, die zum Ausgleich führt wie der Tee. Beides sagt: Sowohl im ehrgeizen Erkenntnisstreben gibt es den Fanatismus, als auch in der Liebe (Zitat: "... wenn du weniger liebtest..."). Und nur die Natur und der bewußte Umgang mit ihren Elementen kann zur gesunden Ausgewogenheit führen. Die Eifersucht ist meist das erste Signal zum bewußten Erkennen. Man sollte jene nur so weit zulassen, um zu wissen, "man liebt", "man will". Kommen dem Menschen beim Servieren von Tee - wie wahrscheinlich Seikyo zu Beginn und Ende des Stücks - solche Gedanken, so wird er feststellen: "Tee zu servieren, ist das schwerste". Denn bereits hier muss die maßlose Liebe, das maßlose Streben, durch Besinnung unterdrückt werden. Deshalb ist auch der Tee, gleich dem Untertitel der Oper: "der Spiegel der Seele". Also: nicht zu lang ziehen lassen! Ist er bitter, hat die Seele Schrammen - dann wird´s mit Liebe und Beruf sicher nichts! e.o.
Wenn im Tee die fünf aus der reinen Natur zur Vollkommenheit entwickelten Elemente - Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde - vereint sind, so muss der Tee der Inbegriff der perfekten Harmonie sein. - Das war die Schlußfolgerung des ersten Tee-Literaten bzw. -Wissenschaftlers Chinas und später erkorenen "Teegotts", Lu Yu. Wobei diese Harmonie aber noch einmal durch die "Kultur des Tees" in sich selbst gesteigert wird, da sie erst durch "Einfachheit, Mäßigkeit und besonnenes Gleichgewicht zwischen den Hauptelementen" erreicht wird. - Das sollte man wissen, um die Quintessenz von tea, der Oper aus dem Jahr 2002 des zeitgenössischen Starkomponisten Tan Dun, vollends zu verstehen, die die Neue Oper Wien im Semper Depot unter Carlos Wagners tänzerisch-melodiöser Regie gerade aufführt.
Eine Musik, die Seelen reinigt
Aber auch ohne diese Vorkenntnis lässt sich erahnen: Tan Duns Musik kann Seelen reinigen. Die ganze Welt liegt darin und treibt in parallel laufenden, stilistisch eigenständigen Tonfolgen und -elementen ihr facettenreiches, vielfärbiges Spiel in harmonischer Ganzheit, wo westliche Gefühlsdramatik in wundersamer Symbiose mit gregorianisch-buddhistischem Mönchsgesang und Tempelklängen einher geht. Simpel gesehen schlägt sich die chinesische Herkunft und das New Yorker Lebensumfeld Tan Duns zu gleichen Teilen in seiner Musik nieder; sie ist jedoch "westlicher" als Libretto und Aufführungsatmosphäre des Stücks und schafft es, begeistert gesagt, als eine der ganz wenigen zeitgenössisch-melodischen Mischformen, in atonaler Struktur weder zu geistig-verloren abstrakt, noch zu spekulativ unterhaltend angepaßt zu sein. In sich stimmig ist diese Musik sowohl höchst neu, modern, edel, als auch rhythmisch, lautmalerisch, emotional - weil sie - neben dem Ineinanderfließen von Geschichte, Text und Musik - nach dem, von Tan Dun bezeichneten "organischen" Musikkonzept funktioniert: Im ersten Akt plätschert Wasser (zu Feuer als Gegensatz) zu Dirigent Walter Kobéras exzellentem amadeus ensemble-wien - als Kunde der Wiedergeburt -, im zweiten verbreitet Papier-Wedeln die Kunde des Windes, im dritten Akt bereiten geschlagene Steine und Keramik-Töpfe die Kunde des Schicksals.
Vom Maß der gesunden Liebe
Materie und Geist fließen demnach in die Musik ein, so wie sie als Diskussionsgegenstand im Libretto von Tan Dun und des Chinesen Xu Ying dominieren: im Stil zwischen traditionell westlicher und chinesischer Oper, von No- und Kabuki-Theater verstecken sie sich in der fiktionalen Geschichte vom Geschwisterpaar, der chinesischen Prinzessin Lan (die intelligent und leidenschaftlich schön singende Sopranistin Cornelia Horak) und ihres Bruders (der lyrische Tenor Alexander Kaimbacher), der seine Liebe zu ihr verteidigt, als sich der japanische Mönch Seikyo (Bariton mit Fähigkeit zur Kopfstimmen-Jonglierung Klemens Sander) ernsthaft um sie bemüht. Dass die Geschwisterliebe seitens Bruder bereits das gesunde Maß von "Ausgewogenheit" verloren hat, liegt auf der Hand. Denn er trägt doppeldeutig immer wieder eine chinesische Affenmaske, was einerseits sein krankhaftes Festhalten an die gemeinsame Kinderzeit beim Spielen, andererseits seine aggressive Tarnung ausdrückt. Diese kranke Liebe ist dann trauriger Ausgangspunkt für eine weitere Unmäßigkeit, die selbst Mönch Seikyo ergreift. Denn er provoziert den Prinzen, indem er sagt, "dein Buch vom Tee ist eine Fälschung". - Sonst würde er ja kaum das falsche Maß von Tee (von Liebe) pflegen. - Und Seikyo muss sich aufmachen, um das "echte" Buch zu finden, um ihm das gesunde Maß zu beweisen.
Lan begleitet Seikyo. Auf einer drachenähnlichen Flugzeugsänfte mit zwei Passagierstühlen, wo es auch einen Steward gibt, der ihnen auf überhöhte Weise die Sicherheitsregeln beibringt - die einzige komische Stelle im Stück - reisen sie ins Ungewisse. In immer schneller werdender Drehung wird das aber auch der Platz ihrer ausgelebten Liebe und Leidenschaft. Einblicke auf Busen und Bein Lans und Kussszenen verdeutlichen raffiniert ihre Romantik, während die Windgeräusche lauter werden, und grüne Blätter von der Decke fallen. Kurz erinnert die Musik an Strawinsky als die Liebenden schließlich zur Tochter des Teegottes Lu Yu gelangen, der Ritualistin (Maren Engelhardt - einmal in mythisch-zerzauster, einmal in klerikal-gepflegter Montur), der von ihrem Vater aufgetragen wurde, Seikyo das Buch zu überreichen. Doch Lans, auf einer Liane herein gesprungener Bruder erträgt die Wahrheit nicht und fordert Seikyo zum Schwertkampf auf. In den traditionellen Kampftanz wirft sich Lan. Sie wird dabei von der Klinge getroffen. - Erst ihr Tod bringt die beiden Männer zur Einsicht, doch dem Kaiservater (schöner, bedrohlicher Bass Steven Gallop) bleibt nur die Trauer: "Ohne Dich ist das Leben lebendiger Tod!"
Tee ist der Spiegel der Seele
Zu Harvenklängen und Orchester singen die Mönche rituell und mit gesprochenen Tonspitzen wie "kkkkkkk" oder "sssssss", während sie im Kreis sitzen. Gehen sie, schweben Gesangsfetzen in unterschiedlicher Lautstärke und Betonung an den Ohren der - wie im Amphitheater - aufgereihten Zuschauer vorbei. Der Sandstein kitzelt unter den Füßen der Sänger in nacktschultrigem, weißem Binde- und Kittelgewand (Bühne und Kostüme Christof Cremer); denn der Sand ist die Materie, die zum Ausgleich führt wie der Tee. Beides sagt: Sowohl im ehrgeizen Erkenntnisstreben gibt es den Fanatismus, als auch in der Liebe (Zitat: "... wenn du weniger liebtest..."). Und nur die Natur und der bewußte Umgang mit ihren Elementen kann zur gesunden Ausgewogenheit führen. Die Eifersucht ist meist das erste Signal zum bewußten Erkennen. Man sollte jene nur so weit zulassen, um zu wissen, "man liebt", "man will". Kommen dem Menschen beim Servieren von Tee - wie wahrscheinlich Seikyo zu Beginn und Ende des Stücks - solche Gedanken, so wird er feststellen: "Tee zu servieren, ist das schwerste". Denn bereits hier muss die maßlose Liebe, das maßlose Streben, durch Besinnung unterdrückt werden. Deshalb ist auch der Tee, gleich dem Untertitel der Oper: "der Spiegel der Seele". Also: nicht zu lang ziehen lassen! Ist er bitter, hat die Seele Schrammen - dann wird´s mit Liebe und Beruf sicher nichts! e.o.
DAS URTEIL EINE DURCH UND DURCH BEDACHTE KOMPOSITION SEITENS MUSIK UND LIBRETTO: SEHR PRÄZISE ERARBEITET VOM TEAM, AUFWÜHLEND GESUNGEN. DOCH NUR, WER DIE SYNOPSIS KENNT, WIRD DIESEN SCHATZ ZUR GÄNZE MITBEKOMMEN. SELBST WENN DIE MUSIK ALLEIN VERZAUBERT.
OPER tea * Von: Tan Dun & Xu Ying (Co-Libretto) * Regie. Carlos Wagner * Dirigent: Walter Kobéra * Bühne: Christof Cremer * Mit: Klemens Sander, Cornelia Horak, Alexander Kaimbacher, Steven Gallop, Maren Engelhardt, u.a. * Mit: amadeus ensemble-wien * Ort: Semper Depot Wien * Zeit: 18., 20., 21., 22.9.2007: 20h30
OPER tea * Von: Tan Dun & Xu Ying (Co-Libretto) * Regie. Carlos Wagner * Dirigent: Walter Kobéra * Bühne: Christof Cremer * Mit: Klemens Sander, Cornelia Horak, Alexander Kaimbacher, Steven Gallop, Maren Engelhardt, u.a. * Mit: amadeus ensemble-wien * Ort: Semper Depot Wien * Zeit: 18., 20., 21., 22.9.2007: 20h30
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