BURGTHEATER IM VESTIBÜL BURGMIME JOACHIM MEYERHOFF IN ALLE TOTEN FLIEGEN HOCH - TEIL 1: AMERIKA ALS SCHLECHTER LITERAT, DAFÜR ALS UNGLAUBLICHER THEATERGENRE- ERNEUERER
Joachim Meyerhoff hat nicht das Zeug zum Jahrhundertliteraten. Vielleicht liegt es daran, dass er über eine Zeit schreibt, die er als Jugendlicher erlebte. Erstens ist er da schon mal durch die Realität befangen, indem er ausschließlich äußerliche Handlungen schildern muss, so, wie sie waren. Zweitens lebt er - typisch Schauspieler, der er ist - dermaßen mit seinem Lebensabschnitt mit, dass er sich sprachlich nicht von sich selbst distanzieren kann: Er schreibt, als würde sich ein 18-Jähriger (oder ein noch jüngeres Kind!) einen Schulaufsatz abringen; wo er als braver, gutherziger Junge - von wohlbehüteter, deutscher Herkunft - berichtet, wie er durch die wilde Cowboywelt Amerikas "stolpert". Alle Toten fliegen hoch - Teil 1: Amerika von und mit Joachim Meyerhoff im Burgtheater im Vestibül ist textästhetisch sogar lächerlich. Und doch ist das Ganze als Darstellungsereignis einschneidend: Selten kommt eine Theatergeschichte so echt und wahr, wie diese. Fast ist anzunehmen: Joachim Meyerhoff hat soeben eine neue Theatergattung erfunden: Die der "autobiografischen Theaterreportage".
Schauspielstar verschmilzt mit unbekanntem No-Name
Das ist so außergewöhnlich, weil sich Meyerhoff - als "der" ausgezeichnet vortragende "Schauspieler"- mit seiner Introspektion selbst so in Szene setzt, wie es sonst nur bildende Künstler in Selbstbildnissen tun (jenseits der "Performance", wo die Selbstbespiegelung ebenfalls praktiziert wird). - Wann ist ein (bekannter) Schauspieler sonst schon mehr als ein Medium? - Das Stück wird zu etwas Einzigartigem, da Meyerhoff als Erzähler im Rückblick über Bildprojektor mit Echt-Fotos aus den 80-er Jahren (Dramaturgie: Sibylle Dudek) immer mehr mit sich selbst aus der damaligen Zeit verschmilzt. Zuerst über die identen Kleider, die er sich vor dem Publikum anzieht. Dann durch eine Perücke, die genau seiner Frisur von damals entspricht, als er noch lockiges, blondes Haar hatte - nicht wie heute, eine "Künstlerglatze". - So wird die nachgestellte Realität zur perfekten echten Illusion: Vor uns steht jener 18-jährige Teenager und Basketballer, der naiv von den rauhen Amerikanern in Wyoming spricht, unter denen er als Austauschschüler bei einer Gastfamilie mit drei Söhnen lebt(e). Das alles hat eine Portion Witz, wenn auch eher einen Privat-Oberflächlichen, indem scheinbar ein unspektakulärer Normalo im Wohnzimmer eine Fotovorführung mit Reise-Erzählung vor engen Freunden macht.
Ein mörderisches Souvenir aus den USA
Der Meyerhoff-Burgschauspieler-Fan erfährt so wiederum allerhand Privates über sein Idol - allerdings mit dem Risiko, dass ihm die Künstlerfigur Meyerhoff abhanden kommt. Er wirkt jetzt weniger intellektuell, männlich und bestimmt als sonst auf der Bühne; er gibt sich im Gegenteil ziemlich ausgeliefert, emotional und bodenständig: Meistens sind ihm die Amerikaner suspekt. Sie machen ihm Angst, wenn sie ihn als "schwulen Nazi" oder seine Mutter als "Hitlers Schwanzlutscher" beschimpfen, während sie selbst doppelmoralisch von einer "Hure Michelle" schwärmen, die - bis auf Einen - jeden "ohne Geld anzunehmen" ließe ... Wenn der 1,60 Meter große Kurt Schumacher aber im Pinkel-Unisono versucht, die Höhe des Hühnen Meyerhoff zu erreichen, dann ist das nicht nur für ihn komisch, sondern auch für die Zuschauer. - Einer der Momente, der inhaltlich tatsächlich unterhält.
Schließlich tun sich auch noch perverse Abgründe in Meyerhoffs wahrem Charakter auf: Er hegt eine eigenartige Faszination gegenüber Gefängnissen. Deshalb besuchte er einen Todestrakt in Wyoming und brachte danach gleich ein Souvenir daraus mit ins Elternhaus nach Deutschland .. es schwingt dabei so etwas wie Vorsehung mit... Und es hat etwas "Mörderisches" an sich - namens Randy Heart, "das" live im Vestibül zu sehen ist!!! "Es" ersetzte praktischerweise den - exakt zu jener Zeit - im Auto verunglückten Bruder Meyerhoffs...
Wie das Leben eben so spielt, wenn man sich ihm öffnet! - Und bei einem Sohn eines Psychiatriedirektors sind die Hemmschwellen gegenüber den Schattenseiten kleiner. Es gibt allerdings Meinungen, die sagen, dass an dieser Geschichte doch Einiges nicht ganz so wahr ist wie es scheint... - Liegt hinter den Phantasie-Auswüchsen dennoch die größte Wahrheit? Das Burgtheater wird Meyerhoffs skurril-sentimentale Intim-Serie jedenfalls noch weiter führen. Sind gespannt, was da noch alles kommen wird! e.o.
Joachim Meyerhoff hat nicht das Zeug zum Jahrhundertliteraten. Vielleicht liegt es daran, dass er über eine Zeit schreibt, die er als Jugendlicher erlebte. Erstens ist er da schon mal durch die Realität befangen, indem er ausschließlich äußerliche Handlungen schildern muss, so, wie sie waren. Zweitens lebt er - typisch Schauspieler, der er ist - dermaßen mit seinem Lebensabschnitt mit, dass er sich sprachlich nicht von sich selbst distanzieren kann: Er schreibt, als würde sich ein 18-Jähriger (oder ein noch jüngeres Kind!) einen Schulaufsatz abringen; wo er als braver, gutherziger Junge - von wohlbehüteter, deutscher Herkunft - berichtet, wie er durch die wilde Cowboywelt Amerikas "stolpert". Alle Toten fliegen hoch - Teil 1: Amerika von und mit Joachim Meyerhoff im Burgtheater im Vestibül ist textästhetisch sogar lächerlich. Und doch ist das Ganze als Darstellungsereignis einschneidend: Selten kommt eine Theatergeschichte so echt und wahr, wie diese. Fast ist anzunehmen: Joachim Meyerhoff hat soeben eine neue Theatergattung erfunden: Die der "autobiografischen Theaterreportage".
Schauspielstar verschmilzt mit unbekanntem No-Name
Das ist so außergewöhnlich, weil sich Meyerhoff - als "der" ausgezeichnet vortragende "Schauspieler"- mit seiner Introspektion selbst so in Szene setzt, wie es sonst nur bildende Künstler in Selbstbildnissen tun (jenseits der "Performance", wo die Selbstbespiegelung ebenfalls praktiziert wird). - Wann ist ein (bekannter) Schauspieler sonst schon mehr als ein Medium? - Das Stück wird zu etwas Einzigartigem, da Meyerhoff als Erzähler im Rückblick über Bildprojektor mit Echt-Fotos aus den 80-er Jahren (Dramaturgie: Sibylle Dudek) immer mehr mit sich selbst aus der damaligen Zeit verschmilzt. Zuerst über die identen Kleider, die er sich vor dem Publikum anzieht. Dann durch eine Perücke, die genau seiner Frisur von damals entspricht, als er noch lockiges, blondes Haar hatte - nicht wie heute, eine "Künstlerglatze". - So wird die nachgestellte Realität zur perfekten echten Illusion: Vor uns steht jener 18-jährige Teenager und Basketballer, der naiv von den rauhen Amerikanern in Wyoming spricht, unter denen er als Austauschschüler bei einer Gastfamilie mit drei Söhnen lebt(e). Das alles hat eine Portion Witz, wenn auch eher einen Privat-Oberflächlichen, indem scheinbar ein unspektakulärer Normalo im Wohnzimmer eine Fotovorführung mit Reise-Erzählung vor engen Freunden macht.
Ein mörderisches Souvenir aus den USA
Der Meyerhoff-Burgschauspieler-Fan erfährt so wiederum allerhand Privates über sein Idol - allerdings mit dem Risiko, dass ihm die Künstlerfigur Meyerhoff abhanden kommt. Er wirkt jetzt weniger intellektuell, männlich und bestimmt als sonst auf der Bühne; er gibt sich im Gegenteil ziemlich ausgeliefert, emotional und bodenständig: Meistens sind ihm die Amerikaner suspekt. Sie machen ihm Angst, wenn sie ihn als "schwulen Nazi" oder seine Mutter als "Hitlers Schwanzlutscher" beschimpfen, während sie selbst doppelmoralisch von einer "Hure Michelle" schwärmen, die - bis auf Einen - jeden "ohne Geld anzunehmen" ließe ... Wenn der 1,60 Meter große Kurt Schumacher aber im Pinkel-Unisono versucht, die Höhe des Hühnen Meyerhoff zu erreichen, dann ist das nicht nur für ihn komisch, sondern auch für die Zuschauer. - Einer der Momente, der inhaltlich tatsächlich unterhält.
Schließlich tun sich auch noch perverse Abgründe in Meyerhoffs wahrem Charakter auf: Er hegt eine eigenartige Faszination gegenüber Gefängnissen. Deshalb besuchte er einen Todestrakt in Wyoming und brachte danach gleich ein Souvenir daraus mit ins Elternhaus nach Deutschland .. es schwingt dabei so etwas wie Vorsehung mit... Und es hat etwas "Mörderisches" an sich - namens Randy Heart, "das" live im Vestibül zu sehen ist!!! "Es" ersetzte praktischerweise den - exakt zu jener Zeit - im Auto verunglückten Bruder Meyerhoffs...
Wie das Leben eben so spielt, wenn man sich ihm öffnet! - Und bei einem Sohn eines Psychiatriedirektors sind die Hemmschwellen gegenüber den Schattenseiten kleiner. Es gibt allerdings Meinungen, die sagen, dass an dieser Geschichte doch Einiges nicht ganz so wahr ist wie es scheint... - Liegt hinter den Phantasie-Auswüchsen dennoch die größte Wahrheit? Das Burgtheater wird Meyerhoffs skurril-sentimentale Intim-Serie jedenfalls noch weiter führen. Sind gespannt, was da noch alles kommen wird! e.o.
DAS URTEIL INHALTLICH UND DRAMATURGISCH EIN KLEINES ABENTEUER, SPRACHLICH UND REFLEXIV DAGEGEN GAR NICHT. ENTWEDER EINE KOMPLETTE IRONIE MEYERHOFFS SEINER SELBST, ODER EINE EGO-EHRFURCHT.
THEATER Alle Toten fliegen hoch - Teil 1: Amerika * Von und mit: Joachim Meyerhoff * Ort: Burgtheater im Vestibül * Zeit: 24.3.2008: 19h
THEATER Alle Toten fliegen hoch - Teil 2: Zuhause in der Psychiatrie * Ort: Burgtheater im Vestibül * Zeit: 25.3.2008: 20h30
THEATER Alle Toten fliegen hoch - Teil 3: Die Beine meiner Großmutter * Ort: Vestibül * Zeit: 20.4.2008: 19h + 21.4.2008: 19h30 + 4.5.2008: 18h30
THEATER Alle Toten fliegen hoch 1-3 * Ort: Akademiethater * Zeit: 20., 28.6.2008: 17h-22h15
THEATER Alle Toten fliegen hoch - Teil 1: Amerika * Von und mit: Joachim Meyerhoff * Ort: Burgtheater im Vestibül * Zeit: 24.3.2008: 19h
THEATER Alle Toten fliegen hoch - Teil 2: Zuhause in der Psychiatrie * Ort: Burgtheater im Vestibül * Zeit: 25.3.2008: 20h30
THEATER Alle Toten fliegen hoch - Teil 3: Die Beine meiner Großmutter * Ort: Vestibül * Zeit: 20.4.2008: 19h + 21.4.2008: 19h30 + 4.5.2008: 18h30
THEATER Alle Toten fliegen hoch 1-3 * Ort: Akademiethater * Zeit: 20., 28.6.2008: 17h-22h15
1 comment:
Gut getroffen!
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