... worin die eifersüchtig besitzergreifende Diva Tosca (links) den Maler Cavaradossi liebt, weshalb ihn der machthungrige Polizeichef Scarpia (rechts) verhaften lässt ...
... denn er will wiederum Tosca besitzen - die ihm bei all seinen Handlungen ganz starr im Blick sitzt.
So starr, wie es die Politik eines Polizei- oder Kirchenstaates ist. (Fotos © Bregenzer Festspiele / Karl Forster)
SEEBÜHNE AM BODENSEE - BREGENZER FESTSPIELE EINE FILMISCHE OPER, DIE DANK EXPERIMENTALFILMS MEHR ALS NUR SPEKTAKEL IST. JEDES DETAIL HÖRBAR UND VERSTÄNDLICH SCHLÄFT HIER NIEMAND EIN ...
Nach der Seebühnen-Oper Tosca der Bregenzer Festspiele 2007 stellt sich aus mehreren Blickwinkeln die Frage, wo die Kunst beginnt, wo das Event endet. Zweifellos ist diese Oper die technisch effektivste; sie ist dabei aber keinesfalls billig. - Selbst wenn man sich dazu hinreißen lassen könnte, es aufgrund vordergründiger Wahrnehmungsmuster so zu empfinden.
Vom Blockbuster zur Kunst
Das beginnt mit dem Anblick auf ein Riesenauge, das dem Zuschauer als tiefenlose Wand zweidimensional und plump entgegenstarrt, erstreckt sich über eingesetzte Stunts, wo Menschen in schwindelerregender Höhe singen und ins Wasser stürzen, und setzt sich mit der Dolby-Surround-Akustik fort, wobei die verstärkte Musik der Wiener Symphoniker unter dem Dirigat von Ulf Schirmer aus vier Richtungen, durch Geräusche betont, an die Filmmusik eines B-Blockbuster-Movies im Kino erinnert. Dass dies aber nur die ersten Verführungsschritte darstellt, um sich als Zuseher in die Geschichte hineinfallen zu lassen, zeigt sich sehr bald, indem die Technik zwar tatsächlich bombastisch bleibt, jene aber ästhetisch immer tiefer, dreidimensionaler und künstlerischer wird: sei es, dass sie mit der Musik atmet oder für exakte, subtil-dramaturgische Deutung steht. Denn sie bedient sich im Bereich des Filmgenres nicht mehr des Spielfilmstils, sondern jenes des experimentellen Films, der aus der Bildenden Kunst kommt.
Die mitreißende Technik zum Staunen ist es nicht allein, warum diese Tosca unter der Regie Philipp Himmelmanns letztendlich zum ergreifendsten Seeopernstück seit Festivalbestehen wird. Auch die digitalen Dialog-Titel, links und rechts der Szenerie, machen das Geschehen genau verfolgbar, sodass die Oper in Originalsprache gesungen werden kann. Man versteht alles und noch mehr, ohne zuvor auch nur einen Satz einer Inhaltsangabe gelesen zu haben. Sollte es also Menschen geben, die bei Musik leicht einschlafen, so kommt es hier mit Sicherheit nicht dazu. Denn man lebt als Zuseher mit den Agierenden mit - ganz wie im Film.
Herausragender Sänger Brandon Jovanovich
Die Festspiele achten auch immer auf überdurchschnittliche Sänger und Gesangspartien, damit auch der ausschließliche Musikfreund auf seine Kosten kommt. Heuer sorgte einer der Cavaradossi-Darsteller, Brandon Jovanovich, dafür. Er verleiht der Maler-Figur mit seiner berückend hellen und doch vollen Bariton-Tenor-Stimme ein warmes Temperament und intoniert so innig in der Kerkerszene, dass es zu einem jener Momente wird, warum man überhaupt Oper und Liederabende liebt. Ein ausgezeichneter Sänger-Darsteller ist wie gewohnt Martin Winkler als Mesner, der eine intelligent lustige Note einbringt, wenn er mit den über des Malers Werke staunenden Kindern singt. Walküren-Stimmen haben die Tosca-Besetzungen - also nicht jedermanns Sache. Peter Sidhom liefert als Polizeichef Scarpia beste Routine.
Kammerspiel mit Hauptdarsteller "Auge"
Dass dieses dramaturgische Kammerspiel aus Liebe, Macht und Religion, das im Grunde nur aus drei Hauptfiguren besteht, auf der großen Seebühne überhaupt funktioniert, liegt aber am Hauptdarsteller der Inszenierung: dem Auge. Das, was anfangs so platt wirkt, steht für den besessenen Blick, den alle Figuren in diesem Überwachungsstaat haben: Cavaradossi, der die Augen aus reinem Schönheits- und Romantiksinn malt; Tosca, die als Bühnendiva keine andere Frau neben sich ertragen kann und überall Konkurrenz wittert; und Scarpia, der die Liebe der Tosca erzwingen will, indem er ihren Körper besitzen und sie hintergehend ihren Geliebten Cavaradossi ermorden lässt. Es handelt sich hauptsächlich um sein Auge, das da blutdurchtränkt, in Mustern aufgelöst, immer verengend-dunkler wird, und sich vom Augapfel löst, wenn die böse Absicht, das Glück der anderen zu zerstören, wahr wird. - Im Grunde ist Scarpia in seiner entschieden harten Absichtlichkeit dem Charakter der ihn erstechenden Tosca viel näher als der naive Cavaradossi. Toscas letzte Worte gelten (sinngemäß) deshalb auch dem Polizeichef, bevor sie sich in die filmische Tiefe des Auges stürzt: "Vor den Augen Gottes werden wir uns verantworten."
Neben den politischen Seitenvermerken, mit totalitärem Kirchenstaat gegen demokratische Freiheit, ist die Inszenierung in kompakten zwei Stunden also mehr als nur ein Event geworden. - Ein Weg, tiefenpsychologische Vorgänge mittels Filmeinsatz zu demonstrieren und dabei wegweisend in Sachen Freiluft-Oper. e.o./j.o.
Nach der Seebühnen-Oper Tosca der Bregenzer Festspiele 2007 stellt sich aus mehreren Blickwinkeln die Frage, wo die Kunst beginnt, wo das Event endet. Zweifellos ist diese Oper die technisch effektivste; sie ist dabei aber keinesfalls billig. - Selbst wenn man sich dazu hinreißen lassen könnte, es aufgrund vordergründiger Wahrnehmungsmuster so zu empfinden.
Vom Blockbuster zur Kunst
Das beginnt mit dem Anblick auf ein Riesenauge, das dem Zuschauer als tiefenlose Wand zweidimensional und plump entgegenstarrt, erstreckt sich über eingesetzte Stunts, wo Menschen in schwindelerregender Höhe singen und ins Wasser stürzen, und setzt sich mit der Dolby-Surround-Akustik fort, wobei die verstärkte Musik der Wiener Symphoniker unter dem Dirigat von Ulf Schirmer aus vier Richtungen, durch Geräusche betont, an die Filmmusik eines B-Blockbuster-Movies im Kino erinnert. Dass dies aber nur die ersten Verführungsschritte darstellt, um sich als Zuseher in die Geschichte hineinfallen zu lassen, zeigt sich sehr bald, indem die Technik zwar tatsächlich bombastisch bleibt, jene aber ästhetisch immer tiefer, dreidimensionaler und künstlerischer wird: sei es, dass sie mit der Musik atmet oder für exakte, subtil-dramaturgische Deutung steht. Denn sie bedient sich im Bereich des Filmgenres nicht mehr des Spielfilmstils, sondern jenes des experimentellen Films, der aus der Bildenden Kunst kommt.
Die mitreißende Technik zum Staunen ist es nicht allein, warum diese Tosca unter der Regie Philipp Himmelmanns letztendlich zum ergreifendsten Seeopernstück seit Festivalbestehen wird. Auch die digitalen Dialog-Titel, links und rechts der Szenerie, machen das Geschehen genau verfolgbar, sodass die Oper in Originalsprache gesungen werden kann. Man versteht alles und noch mehr, ohne zuvor auch nur einen Satz einer Inhaltsangabe gelesen zu haben. Sollte es also Menschen geben, die bei Musik leicht einschlafen, so kommt es hier mit Sicherheit nicht dazu. Denn man lebt als Zuseher mit den Agierenden mit - ganz wie im Film.
Herausragender Sänger Brandon Jovanovich
Die Festspiele achten auch immer auf überdurchschnittliche Sänger und Gesangspartien, damit auch der ausschließliche Musikfreund auf seine Kosten kommt. Heuer sorgte einer der Cavaradossi-Darsteller, Brandon Jovanovich, dafür. Er verleiht der Maler-Figur mit seiner berückend hellen und doch vollen Bariton-Tenor-Stimme ein warmes Temperament und intoniert so innig in der Kerkerszene, dass es zu einem jener Momente wird, warum man überhaupt Oper und Liederabende liebt. Ein ausgezeichneter Sänger-Darsteller ist wie gewohnt Martin Winkler als Mesner, der eine intelligent lustige Note einbringt, wenn er mit den über des Malers Werke staunenden Kindern singt. Walküren-Stimmen haben die Tosca-Besetzungen - also nicht jedermanns Sache. Peter Sidhom liefert als Polizeichef Scarpia beste Routine.
Kammerspiel mit Hauptdarsteller "Auge"
Dass dieses dramaturgische Kammerspiel aus Liebe, Macht und Religion, das im Grunde nur aus drei Hauptfiguren besteht, auf der großen Seebühne überhaupt funktioniert, liegt aber am Hauptdarsteller der Inszenierung: dem Auge. Das, was anfangs so platt wirkt, steht für den besessenen Blick, den alle Figuren in diesem Überwachungsstaat haben: Cavaradossi, der die Augen aus reinem Schönheits- und Romantiksinn malt; Tosca, die als Bühnendiva keine andere Frau neben sich ertragen kann und überall Konkurrenz wittert; und Scarpia, der die Liebe der Tosca erzwingen will, indem er ihren Körper besitzen und sie hintergehend ihren Geliebten Cavaradossi ermorden lässt. Es handelt sich hauptsächlich um sein Auge, das da blutdurchtränkt, in Mustern aufgelöst, immer verengend-dunkler wird, und sich vom Augapfel löst, wenn die böse Absicht, das Glück der anderen zu zerstören, wahr wird. - Im Grunde ist Scarpia in seiner entschieden harten Absichtlichkeit dem Charakter der ihn erstechenden Tosca viel näher als der naive Cavaradossi. Toscas letzte Worte gelten (sinngemäß) deshalb auch dem Polizeichef, bevor sie sich in die filmische Tiefe des Auges stürzt: "Vor den Augen Gottes werden wir uns verantworten."
Neben den politischen Seitenvermerken, mit totalitärem Kirchenstaat gegen demokratische Freiheit, ist die Inszenierung in kompakten zwei Stunden also mehr als nur ein Event geworden. - Ein Weg, tiefenpsychologische Vorgänge mittels Filmeinsatz zu demonstrieren und dabei wegweisend in Sachen Freiluft-Oper. e.o./j.o.
DAS URTEIL DER FILM REVOLUTIONIERT DIE SEEOPER: IM STIL DES BLOCKBUSTER-KINOS, UND VOR ALLEM DES TIEFENPSYCHOLOGISCHEN EXPERIMENTALFILMS: SPANNEND, INNOVATIV UND GERADE WEGEN DES TECHNIKSPEKTAKELS KUNST.
OPER Tosca * Von: Giacomo Puccini * Regie: Philipp Himmelmann * Dirigent: Ulf Schirmer * Bühnenbild: Johannes Leiacker * Mit: Wiener Symphoniker * Mit: Brandon Jovanovich (Zweitbesetzung), Martin Winkler, Peter Sidhom * Ort: Seebühne Bregenz * Zeit: bis 19.8.2007 und im Sommer 2008: 21h15
OPER Tosca * Von: Giacomo Puccini * Regie: Philipp Himmelmann * Dirigent: Ulf Schirmer * Bühnenbild: Johannes Leiacker * Mit: Wiener Symphoniker * Mit: Brandon Jovanovich (Zweitbesetzung), Martin Winkler, Peter Sidhom * Ort: Seebühne Bregenz * Zeit: bis 19.8.2007 und im Sommer 2008: 21h15
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