Monday, July 09, 2007

MUSIK: FREUDIGES KLEZMERHIGHLIGHT - DIE "17 HIPPIES"


Akkordeon-Rocker Kruisko, Gitarrist Dirk Trageser und die bildhübsche Kiki Sauer sind drei der charakterstarken Bandmitglieder der 17 Hippies

Deutsch-Brite Christopher Blenkinsop ist der eigentliche Kopf der Band und sorgt für Barden-Battles wie hier mit Banjo-Gitarrist Lüül...

... und Showacts mit dem Publikum als "Dirigent": "Give me Five" - sagt er da! Das reißt den letzten Drückeberger aus der Passivrolle.

Klarinettist Henry Notroff (rechts) ist neben Geiger Daniel Friedrichs der Klezmerischste der Truppe: und deshalb wahnsinnig toll! (Fotos © Ullrich Mücke, 17 Hippies)


OST KLUB - 4. KLEZMORE FESTIVAL DIE 17 HIPPIES AUS BERLIN LEHREN DIE ÖSTERREICHER DAS FREUEN: EINER DER HÖHEPUNKTE DES JIDDISCHEN FESTES, DER ZIEMLICH UNJIDDISCH WAR

Sie werden niemals den literarischen Nobelpreis bekommen und auch niemals das intellektuelle Niveau der jüdischen Gemeinde erreichen, aber Klasse ersten Ranges haben die Berliner 17 Hippies dennoch. Das wird zum Klezmer-Fetzen mit einer Injektion aus Ballermann als deutsche Antwort auf die Droge Funk, da bleibt kein Bein trocken. Geschwitzt wird, denn getanzt; und gestaunt. Im Wiener Ost Klub, dem zweitletzten Konzert des spannend-vielfältigen Klezmer-Festivals, organisiert von Friedl Preisl.

Dabei handelt es sich bei den 13 Musikern keineswegs (bis vielleicht auf eine Ausnahme) um typische 68-er. Sie entstammen auch nicht der ganz jungen Generation - wie man meinen könnte -, die aus modischen Gründen ja schon länger wieder die 70-er Jahre aufleben läßt. Nein, da auf der Bühne bewegen sich hauptsächlich um die 40-Jährige, die extrem guter Laune, sprich echt gut drauf sind. Das in rasend-schnellem Tempo. Mit Spielen und Hüpfen zugleich - wie geht denn das?! - Soll man hier also von Ethno-Musik sprechen, dann ehestens auf Basis von Berlins Kultur: Was heißt, auf Lebenszeit junger und freier Künstler zu sein, akzeptiert in und ausgelebt von breitem Freundeskreis.

Sonnenkinder zwischen Gottschalk und feuriger Rhythmik

Klar, dass sich solche Sonnenkinder über die Österreicher nur wundern, wie eines von ihnen in der Anmoderation staunt: "Diesen Nihilismus gibt es auch nur bei Euch; ich hab mir an einer österreichischen Tankstelle als Souvenier einen Totenkopf gekauft, den man sich eigentlich ins Auto hängen sollte ..." Dass das also - um es noch mal zu betonen - nicht nach jüdischem Geist klingt, sondern doch eher nach Warm-Up-Mallorca-Urlauber-Animation - ganz besonders wenn sie im Brünettinnen- und Blondienen-Witz endet, liegt auf der Hand. Oder wenn Posaunist Uwe Langer vom Publikum aus plötzlich aufspielt und sich darin die Bahn zur Bühne frei macht. Doch der wahnsinng schnelle Rock-Pop-Klezmer danach, mit einem ungemein eloquenten Klarinettisten Henry Notroff, einem jüdisch-temperamentvollen Daniel Friedrichs und einem rockigen Akkordeonisten Kruisko, macht klar, dass Thomas-Gottschalk-Unterhaltung und feinstes musikalisches Können durchaus Hand in Hand gehen.

Drei charismatisch-eigenständige Leadsänger

Die charismatischen drei Lead-Sänger, die alle neben ihrem Instrument eine individuelle Gesangssprache - und ein kulturelles Genre - einbringen, sorgen für spannende Wechsel innerhalb des Konzerts sowie für die emotionale Bindung zum Publikum: Der in Indonesien aufgewachsene Brit-Deutsche Christopher Blenkinsop und eigentliche Leader singt Ukulele-Irish-Bouzouki-spielend Schlager-Pop-Englisch (Just Like You) und veranstaltet Gesangs- und Gitarren-Barden-Battles sowie solche mit dem Publikum, also mit gehöriger Portion Humor, was die Stimmung zusätzlich anheizt; die bildhübsche Lana-Turner-Blondine und Frankreich-studierte Kiki Sauer singt Akkordeon-spielend auf Französisch Chansons (Son Mystere), und Gitarrist Dirk Trageser ist in Bezug auf das Berlinerische am stimmigsten: mit Liedern wie Schattenmann. Er schaut nicht nur Udo Lindenberg ähnlich, er tönt auch so. Nur die Texte hat man im Konzert akustisch leider kaum verstanden. Von Schnulze über Schnorre bis zu Klezmerrhythmik ist an sich aber alles vorhanden. Das macht Spaß!

So verwundert es selbst uns Österreicher, als Kiki Sauer erzählt: "Wir waren das erste und letzte Mal vor acht Jahren in Österreich als Vorgruppe von Georg Danzer beim Donauinselfest eingeladen, wo wir beinahe unbemerkt spielten, und der Höhepunkt des Konzerts war, als jemand vor der Bühne in den Graben fiel." - Nach diesem Konzert dürfte das revidiert sein. Hoffentlich kommen diese leibhaftigen Lebensfreuden bald wieder. Das todgestimmte Österreich kann es brauchen! e.o.


DAS URTEIL WAR EINES DER STÄRKSTEN KONZERTE DES KLEZMORE-FESTIVALS, MIT GLÜCKLICHEN DEUTSCHEN TYPEN IN RASEND SCHNELLEM KLEZMER-RHYTHMUS: BITTE NÄCHSTES MAL ABER AUF EINER GRÖSSEREN BÜHNE!

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