Thursday, November 30, 2006

OPER/TANZ: PETER SELLARS "LA PASSION DE SIMONE" IM SCHWARZ DES TODES I

Peter Sellars schwarze La Passion de Simone als gefühlsarmes Kammerstück.


NEW CROWNED HOPE IM SCHWARZBILD PETER SELLARS BETONT IN SEINER REGIE VON LA PASSION DE SIMONE ABERMALS WORT UND MUSIK - DIESMAL IST ES AUCH UNVERKITSCHT ELEGANT: DADURCH ABER NUR EINE NUMMER-SICHER-INSZENIERUNG

Schwarz als Grundtenor der Erinnerung an eine scheinbar selbstlose, tote, französisch-jüdische Mystikerin: Lichteffekte auf den Arnold Schönberg Chor im unteren Drittel der Bühne frontal zum Publikum. Sie betonen innere Gefühlswallungen und Geistesdilemma der auf dem oberen Bühnen-Zweidrittel räumlich eingekapselten Simone Weil. Sie ist gespalten, in eine singende Opernsängerin (sopranstimmlich perfekt Pia Freund) und einen gestisch-reduzierten Tänzer (unspektakulär Michael Schumacher). Kopf und Gefühl der Frau, ihre innere Zerrissenheit und ihre gefühlte Last am Leben werden so doppelt betont.

Im Libretto des in Frankreich lebenden, libanesischen Librettisten Amin Maalouf ist die 1943 im freiwilligen Hungertod Verstorbene ein geschlossenes System an frühkindlicher Selbstverachtung und späterer Liebessuche durch Selbstaufopferung für sozialwirtschaftliche und politische Gerechtigkeit. Leid und Liebe ihrer Nächsten übersah sie allerdings. Von der Fließbandarbeiterin in einer Fabrik zur Krankenpflegerin im spanischen Bürgerkrieg und letztendlich zur - als jüdischer Flüchtling - Zurückkommenden in das Nazi-besetzte Frankreich, und folglich zur Nachkriegs-Wiederaufbau-Arbeitenden Europas, erlebte sie an ihrem eigenen Leib aus Protest die Härte von Lebenssituationen geschundener, benachteiligter Menschen. So ist die Oper gebaut in fünfzehn Kreuzwegstationen, gleich der Lebensgeschichte Jesu: "Es ist ein Privileg wie Jesus am Kreuz zu sterben. Er starb am Kreuz, weil Gott ihn verlassen hatte", singt die Bühnen-Weil. Worauf der Chor feierlich und grell erleuchtet einstimmt: "Er/sie ist wieder auferstanden!"

Visuell sieht der Zuschauer diesen Weg zwar nicht, denn es spielt sich ja alles im Kopf der Frau ab, dessen Gedanken Pia Freund auf französisch ausspricht - weshalb der Zuhörer auch vom Text kaum etwas hat. Er kann nur mitlesen, was auf Dauer zu anstrengend ist: Worte wie, "alles Schlechte auf der Welt reist umher, bis es auf ein reines Opfer trifft. Das Leben ist die Vorbereitung auf den Tod. Schlagen und Geschlagen-werden ist dasselbe", und die enden, wie sie begonnen haben: "Man muß das lieben, was nicht ist."

Peter Sellars hat intellektuell Regie geführt. Es ist ein Kammerspiel, das trotz der rührseligen Worte kaum zu rühren vermag. Selbst die vom Tonband mit Frauenstimmme eingespielten, textlich schönen Originalverse Weils, die bestimmt dramatisch ergreifende Musiknotation mit Dissonanzen und Harmonien der Komponistin Kaija Saariaho, temperamentvoll dirigiert von Susanna Mälkki und ebenso wiedergegeben vom Klangforum Wien, rufen im Zuschauer kein liebevolles Bedauern um die bzw. Miterleben der Frau Simone Weil hervor. Das ist ein nüchternes, sauberes, wenn nicht sogar ein wenig eitles Kammerspiel. e.o.

DAS URTEIL WAR PETER SELLARS IN A FLOWERING TREE ZU BLUMIG, IST ER HIER ZU INTELLEKTUELL. LA PASSION DE SIMONE IST DAHER WAHRSCHEINLICH ETWAS FÜR AUSSCHLIESSLICHE DER-STANDARD-LESER.

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