Allzeitgültig: Fritz (Till Firit) ist ein grüner Macho-Junge, der am liebsten mit allen Frauen herummacht. Wenn die tief liebende Christine (Jennifer Frank oben) nicht herschaut, vergnügt er sich mit der Prolo-Mizi (Katharina Straßer unten) oder mit einer verheirateten Frau. Fotos © Gabriela Brandenstein
VOLKSTHEATER ARTHUR SCHNITZLER IST DER THEATERAUTOR DER TIEFENPSYCHOLOGIE. SEINE SÄTZE SIND ECHT WIE AUS UNSER ALLER LIEBESLEBEN GEGRIFFEN. PATRICK SCHLÖSSER SUCHT IM DETAIL EINEN NEUZEITLICHEN ZUGANG UND VERGISST DABEI DAS WICHTIGSTE
Bestimmte Sätze, die Mann und Frau in Liebesdingen äußern, sind immer gültig, ob zur vorigen Jahrhundertwende oder heute, im ausgehenden Jahrtausend. Darunter sind die schmerzhaftesten Taten und Worte, die einer ur-vertrauenden Frau widerfahren können, was zuzugeben, sie größte Überwindung kosten wird. Denn das dabei empfundene Gefühl der Demütigung, für den anderen - backfischigen, eitlen Mann - nicht genügend "wert" gewesen zu sein, währt ewig, wenn sie erst einmal enttäuscht stammeln muß: "Ich wäre für ihn gestorben, und er läßt sich für eine andere erschießen."
Am eigenen Leibe in zahlreichen Affairen erfahren, brachte Schnitzler solche wahre Facetten der Liebeständelei auf Papier und Bühne, Sätze von Mann und Frau in ihren typischen reflexartigen Mustern der Liebesbekundung, Liebesangst und Liebesflucht. Mit (Macho-)Männer-Sagern wie: "Schreib einer Geliebten niemals Liebesbriefe! Mach keine konkreten Versprechungen!", und Frauen-Sagern wie: "Ich verstehe sein Verhalten nicht. Verstehst du das?"
Tolles Klasse-Stück, lückenhafte Schmuddel-Regie
Wegen dieser tiefenpsychologisch wahren Sätze ist der Besuch von Liebelei im Wiener Volkstheater keine verlorene Zeit. Die Regie des seit 2004 an österreichischen Bundesländer-Bühnen inszenierenden Deutschen, Patrick Schlösser, ist es eher. Denn unklar ist, was dieser Regisseur sagen will, wenn Beliebigkeiten einander abwechseln: Ausstattungsmäßig (Etienne Pluss, Uta Meenen) stehen eine grossräumige Sitzgarnitur und Leuchte der 80-er Jahre für den Yuppie-Status von Fritz und seines Freundes Theodor, während sie zeitlos elegante, schwarze Nadelstreif-Anzüge tragen. Ein billiger, weißer Vorhang an der Rückwand mag für ihren dekadenten Luxus stehen, nur ist das alles zusammen ästhetisch so grauslig arrangiert, dass es nur an die nicht vorhandene Kassa des Volkstheaters für passende Requisiten erinnert.
Vielleicht weiß dies der fantasievolle Besucher aber dennoch zu entschuldigen, indem er in der Zeit-Undefinierbarkeit so etwas wie "Allgemeingültigkeit" abliest. Die plötzlich ertönenden modischen Einlagen, wie wenn Fritz, Theodor und die "Wiener Mädeln", Mizi und Christine, als Teeniegroup Pop singen, müssen schließlich etwas bedeuten. Da dann aber doch wieder werkgetreu das Duell der Satisfaktion aus dem beginnenden letzten Jahrhundert folgt, scheint dahinter nichts als strategischer "Zufall" zu stecken.
Deutsche Sprecher mit Wiener Dialogen
Zusätzliche Irritation liefern - bis auf die expressive Freundin Mizi als wollüsterne Prolo-Göre (Katharina Straßer), die Sex in Mengen wie Schokoladetorten genießt - die nicht-wienerischen Darsteller im wienerischen Dialog. Gut, auch Alain Delon war kein Wiener - und mit ihm wird seit der Verfilmung von Liebelei ("Christine") neben Partnerin Romy Schneider jede Neuinszenierung gemessen. Alain wirkte dennoch "klasse", wovon es bei diesen Darstellern gar nichts zu geben scheint. Vielleicht repräsentieren sie dadurch aber sinnvollerweise wieder unsere heutige "Klassenlosigkeit", wo der Geschmack des Einzelnen nicht mehr persönlich entwickelt, sondern ausschließlich durch Markt, Mode und Wirtschaft aufgedrückt ist.
Konkret haben wir mit Jennifer Frank als Christine wegen ihrer bodenständigen Optik und deutschen Natur ein weniger naives und verletzliches Mädchen als Romy, die aber dennoch suggeriert, wie sehr sich heutige coole Mädchen im sexuell freizügigen Alltag samt widersprüchlich konservativer Erziehung noch "verbrennen" können.
Till Firit hat als egozentrischer Mode-"Fritz", in seiner Eitelkeit bestärkt durch Theodor (Raphael von Bargen), seinen einprägendsten Moment, als er bei Christine vorbei schaut, bevor er sich wegen der Affaire zur verheirateten Frau tödlich duelliert: die ganze Spannbreite zwischen schlechtem Gewissen und Feigheit liegt in seinem Spiel. In seiner letzten Chance, durch Ehrlichkeit Verantwortung zu beweisen, ist er - typisch Mann - zu unreif und zu schwach, Christines Verachtung hinzunehmen, sodass sie sie später gegen sich selbst lenken und sich umbringen wird.
- Bei all den Querverweisen ins Heute, fehlt der Version nun aber ein entscheidender Hinweis: Unsere neuzeitliche "Leistung", dass zwar kein einfühlsamerer Umgang zwischen den Geschlechtern herrscht, dafür aber nicht mehr "ausschließlich" mit Frauen falsch gespielt wird: heute kommen auch die Männer dran! Selbst wenn die Methoden eigennütziger Mädchen und Frauen anders sein mögen ... e.o.
Bestimmte Sätze, die Mann und Frau in Liebesdingen äußern, sind immer gültig, ob zur vorigen Jahrhundertwende oder heute, im ausgehenden Jahrtausend. Darunter sind die schmerzhaftesten Taten und Worte, die einer ur-vertrauenden Frau widerfahren können, was zuzugeben, sie größte Überwindung kosten wird. Denn das dabei empfundene Gefühl der Demütigung, für den anderen - backfischigen, eitlen Mann - nicht genügend "wert" gewesen zu sein, währt ewig, wenn sie erst einmal enttäuscht stammeln muß: "Ich wäre für ihn gestorben, und er läßt sich für eine andere erschießen."
Am eigenen Leibe in zahlreichen Affairen erfahren, brachte Schnitzler solche wahre Facetten der Liebeständelei auf Papier und Bühne, Sätze von Mann und Frau in ihren typischen reflexartigen Mustern der Liebesbekundung, Liebesangst und Liebesflucht. Mit (Macho-)Männer-Sagern wie: "Schreib einer Geliebten niemals Liebesbriefe! Mach keine konkreten Versprechungen!", und Frauen-Sagern wie: "Ich verstehe sein Verhalten nicht. Verstehst du das?"
Tolles Klasse-Stück, lückenhafte Schmuddel-Regie
Wegen dieser tiefenpsychologisch wahren Sätze ist der Besuch von Liebelei im Wiener Volkstheater keine verlorene Zeit. Die Regie des seit 2004 an österreichischen Bundesländer-Bühnen inszenierenden Deutschen, Patrick Schlösser, ist es eher. Denn unklar ist, was dieser Regisseur sagen will, wenn Beliebigkeiten einander abwechseln: Ausstattungsmäßig (Etienne Pluss, Uta Meenen) stehen eine grossräumige Sitzgarnitur und Leuchte der 80-er Jahre für den Yuppie-Status von Fritz und seines Freundes Theodor, während sie zeitlos elegante, schwarze Nadelstreif-Anzüge tragen. Ein billiger, weißer Vorhang an der Rückwand mag für ihren dekadenten Luxus stehen, nur ist das alles zusammen ästhetisch so grauslig arrangiert, dass es nur an die nicht vorhandene Kassa des Volkstheaters für passende Requisiten erinnert.
Vielleicht weiß dies der fantasievolle Besucher aber dennoch zu entschuldigen, indem er in der Zeit-Undefinierbarkeit so etwas wie "Allgemeingültigkeit" abliest. Die plötzlich ertönenden modischen Einlagen, wie wenn Fritz, Theodor und die "Wiener Mädeln", Mizi und Christine, als Teeniegroup Pop singen, müssen schließlich etwas bedeuten. Da dann aber doch wieder werkgetreu das Duell der Satisfaktion aus dem beginnenden letzten Jahrhundert folgt, scheint dahinter nichts als strategischer "Zufall" zu stecken.
Deutsche Sprecher mit Wiener Dialogen
Zusätzliche Irritation liefern - bis auf die expressive Freundin Mizi als wollüsterne Prolo-Göre (Katharina Straßer), die Sex in Mengen wie Schokoladetorten genießt - die nicht-wienerischen Darsteller im wienerischen Dialog. Gut, auch Alain Delon war kein Wiener - und mit ihm wird seit der Verfilmung von Liebelei ("Christine") neben Partnerin Romy Schneider jede Neuinszenierung gemessen. Alain wirkte dennoch "klasse", wovon es bei diesen Darstellern gar nichts zu geben scheint. Vielleicht repräsentieren sie dadurch aber sinnvollerweise wieder unsere heutige "Klassenlosigkeit", wo der Geschmack des Einzelnen nicht mehr persönlich entwickelt, sondern ausschließlich durch Markt, Mode und Wirtschaft aufgedrückt ist.
Konkret haben wir mit Jennifer Frank als Christine wegen ihrer bodenständigen Optik und deutschen Natur ein weniger naives und verletzliches Mädchen als Romy, die aber dennoch suggeriert, wie sehr sich heutige coole Mädchen im sexuell freizügigen Alltag samt widersprüchlich konservativer Erziehung noch "verbrennen" können.
Till Firit hat als egozentrischer Mode-"Fritz", in seiner Eitelkeit bestärkt durch Theodor (Raphael von Bargen), seinen einprägendsten Moment, als er bei Christine vorbei schaut, bevor er sich wegen der Affaire zur verheirateten Frau tödlich duelliert: die ganze Spannbreite zwischen schlechtem Gewissen und Feigheit liegt in seinem Spiel. In seiner letzten Chance, durch Ehrlichkeit Verantwortung zu beweisen, ist er - typisch Mann - zu unreif und zu schwach, Christines Verachtung hinzunehmen, sodass sie sie später gegen sich selbst lenken und sich umbringen wird.
- Bei all den Querverweisen ins Heute, fehlt der Version nun aber ein entscheidender Hinweis: Unsere neuzeitliche "Leistung", dass zwar kein einfühlsamerer Umgang zwischen den Geschlechtern herrscht, dafür aber nicht mehr "ausschließlich" mit Frauen falsch gespielt wird: heute kommen auch die Männer dran! Selbst wenn die Methoden eigennütziger Mädchen und Frauen anders sein mögen ... e.o.
DAS URTEIL DAS STÜCK ARTHUR SCHNITZLERS VON OBERFLÄCHLICHER UND TIEFER LIEBE IST EINE WEISHEIT VON UNSCHÄTZBAREM WERT. DIE INSZENIERUNG VON PATRICK SCHLÖSSER IST ES WENIGER.
THEATER: Liebelei * Autor: Arthur Schnitzler * Regie: Patrick Schlösser * Mit: Jennifer Frank, Till Firit, Katharina Straßer * Ort: Volkstheater * Zeit: 10., 13., 16.4.07: 19h30-21h
THEATER: Liebelei * Autor: Arthur Schnitzler * Regie: Patrick Schlösser * Mit: Jennifer Frank, Till Firit, Katharina Straßer * Ort: Volkstheater * Zeit: 10., 13., 16.4.07: 19h30-21h
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