Tuesday, January 16, 2007

POLITIK+TANZ: DER SCHREI DER MACHTLOSEN ODER WIE RECHT DAS TANZTHEATER HOMUNCULUS IN "WIENER KÜCHE" HAT



Das Tanztheater homunculus zeigte im Stück Wiener Küche, wie sich die meisten Künstler nach dem Regierungspaket unter Bundeskanzler Gusenbauer fühlen: verunsichert und gehemmt. Da kann man nur höchst professionell raufen (schreien) wie Amadeus Berauer und Julian Timmings und findet so zur Kunst, die hoffentlich endlich gehört wird! (Foto © Max Moser)


ZUM SPÖ-ÖVP-REGIERUNGSPAKET ALLES, WAS MAN TUN KANN, IST SCHREIEN - DAS TANZTHEATER HOMUNCULUS HAT IN SEINER WIENER KÜCHE VÖLLIG RECHT GEHABT!

Nach der ersten stummen Erschütterung, erholen wir uns langsam und ringen uns zu einem Kommentar bezüglich des aktuell von SPÖ und ÖVP beschlossenen Regierungspakets durch. Nur auf die Kulturfragen konzentriert, versteht sich; - alle Ergebnisse zusammen zu betrachten, wäre noch immer unmöglich, da schlicht und ergreifend unfaßbar.

Was da heraus gekommen ist, hilft uns nun aber wenigstens, die lange versprochene Kritik zum Stück Wiener Küche des Tanztheaters homunculus nachzureichen. Im Klartext dienen die entsetzlichen politischen Ergebnisse als Erklärung für jene inhaltliche Unlogik im Stück, die bisher nicht zu begreifen war. Doch jetzt, da die Realität die Irrealität bestätigt hat, der Unsinn über den Sinn siegt, wird die Unlogik logisch. Das ist Magie. Das muss also Kunst sein. Dass sie dabei allein aus unserer österreichischen Politik schöpft, gibt allerdings zu denken. - So irr ist Österreich.

Wie ein Tanzstück die Regierungsergebnisse vorweg nimmt

Also: Im besagten Stück Wiener Küche wird das Publikum zuerst von den Tänzern in Big-Brother-is-watching-you-Manier durch einen selbstgebastelten "Irrgarten" geführt. Über "Kontrollpersonal", das fragt, ob man Künstler, gerade arbeitslos und beim AMS gemeldet sei, gelangt es ins "Auditorium". Den "Neoliberalismus" angklagend - sprich all das, was Karl-Heinz Grasser darstellt - wird die Tanzgruppe beim "Wiener" Kochen präsentiert, die sich alsdann in eine Jury- und Bewertungsgruppe teilt: die Beurteilten gefallen nur in Mustern internationaler Massen-Markt-Norm wie Strip (à la Chippendales), Standardtänzen (á la Dancingstars bzw. Tango) und Einheitsbewegung. Daneben werden die Tänzer - da sie vom Tanz allein nicht leben können - in ihren Zweitjobs angepriesen: als Masseure und Dienstleister. Doch in stillen Momenten zeigen sich Einzelne von ihnen in schizoiden Tanzisolationen, worin sie traurig und monoton über ihre fehlende künstlerische Individualität nachdenken, um sich sogleich wieder in gruppenhaften Tanzübungsstunden gegenseitig anzupassen. Genau da kommt es aber zum großen Tanzkunstwerk des Abends: als Amadeus Berauer und Julian Timmings in einen Zweikampf geraten. Das ist technisch und theatral so gekonnt, dass der Zuschauer sowohl herzhaft lachen, als auch staunen muss. Die bittere Ironie dabei ist allerdings, dass diese "Kunst" tatsächlich nur zufällig entstehen konnte, nicht im Rahmen der Norm, die zuvor von den (politisch beeinflußten) Juroren als gut befunden wurde. Die echte Kunst bleibt für die Außenwelt unsichtbar, verweilt in intimen, geheimen Momenten verunsicherter Experimentier-Künstler.

Künstlern bleibt nur zu schimpfen und zu schreien

Was uns Kritiker hinsichtlich der Stückbewertung nun so lange schweigen ließ, war der Widerspruch in der politischen Anklage: nicht nur die Tanzbedingungen und -kategorien wurden angeprangert, sondern unkonkret direkt und rigoros die verantwortlichen Politiker aus Stadt und Bund: Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ Wien) und (Ex-)Kunststaatssekretär Franz Morak (ÖVP). Die Beschimpfung über Tonbandrede des Choreografen Manfred Aichinger schien sich in ihrer Sinnhaftigkeit selbst zu entkräften, denn sowohl die Tanzkompagnie homunculus, als auch das Stück Wiener Küche waren von der Wien Kultur und dem Bundeskanzleramt/Kunst subventioniert! Das war also eine Beschimpfung aus reinem Selbstzweck, Schimpfen, nur um zu schimpfen.
- Nachdem das Ergebnis der neuen Bundesregierung aber nun auf dem Tisch liegt - und sämtliche Hoffnungen einer Änderung des generellen Grundtenors einer Kunst jenseits der neoliberalen "creative industries" zerstört sind - muss man sagen: das tanztheater homunculus hat schlichtweg recht gehabt. Man kann als Künstler nur schreien. Denn Versprechen werden in diesem Land nur gegeben, nicht gehalten.

SPÖ versprach und brach

- Die SPÖ sollte zum Beispiel für die Kunstagenden in den Bund kommen und als vollwertiges Kunstministerium Kunststaatssekretär Franz Morak ersetzen, doch niemand "künstlerischerer" als eine hauptberufliche Finanzberaterin ist Bundeskanzler Alfred Gusenbauer dafür eingefallen. Besagte Dr. Claudia Schmied wäre eigenen Angaben zufolge ebenso in ein Finanzministerium gezogen, hätte man es ihr angeboten. Das schließt mit ein, dass ihre Kunstliebe nicht von innen, sondern ausschließlich vom geschmäcklerischen Außen kommen muss - Stichwort: Kunst der PR- und nicht Kritik-Mentalität! - Unser aller künstlerischer Schrei aus Selbstzweck erfüllt daher seinen Zweck. Den Zweck der Enttäuschung und des Rufs nach Wiedergutmachung!

Dabei denken wir allein an die Grundsicherung: Kommt sie erst ab 2010, ist beispielsweise mancher von und auf intimacy: art entweder verhungert oder zum hoffnungslos verlorenen Kapitalisten mutiert - und darauf scheint die (neue-alte) Politik zu spekulieren. Zu veräußern gibt es schon jetzt nichts mehr. Wir - und das "wir" steht hier für all die vielen Künstler und Einzelkämpfer außerhalb kreativferner Marktformate - sind nach den kunstfeindlichen letzten Jahren am Ende unserer Vorräte und Kapazitäten. Und dabei haben wir aber den Verdacht, dass es darüber hinaus noch schlimmer kommen wird: Denn der Gradmesser für Kunst lautet weiterhin "creative industries", und damit alles das, was in vorgefestigte Schemata des Markts passen muss. Die Regierung bleibt desinteressiert an authentischer, originärer Kunst.
Es lebe die un-freie Marktwirtschaft!

Realität der Animal Farm

Es ist wohl symptomatisch, dass selbst Andreas Mailath-Pokorny die Position des Kunstministers (bzw. des "abgeschwächten" Unterrichtsministers, der auch für Kunst zuständig ist) im Vorfeld nicht annehmen wollte. Wahrscheinlich erkannte auch er sofort, dass sich unter seinen roten Freunden ähnliches abspielt wie in der Animal Farm. Darin sagen die revolutionierenden "Schweine" (SPÖ) zu den mitstreitenden Farmtieren, während sie gemeinsam die "Bauern" (ÖVP) besiegen: "Alle Tiere sind gleich!" Doch wenig später, nachdem die Schweine mit den Menschen (ÖVP) kooperieren, korrigieren sie sich: "Alle Tiere sind gleich! Aber manche Tiere sind gleicher!"
- So schreien wir verbleibenden ungleichen Tiere (Künstler und unabhängigen Journalisten) also weiter und durch. Denn das scheint die einzig sinnvolle Sprache der Machtlosen zu sein. e.o., a.c., r.r.

DAS URTEIL AUSWÄGENDE UND FRIEDVOLLE MENSCHEN MÖCHTEN IMMER DAS BESTE GLAUBEN. HUNGERT MAN SIE AUS UND HINTERGEHT MAN SIE, FANGEN DIE FRIEDVOLLSTEN ABER AN ZU SCHREIEN. - WO BLEIBT DER VON DER SPÖ VERSPROCHENE STIMMUNGSWECHSEL ZUR AUFWERTUNG VON KUNST, KÜNSTLERN, INNOVATIV-ANDERSDENKENDEN UND SOZIAL SCHWACHEN?

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