SCHAUSPIELHAUS WIEN DER NEW YORKER PUPPENKÜNSTLER ROMAN PASKA ZAUBERT EIN ANSPRUCHSVOLLES THEORIEGEBILDE ÜBER BEETHOVENS GEHÖRLEIDEN AUF DIE BÜHNE - ETWAS ZUM NACHDENKEN
Ohne Begeisterung für abstraktes Denken wird man mit Roman Paskas Uraufführung, Beethoven In Camera, im Schauspielhaus Wien nicht viel anzufangen wissen. Dass da ein Stück gespielt wird, das von der Selbstwahrnehmung Beethovens, seinen inneren Kämpfen mit seiner nahenden Taubheit handelt, wird als Wissensgrundlage ebenfalls nicht genügen. Hilfreich ist allerdings, prinzipiell davon auszugehen, dass die Umsetzung von Paskas "Beethoven" über fünf Alter Egi, aufgesplittet auf sechs Puppen erfolgt. Zudem scheinen sämtliche Puppen gleichzeitig für reale Personen in Beethovens Leben, sowie für Projektionen in seine Person aus heutiger Sicht, zu stehen. - Was auch immer Puppenspieler Roman Paska genau ausdrücken wollte, der Theaterabend reizt zum Nachdenken und macht darauf neugierig, Beethovens reales Leiden genauer zu erforschen.
Beethovens Krankheit als zum Kentern verurteilte Meeresreise
Dieser Beethoven bekommt von Paska einen anderen Namen verpaßt: Tom. Ein Tom, der in übergeordnetem Sinne auch noch für jeden Menschen steht. Denn jeder hat in seinem Leben eine Reise zu begehen, mit der Gefahr, jeder Zeit zu Tode zu kommen. In Toms (Beethovens) Fall zu ertrinken, denn seine Reise spielt sich naheliegenderweise auf dem Meer ab, passend zu Beethovens Jahrzehnte langem Gehörleiden an Otosklerose. Unerträgliche, dumpfe Rausch- und Klopfgeräusche begleiteten ihn, während er seine Musik komponierte und dirigierte. Seine Depressionen darüber schrieb er während eines Kuraufenthalts im Heiligenstädter-Testament nieder, das Jahre nach seinem Tod gefunden wurde - neben rätselhaften Briefen "an die unsterbliche Geliebte" - ein Indiz für seinen hinzu kommenden, ewigen Liebeskummer.
Glaubte man lange, dass die Krankheit, des zu seinen Lebzeiten berühmten Komponisten, aufgrund von mit Morphium behandelter Syphilis entstanden war, so scheint heute bewiesen, dass sich Beethoven in jungen Jahren eine Vergiftung durch einen zu hohen Bleigehalt im Trinkwasser zugezogen hatte.
Beethoven war Normalo, Liebender, Punker und sein eigener Mörder
Auf all das spielt Paska in seinem Stück an: eine Puppe in weißem Maßanzug und mit schwarzer Maske steht für die Intrige, das Böse im Leben, und erinnert an die Figur des "Brighella" der Commedia dell´Arte, der rücksichtslos mit Menschen spielt, um die Welt neu einzurichten. Er bringt letztendlich das Boot, auf dem "der neutrale Durchschnittsreisende" fährt, zum Kentern. Davor begegnet jener einer "Frau", die ihn bis zum Meeresgrund verführt. Erst mitten auf der Reise taucht die äußerlich erkennbare Figur des Beethoven auf. Sein Gehörsinn ist ein rockender "Punker", der irgendwann tot im Instrumentenkasten weggetragen wird. - Zuvor gibt er als heutiger Rockstar aber noch eine "Pressekonferenz".
Skalpierungen (Haaraufsetzen und -abnahme) stehen als Parallele zum Verlust von Projektionen und Potenz. Mutationen der einzelnen Puppen und ein Gefecht mit zwei Dirigierstäben zeigen die ständigen psychischen Verlagerungen und verschiebenden Wahrnehmungszustände, ausgelöst von der Krankheit, die alle Puppen (mittels Spritze) befällt. - Dementsprechend verändert sich auch die Musik des Komponisten.
Was Beethoven letztenendes heute ist, scheint ein Resultat aus alledem zu sein, ein ewiges Forschungsfeld, eine Reise, die am Ende von vorne beginnt.
Bestach Roman Paska in seinem letztjährigen Gastspiel Dead Puppet Talk - neben seinen gewohnt wunderschönen, filgranen, edlen Puppen und ebensolchem Requisiten-Design (Donna Zakowska) - durch exakte Bewegung und Rhythmik im Puppenspiel, so geht er heuer hauptsächlich den erzählerischen Weg. Wieder unterbricht er das Spiel durch gelesene Handlungsanweisungen, die Puppen sprechen in anspruchsvollem Englisch (was entsprechende Sprachkenntnisse erfordert) miteinander, begleitet vom filmisch professionellen Soundmix von Paul Prestipino. In schwarzen Fracks und Melonen überlassen er und seine beiden Puppenspieler (Uta Gebert, Gabriel Hermand-Priquet) nichts dem Zufall. e.o./h.o.
Ohne Begeisterung für abstraktes Denken wird man mit Roman Paskas Uraufführung, Beethoven In Camera, im Schauspielhaus Wien nicht viel anzufangen wissen. Dass da ein Stück gespielt wird, das von der Selbstwahrnehmung Beethovens, seinen inneren Kämpfen mit seiner nahenden Taubheit handelt, wird als Wissensgrundlage ebenfalls nicht genügen. Hilfreich ist allerdings, prinzipiell davon auszugehen, dass die Umsetzung von Paskas "Beethoven" über fünf Alter Egi, aufgesplittet auf sechs Puppen erfolgt. Zudem scheinen sämtliche Puppen gleichzeitig für reale Personen in Beethovens Leben, sowie für Projektionen in seine Person aus heutiger Sicht, zu stehen. - Was auch immer Puppenspieler Roman Paska genau ausdrücken wollte, der Theaterabend reizt zum Nachdenken und macht darauf neugierig, Beethovens reales Leiden genauer zu erforschen.
Beethovens Krankheit als zum Kentern verurteilte Meeresreise
Dieser Beethoven bekommt von Paska einen anderen Namen verpaßt: Tom. Ein Tom, der in übergeordnetem Sinne auch noch für jeden Menschen steht. Denn jeder hat in seinem Leben eine Reise zu begehen, mit der Gefahr, jeder Zeit zu Tode zu kommen. In Toms (Beethovens) Fall zu ertrinken, denn seine Reise spielt sich naheliegenderweise auf dem Meer ab, passend zu Beethovens Jahrzehnte langem Gehörleiden an Otosklerose. Unerträgliche, dumpfe Rausch- und Klopfgeräusche begleiteten ihn, während er seine Musik komponierte und dirigierte. Seine Depressionen darüber schrieb er während eines Kuraufenthalts im Heiligenstädter-Testament nieder, das Jahre nach seinem Tod gefunden wurde - neben rätselhaften Briefen "an die unsterbliche Geliebte" - ein Indiz für seinen hinzu kommenden, ewigen Liebeskummer.
Glaubte man lange, dass die Krankheit, des zu seinen Lebzeiten berühmten Komponisten, aufgrund von mit Morphium behandelter Syphilis entstanden war, so scheint heute bewiesen, dass sich Beethoven in jungen Jahren eine Vergiftung durch einen zu hohen Bleigehalt im Trinkwasser zugezogen hatte.
Beethoven war Normalo, Liebender, Punker und sein eigener Mörder
Auf all das spielt Paska in seinem Stück an: eine Puppe in weißem Maßanzug und mit schwarzer Maske steht für die Intrige, das Böse im Leben, und erinnert an die Figur des "Brighella" der Commedia dell´Arte, der rücksichtslos mit Menschen spielt, um die Welt neu einzurichten. Er bringt letztendlich das Boot, auf dem "der neutrale Durchschnittsreisende" fährt, zum Kentern. Davor begegnet jener einer "Frau", die ihn bis zum Meeresgrund verführt. Erst mitten auf der Reise taucht die äußerlich erkennbare Figur des Beethoven auf. Sein Gehörsinn ist ein rockender "Punker", der irgendwann tot im Instrumentenkasten weggetragen wird. - Zuvor gibt er als heutiger Rockstar aber noch eine "Pressekonferenz".
Skalpierungen (Haaraufsetzen und -abnahme) stehen als Parallele zum Verlust von Projektionen und Potenz. Mutationen der einzelnen Puppen und ein Gefecht mit zwei Dirigierstäben zeigen die ständigen psychischen Verlagerungen und verschiebenden Wahrnehmungszustände, ausgelöst von der Krankheit, die alle Puppen (mittels Spritze) befällt. - Dementsprechend verändert sich auch die Musik des Komponisten.
Was Beethoven letztenendes heute ist, scheint ein Resultat aus alledem zu sein, ein ewiges Forschungsfeld, eine Reise, die am Ende von vorne beginnt.
Bestach Roman Paska in seinem letztjährigen Gastspiel Dead Puppet Talk - neben seinen gewohnt wunderschönen, filgranen, edlen Puppen und ebensolchem Requisiten-Design (Donna Zakowska) - durch exakte Bewegung und Rhythmik im Puppenspiel, so geht er heuer hauptsächlich den erzählerischen Weg. Wieder unterbricht er das Spiel durch gelesene Handlungsanweisungen, die Puppen sprechen in anspruchsvollem Englisch (was entsprechende Sprachkenntnisse erfordert) miteinander, begleitet vom filmisch professionellen Soundmix von Paul Prestipino. In schwarzen Fracks und Melonen überlassen er und seine beiden Puppenspieler (Uta Gebert, Gabriel Hermand-Priquet) nichts dem Zufall. e.o./h.o.
DAS URTEIL DIESER ABEND IST INTELLEKTUELL ANSPRUCHSVOLL. EINE STARKE ABSTRAKTION AUS PUPPENSPIEL-THEORIEN, WAS VOR ALLEM FÜR INSIDER DIESES GENRES EIN LECKERBISSEN SEIN WIRD. DER THEATERLIEBHABER WIRD SICH DAGEGEN MEHR KLARHEIT ERHOFFEN. DOCH ALLEIN DIE PUPPEN ZU BEWUNDERN - IST EIN ERLEBNIS.
Theater Beethoven in Camera * Buch, Regie und Spiel: Roman Paska * Puppenspiel: Uta Gebert, Gabriel Hermand-Priquet * Ort: Schauspielhaus Wien * Zeit: bis 4.2., täglich außer Montag, 20h
Theater Beethoven in Camera * Buch, Regie und Spiel: Roman Paska * Puppenspiel: Uta Gebert, Gabriel Hermand-Priquet * Ort: Schauspielhaus Wien * Zeit: bis 4.2., täglich außer Montag, 20h
No comments:
Post a Comment