Wie integriert ein Künstlerpaar den Mann vom Amt (Roland Kenda) in den Film? - Er wird zum Gegenspieler seiner Liebe und darf als neuer Patschenmann zu Anne (Stefanie Dvorak) ins Haus. Das macht Johann (Johannes Krisch) sauer, aber es ist ohnehin nicht "echt" - oder doch?, Foto © Georg Soulek / Burgtheater
BURGTHEATER REGISSEUR RUDOLF FREY VERSTEHT MIT SEINEN JUNGEN JAHREN ERSTAUNLICH VIEL VON BEZIEHUNGEN. ODER AUTOR MARTIN HECKMANNS HAT ES IHM NUR SCHLAU UND EINFÜHLSAM EINGESAGT
Da trifft ja mal ein ausnehmend guter Regisseur auf ein ausnehmend gutes Stück! - Der erst 24-jährige Rudolf Frey hat Das wundervolle Zwischending des Deutschen, Martin Heckmanns (35), im Burgtheater-Vestibül verstanden und interpretiert. Intelligent interpretiert. Heckmanns´ Text entschachtelt sich durch Wortspiele. Frey betont sie puristisch verspielt durch mehrdeutige, symbolhafte und vielfach verwendbare Bühnendetails. Eingerichtet von Vincent Mesnaritsch, der genau das richtige Maß an erträglicher Requisitenfülle für den schwierig zu gestaltenden barocken Raum gefunden hat. Um zu betonen, dass sich jeder Zuschauer angesprochen fühlen darf, stehen anfangs auf der Bühnenseite Zuschauerstuhlreihen spiegelverkehrt zum Zuschauerraum, verstärkt durch einen Spiegel an der Rückwand.
Unfreie freischaffende Künstler
Warum, das erzählt die einfache Handlung: Ein Pärchen, das seit sieben Jahren zusammen ist, versucht seine einstige Liebe aufzufrischen, indem es sie ab dem ersten Kennenlernen verfilmt. Zeit dazu hat es. Denn es "genügt" ihm, ein vom Sozialamt finanziertes Künstlerdasein zu leben. Was machen da schon die paar Stunden Schneeschippen zwischendurch, ohne das die Gelder gestrichen würden? Oder der Kontrolleur, der als Mann vom Amt wie die Frau Oberlehrer aller Schüleralbträume, das ganze Stück über "fast wortlos" auf der Bühne steht? - Obwohl sich hier also zwei Menschen offensichtlich zugunsten freischaffender Tätigkeit für die Armut und gesellschaftliche Machtlosigkeit entschieden haben, sind sie dennoch nicht "frei": Nicht nur, dass dieser Mann vom Amt durch seine Dauerpräsenz auf Annes (Stefanie Dvorak) und Johanns (Johannes Krisch) Psyche einwirkt, er versucht sie auch zu überreden, öffentliche Förderungen für ihr Projekt in Anspruch zu nehmen. - Die paar kleinen Änderungen in "ihrem" intimen Film als Bedingung dafür - wie "nur mit anderen Darstellern" - sollten "echte" Künstler im hippen Wirtschaftszeitalter doch hinnehmen können! Und darum geht es im Grunde: um die Relevanz der Echtheit in Kunst und Liebe, wobei "diese Künstler" ihre "echte Kunst" aber gar nicht veröffentlichen wollen, sondern als "echte Liebe" für sich behalten wollen.
"Echte" Liebe, "echte" Kunst
Erkennbar wird die Echtheit erst durch Provokationen und Diskussionen, über reflexives und aktives Schaffen: Doch beginnen Anne und Johann schon während des Filmdrehs mit bewußter Manipulation, um die Dramaturgie des Films spannender als die Realität zu machen. Der Mann vom Amt wird kurzerhand als - auch privater! - "Gegenspieler" eingesetzt, indem er den Liebhaber von Anne mimt - was dank Regie und Spiel von Roland Kenda zum Schießen trocken pointiert ist, während er an Johanns Statt neben Anne wie selbstverständlich Hauspatschen anzieht.
Da die Inszenierung dann in gewisser Weise aber auch ins reale Leben überfließt, wird klar: Selbst im "Echten" dominiert die Konstruktion. Nur über sie behält das Leben seinen Reiz. Alles neu oder alt Gelernte wurde ja auch einmal als Inszenierung angeeignet. Und erst durch die Automatisierung bekam es den Wert der Echtheit. Also: die Inszenierung muß immer wieder auf ein Neues passieren, damit das soziale Leben überhaupt stattfinden kann. Am plakativsten geschieht das im Sex:
Die Krux mit dem langweiligen Sex
So konstatiert Johann, nach sieben Jahren mit Anne: "Warum gibt es keine aufregenden Bilder über Treue?" Doch die Beiden sind dann beim Dreh - oder geschieht das nun privat? - so kreativ und leidenschaftlich, dass Anne Johann beim Badewannen-Fick beinahe ertränkt. Später reflektiert Johann: "Ich hasse es, dass ich dich begehre, wenn du dich wie eine Nutte herrichtest", und hat - da ein Mann - Angst davor, eines Tages die Lust an ihr zu verlieren: "Vielleicht werde ich später einmal zum Kinderschänder?" Worauf sie - da eine Frau - an ihrem dauerhaften Glück festhält und sagt: "Gut, dass wir im Alter viel schlechter sehen und nicht erkennen müssen, wie häßlich wir werden." Darauf er: "Ich glaube, wir reden an einander vorbei." In der Altersszene scheint das mit dem Sex dann aber gar nicht mehr so wichtig zu sein, denn Johann sagt nur noch: "Hier bin ich." Und sie: "Willst Du mich retten?" (Eine Frage, die sie ihm schon in jungen Jahren stellte.)
Die ewigen Rätsel sind es, die man liebt
All das Unverständnis und Geschlechter-Typische, das bereits anfangs bestand - indem ihre Bilder von einander weder übereinstimmten, noch dass sie einander durchschauten -, bleibt bis zuletzt erhalten. Genau diese Rätsel sind es, diese "echten Fakes" - ob automatisiert oder inszeniert - die sie zusammen bleiben und sich ergänzen läßt. Und sollte einmal jemand gelangweilt glauben, alles von seinem Partner zu kennen, so muss er nur genauer hinsehen. Denn die liebenswerten Geheimnisse liegen überall als rote Bälle um ihn herum verstreut oder stecken in seinen roten Kleideraccessoires - zumindest bei Anne und Johann ist es so. - Zur Feier dieser Erkenntnis ein Feuerwerk! Denn echt kann die kitschige Liebe sein! Sie immer wieder neu zu "erschaffen", darum muss sich allerdings jeder selbst zuerst bemühen. e.o.
DAS URTEIL EIN FEINES STÜCK ÜBER DIE ECHTHEIT VON LIEBE UND KUNST. MIT SCHÖNEM, INTELLIGENTEM TEXT UND EBENSOLCHER REGIE. UNGEWOHNTER KITSCH, DA MIT TROCKENEM HUMOR VERSEHEN.
Auf intimacy: art (www.intimacy-art.com) in artists / talks ist Autor MARTIN HECKMANNS im O-Ton zu hören und zu lesen!
Theater Das wundervolle Zwischending * Von: Martin Heckmanns * Regie: Rudolf Frey * Mit: Stefanie Dvorak, Johannes Krisch, Roland Kenda * Ort: Burgtheater im Vestibül * Zeit: 15.2.2008: 20h
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Theater Das wundervolle Zwischending * Von: Martin Heckmanns * Regie: Rudolf Frey * Mit: Stefanie Dvorak, Johannes Krisch, Roland Kenda * Ort: Burgtheater im Vestibül * Zeit: 15.2.2008: 20h
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