Zwei soziale Außenseiter: Eine so kleine Ballerina (mit roten Locken) hat man wahrscheinlich noch nie gesehen: bei Morris wird sie zur Solistin.
Ein schwarzer Ballerino mit zuviel Körper-Kraft: bei Morris bekommt er den Leading-Part. Denn Ausgrenzung ist das Thema dieses Auftragswerks. Foto: © Stephanie Berger
NEW CROWNED HOPE MARK MORRIS VERSETZT DAS MUSEUMSQUARTIER IN EUPHORIE: DANKBAR SIND DIE ÖSTERREICHER FÜR SO VIEL MODERN DANCE IN MOZART DANCES. DENN MODERNES BALLETT BEKOMMEN SIE HIER JA NICHT MEHR ZU SEHEN
Wieder ein Auftragswerk für New Crowned Hope, und wieder geht es um Ausgrenzung von Minderheiten. Der amerikanische Choreograf Mark Morris hat dieses menschlich-tierische Ausschlußverhalten in die Welt des Balletts übertragen. Seine Mozart Dances sind in drei Teile geteilt. Es begint mit Eleven zum Musik-Konzert für Klavier und Orchester Nr. 11, übrigens wie alle Morris-Aufführungen mit live-Musik (hier: Camerata Salzburg mit Klaviersolo von Emanuel Ax, exakt dirigiert von Louis Langrée):
Ausgegrenzte Frau
Eine ungewöhnlich kleine, rothaarige Frau tanzt das Solo. Sie ist ob ihrer körperlichen Nicht-Entsprechung bei proportional auch noch zu kräftigen Beinen im Ballett eine Außenseiterin, so gut sie auch tanzen mag. Die großen, kräftigen Frauen in Grau machen ihr das Tänzerdasein schwer, ihr, dem unangepaßten "Klavier", dessen Melodie sie notensynchron modern tanzt. Ein schwarzer Pinseltupfer als Bühnenbild unterstreicht optisch ihren eigenwilligen Standpunkt. Manchmal wirkt sie recht komisch - so drollig wie eben sehr kleine Menschen automatisch wirken. Und doch, nach langer Auseinandersetzung mit der Gruppe, gelingt es ihr manchmal, die großen Gleichgesinnten an der Nase herum zu führen, sie zu manipulieren. Wirkt sie also aufgrund ihrer Form nicht sofort attraktiv, so bekommt sie von einem zumindest gleich mehr zugeschrieben: individuellen Charakter.
Ausgegrenzter Mann
In Double zu Mozarts Sonate in D für 2 Klaviere, wobei Emanuel Ax von Yoko Nozaki unterstützt wird, ist nun ein energiegeladener Schwarzer, mit zuviel männlicher Kraft und Oberkörpereinsatz, das Ausschlußobjekt. Im schwarzen Frack strebt er nach Aufnahme bei den gewohnt zierlich-athletischen Tutti-Männern in Grau, so wie sich an der Bühnenrückwand, schwarze Tupfer an grauen Farbflächen anhängen. Während jene Männer auch Frauen zu tanzen bekommen, entschwindet dem Schwarzen die Partnerin wieder. Trotzig schreitet er davon. Und kommt wieder, um von Neuem zu versuchen, aufgenommen zu werden. Die Männer bilden eine Kreisformation, jeder von ihnen kann auf die Stütze des anderen zählen, falls einer fällt, wird er aufgefangen. Nur der Schwarze findet in diesem Kreis nicht gleich Entgegenkommen. Morris findet für diesen Gedanken ungewohnt harmonische Konstellationen, schöne, überraschend neue Tanzbilder. Doch gegen Ende kann der Schwarze die Gruppe dann doch auch überzeugen, sodass er sie sogar einmal anführen darf.
Glückliches Paar
Der letzte Teil Twenty-seven im Konzert für Klavier und Orchester Nr. 27 ist vor roter Pinselrückwand schließlich der Paarbildung mit dem anderen Geschlecht gewidmet. Haben sich Mann und Frau innerhalb ihres eigenen Befindens und sozialen Umfelds erst einmal positioniert - ja, wenn die beiden vormaligen Außenseiter jetzt in der Gruppe tanzen, fällt ihre äußerliche Andersartigkeit tänzerisch und schritttechnisch gar nicht mehr auf -, können sie sich auch der Liebe widmen. Es läge nahe, zu denken, dass sich die beiden vielleicht finden, sie treffen sich aber nur kurz; denn der und die Richtige liegt für beide in der anatomischen Entsprechung (also ausgerechnet da, wodurch sie sich von den anderen unterscheiden!): die Frau springt in konventionellen Paarschritten mit einem zarten, dunklen, nicht allzu großen Partner über die Bühne, der Schwarze findet sich eine ebenfalls recht kräftige schwarze Partnerin. Dass diese Sprünge sämtlicher Paare etwas lange dauern, liegt leider an der Musik Mozarts, der sich zu oft wiederholt. Der lange Ausklang kann der reif durchdachten, fließend-formschönen Gesamtarbeit aber nichts anhaben. e.o.
Wieder ein Auftragswerk für New Crowned Hope, und wieder geht es um Ausgrenzung von Minderheiten. Der amerikanische Choreograf Mark Morris hat dieses menschlich-tierische Ausschlußverhalten in die Welt des Balletts übertragen. Seine Mozart Dances sind in drei Teile geteilt. Es begint mit Eleven zum Musik-Konzert für Klavier und Orchester Nr. 11, übrigens wie alle Morris-Aufführungen mit live-Musik (hier: Camerata Salzburg mit Klaviersolo von Emanuel Ax, exakt dirigiert von Louis Langrée):
Ausgegrenzte Frau
Eine ungewöhnlich kleine, rothaarige Frau tanzt das Solo. Sie ist ob ihrer körperlichen Nicht-Entsprechung bei proportional auch noch zu kräftigen Beinen im Ballett eine Außenseiterin, so gut sie auch tanzen mag. Die großen, kräftigen Frauen in Grau machen ihr das Tänzerdasein schwer, ihr, dem unangepaßten "Klavier", dessen Melodie sie notensynchron modern tanzt. Ein schwarzer Pinseltupfer als Bühnenbild unterstreicht optisch ihren eigenwilligen Standpunkt. Manchmal wirkt sie recht komisch - so drollig wie eben sehr kleine Menschen automatisch wirken. Und doch, nach langer Auseinandersetzung mit der Gruppe, gelingt es ihr manchmal, die großen Gleichgesinnten an der Nase herum zu führen, sie zu manipulieren. Wirkt sie also aufgrund ihrer Form nicht sofort attraktiv, so bekommt sie von einem zumindest gleich mehr zugeschrieben: individuellen Charakter.
Ausgegrenzter Mann
In Double zu Mozarts Sonate in D für 2 Klaviere, wobei Emanuel Ax von Yoko Nozaki unterstützt wird, ist nun ein energiegeladener Schwarzer, mit zuviel männlicher Kraft und Oberkörpereinsatz, das Ausschlußobjekt. Im schwarzen Frack strebt er nach Aufnahme bei den gewohnt zierlich-athletischen Tutti-Männern in Grau, so wie sich an der Bühnenrückwand, schwarze Tupfer an grauen Farbflächen anhängen. Während jene Männer auch Frauen zu tanzen bekommen, entschwindet dem Schwarzen die Partnerin wieder. Trotzig schreitet er davon. Und kommt wieder, um von Neuem zu versuchen, aufgenommen zu werden. Die Männer bilden eine Kreisformation, jeder von ihnen kann auf die Stütze des anderen zählen, falls einer fällt, wird er aufgefangen. Nur der Schwarze findet in diesem Kreis nicht gleich Entgegenkommen. Morris findet für diesen Gedanken ungewohnt harmonische Konstellationen, schöne, überraschend neue Tanzbilder. Doch gegen Ende kann der Schwarze die Gruppe dann doch auch überzeugen, sodass er sie sogar einmal anführen darf.
Glückliches Paar
Der letzte Teil Twenty-seven im Konzert für Klavier und Orchester Nr. 27 ist vor roter Pinselrückwand schließlich der Paarbildung mit dem anderen Geschlecht gewidmet. Haben sich Mann und Frau innerhalb ihres eigenen Befindens und sozialen Umfelds erst einmal positioniert - ja, wenn die beiden vormaligen Außenseiter jetzt in der Gruppe tanzen, fällt ihre äußerliche Andersartigkeit tänzerisch und schritttechnisch gar nicht mehr auf -, können sie sich auch der Liebe widmen. Es läge nahe, zu denken, dass sich die beiden vielleicht finden, sie treffen sich aber nur kurz; denn der und die Richtige liegt für beide in der anatomischen Entsprechung (also ausgerechnet da, wodurch sie sich von den anderen unterscheiden!): die Frau springt in konventionellen Paarschritten mit einem zarten, dunklen, nicht allzu großen Partner über die Bühne, der Schwarze findet sich eine ebenfalls recht kräftige schwarze Partnerin. Dass diese Sprünge sämtlicher Paare etwas lange dauern, liegt leider an der Musik Mozarts, der sich zu oft wiederholt. Der lange Ausklang kann der reif durchdachten, fließend-formschönen Gesamtarbeit aber nichts anhaben. e.o.
DAS URTEIL EIN INHALTLICH UND FORMAL SCHÖNES WERK, WO SICH BEIDES BEDINGT; WO KEINE TYPISCH PERFEKTEN BALLETTKÖRPER SCHÖNSTE BALLETTBILDER UND MENSCHLICHE URFRAGEN TRANSPORTIEREN. DIE TANZCHOREOGRAPHISCHE BESONDERHEIT LIEGT IM MITTELTEIL.
BALLETT Mozart Dances * Choreografie: Mark Morris * Orchester: Camerata Salzburg * Dirigent: Louis Langrée * Tanz: Mark Morris Dance Group * Ort: Halle E/ MQ * Zeit: 10.12., 20h
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