Maria Schneider ist ungewöhnlich: sanft und sinnlich führt sie ihr Musikerheer durch vogelreiches Gezwitscher. Etwas Feuer hätte dem Abend im Wiener Konzerthaus aber auch nicht geschadet. Foto: © David Korchin.
NEW CROWNED HOPE KOMPONISTIN MARIA SCHNEIDER BRINGT WEIBLICHKEIT IN DEN JAZZ. ALS SINNLICHER ENGEL TÄNZELT SIE VOR IHRER BIG BAND "MARIA SCHNEIDER ORCHESTRA" DURCH EIN SANFTES FLÜGELSCHLAGEN UND GEZWITSCHER IM AUFTRAGSWERK CERULEAN SKIES
Jazz ist Kopfmusik und deshalb männlich. Wurde dieses Klischee inzwischen erfolgreich aufgebrochen, indem Frauen als Jazz-Musikerinnen und - Sängerinnen bewiesen, dass auch sie durchaus intellektuell veranlagt sein können, so lenkt Maria Schneider den Vorbehalt noch einmal in die andere Richtung: Sie reichert den Jazz emotional an. Nun gab es auch das schon mittels Milonga, sprich Brasilianischem Jazz. - Wurde das aber schon von einer Jazz-Big-Band gespielt? - Kaum.
Emotionale Kompositions- und Dirigiertechnik
Die Emotionalität erreicht Maria Schneider in der Komposition über individuelle Orchestrierung: ein blumiger Klangteppich aus Akkordeon, Frauenstimme (die wie ein Instrument ausschließlich summt), Perkussion-Naturtönen und Flöten ist bei ihr mindestens genauso präsent wie das obligatorische Saxophon, die Trompete, Klarinette, Posaune und das Schlagzeug. Dämpfer auf dem Blech führen ihre Big Band - übrigens mit ungewöhnlich vielen Frauen besetzt - zur leicht-beschwingten, gefühlvollen Muse.
Unterstrichen wird diese Kompositionstechnik noch einmal durch den Dirigatstil - was bei Schneiders einmaligem Konzert während des New Crowned Hope Festivals im Wiener Konzerthaus live zu erleben war. Wer die belgische Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker in ihrem Solo Once sah, muß sich wahrscheinlich beim Anblick der dirigierenden Maria Schneider mit einem Déjà Vu beschäftigen: Die zierliche Rothaarige hat die Anatomie und den Ausdruck der Tänzerin und gibt den Takt hauptsächlich mit ihrem Körper vor. Auch ohne Arme könnte sie ihr Musikgefolge mühelos durch den Abend führen, denn das Grundtempo schwingen ihre Hüften, die durch den schenkelhohen Rückschlitz am Rock auf das Publikum zusätzlich sinnlich wirken. Was das Publikum nicht sieht, ist allerdings das Gesicht der Musikerin, mit geschlossenen Augen transportiert sie Farben und Stimmungen, die die Musiker ungewöhnlich oft in ihrem Gesicht abzulesen scheinen.
Ein Abend, dem der Teufel fehlt
So selbstvergessen sie dirigiert, so bewußt gesetzt sind die Lieder, die sie gegensätzlich "plappernd" anmoderiert. - Auch das entspricht eigentlich dem herkömmlichen Klischee einer "kommunikativen Frau". Sie erzählt beim ersten Lied von der Brasilien-Nähe, beim Zweiten von der Rhythmischen - auf Perkussion mit den Händen geschlagen - zu Peru, beim Dritten von der Spanien-Nähe mit geklatschtem und sanft gerasseltem Flamenco sowie zärtlichen Querflöten, aber mit irrem ruckartigen Finale - denn der Rhythmus stammt jetzt aus Afrika. Den Abschluß vor der Pause bildet ein Werk mit Solo der Trompeterin Ingrid Jensen.
Und dann kommt, worauf alle gewartet haben: Das Auftragswerk für New Crowned Hope, Cerulean Skies. Schneider dachte bei dieser Kompostion an eine spezielle Art von blauem Vogel, die wie viele andere Arten aus aller Welt jährlich im Central Park zusammen treffen. - Als fröhliches Get Together "zwitschern" hier Flöten, Trommeln und Streicher um ein Saxophon-Solo herum, den Übergang "piept" das Akkordeon begleitet vom Klavier, die Musiker ziehen Tücher hervor, mit denen sie Flügelschläge imitieren - was Leos Janacek für die Klassik ist, ist daher Schneider für den Jazz. Nur die Musik dazwischen scheint ein wenig einfach und Mainstream-verloren, sodass das Ganze nicht wirklich einzuschlagen vermag.
Plötzlich schießt dem Zuhörer die Fernseh-Serie Unsere kleine Farm in den Kopf. Es muß vom Klangbild der "naiven, mitfühlenden, heilen Welt" herrühren. Und Schneider hat auch bis zum Schluß keine richtigen Sorgen. Ohne Eile, lediglich etwas melancholisch spaziert sie in einem abermals um ein Saxophon-Solo gelegten, sanften Werk sowie einem Brasilianisches Lied ins Finale, getoppt durch ein Zugabe-Werk, das Schneider einst einer an Brustkrebs verstorbenen Freundin gewidmet hatte: Steve Wilson spielt darin das Saxophon-Solo. r.r.
Jazz ist Kopfmusik und deshalb männlich. Wurde dieses Klischee inzwischen erfolgreich aufgebrochen, indem Frauen als Jazz-Musikerinnen und - Sängerinnen bewiesen, dass auch sie durchaus intellektuell veranlagt sein können, so lenkt Maria Schneider den Vorbehalt noch einmal in die andere Richtung: Sie reichert den Jazz emotional an. Nun gab es auch das schon mittels Milonga, sprich Brasilianischem Jazz. - Wurde das aber schon von einer Jazz-Big-Band gespielt? - Kaum.
Emotionale Kompositions- und Dirigiertechnik
Die Emotionalität erreicht Maria Schneider in der Komposition über individuelle Orchestrierung: ein blumiger Klangteppich aus Akkordeon, Frauenstimme (die wie ein Instrument ausschließlich summt), Perkussion-Naturtönen und Flöten ist bei ihr mindestens genauso präsent wie das obligatorische Saxophon, die Trompete, Klarinette, Posaune und das Schlagzeug. Dämpfer auf dem Blech führen ihre Big Band - übrigens mit ungewöhnlich vielen Frauen besetzt - zur leicht-beschwingten, gefühlvollen Muse.
Unterstrichen wird diese Kompositionstechnik noch einmal durch den Dirigatstil - was bei Schneiders einmaligem Konzert während des New Crowned Hope Festivals im Wiener Konzerthaus live zu erleben war. Wer die belgische Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker in ihrem Solo Once sah, muß sich wahrscheinlich beim Anblick der dirigierenden Maria Schneider mit einem Déjà Vu beschäftigen: Die zierliche Rothaarige hat die Anatomie und den Ausdruck der Tänzerin und gibt den Takt hauptsächlich mit ihrem Körper vor. Auch ohne Arme könnte sie ihr Musikgefolge mühelos durch den Abend führen, denn das Grundtempo schwingen ihre Hüften, die durch den schenkelhohen Rückschlitz am Rock auf das Publikum zusätzlich sinnlich wirken. Was das Publikum nicht sieht, ist allerdings das Gesicht der Musikerin, mit geschlossenen Augen transportiert sie Farben und Stimmungen, die die Musiker ungewöhnlich oft in ihrem Gesicht abzulesen scheinen.
Ein Abend, dem der Teufel fehlt
So selbstvergessen sie dirigiert, so bewußt gesetzt sind die Lieder, die sie gegensätzlich "plappernd" anmoderiert. - Auch das entspricht eigentlich dem herkömmlichen Klischee einer "kommunikativen Frau". Sie erzählt beim ersten Lied von der Brasilien-Nähe, beim Zweiten von der Rhythmischen - auf Perkussion mit den Händen geschlagen - zu Peru, beim Dritten von der Spanien-Nähe mit geklatschtem und sanft gerasseltem Flamenco sowie zärtlichen Querflöten, aber mit irrem ruckartigen Finale - denn der Rhythmus stammt jetzt aus Afrika. Den Abschluß vor der Pause bildet ein Werk mit Solo der Trompeterin Ingrid Jensen.
Und dann kommt, worauf alle gewartet haben: Das Auftragswerk für New Crowned Hope, Cerulean Skies. Schneider dachte bei dieser Kompostion an eine spezielle Art von blauem Vogel, die wie viele andere Arten aus aller Welt jährlich im Central Park zusammen treffen. - Als fröhliches Get Together "zwitschern" hier Flöten, Trommeln und Streicher um ein Saxophon-Solo herum, den Übergang "piept" das Akkordeon begleitet vom Klavier, die Musiker ziehen Tücher hervor, mit denen sie Flügelschläge imitieren - was Leos Janacek für die Klassik ist, ist daher Schneider für den Jazz. Nur die Musik dazwischen scheint ein wenig einfach und Mainstream-verloren, sodass das Ganze nicht wirklich einzuschlagen vermag.
Plötzlich schießt dem Zuhörer die Fernseh-Serie Unsere kleine Farm in den Kopf. Es muß vom Klangbild der "naiven, mitfühlenden, heilen Welt" herrühren. Und Schneider hat auch bis zum Schluß keine richtigen Sorgen. Ohne Eile, lediglich etwas melancholisch spaziert sie in einem abermals um ein Saxophon-Solo gelegten, sanften Werk sowie einem Brasilianisches Lied ins Finale, getoppt durch ein Zugabe-Werk, das Schneider einst einer an Brustkrebs verstorbenen Freundin gewidmet hatte: Steve Wilson spielt darin das Saxophon-Solo. r.r.
DAS URTEIL MARIA SCHNEIDER LIVE ZU SEHEN, IST ZUNÄCHST BEWUNDERSWERT NEUARTIG: SANFT, WEIBLICH, TÄNZERISCH FÜHRT SIE ENGELSGLEICH IHRE BIG BAND AN. NUR SCHADE, DASS ALLE KOMPOSITIONEN GLEICH UM SOLO-AUFTRITTE GEBAUT SIND. DIE LIEDER SANFTELN DAHIN, RUHIG, MEDITATIV, BESCHEIDEN, BIS SICH DER "MENSCH" FRAGT: KOMMT NUN BALD MAL DER TEUFEL?
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