Thursday, August 02, 2007

PERFORMANCE: IN DEN VIER WÄNDEN VON IVO DIMCHEVS "LILI HANDEL"

Lili Handel (Ivo Dimchev) ist eine alternde Diva, die sich in ihren vier Wänden noch immer die begehrte, sexy, bestverkäufliche Frau vormacht (Foto © Tamas Katko)



KASINO AM SCHWARZENBERGPLATZ - IMPULSTANZ DER BULGARISCHE MULTIKÜNSTLER IVO DIMCHEV ZIEHT LILI HANDEL AUS - ALS FRAU, DIE SICH MIT GRÖSSTER LUST BIS AUFS BLUT VERKAUFT

Außergewöhnlich, eigenständig und absolut neu - das ist die Art, wie der bulgarische Choreograf, Tänzer, Schauspieler, Komponist und Fotograf Ivo Dimchev (31) die alternde Diva Lili Handel seit 2004 auf umjubelte Bühnen stellt, und so auch beim Wiener ImPulsTanz-Festival 2007. Er gibt dieser Frau, die er selbst im Solo verkörpert, den Subtitel "Blut, Poesie und Musik aus dem Boudoir der weißen Hure". - Hure, da sie sich bis aufs - live mit Spritze abgenommene - Blut als Höhepunkt der Show, noch einmal und gerne verkauft, während sie sich mit erotischen Symbolen umgibt, die ihr bis zum abstrakten multiplen Orgasmus sexy Gefühle verleihen.

In der Pose liegt das Geheimnis

Trippelt sie mit Federboa und Stöckelschuhen zur verzerrten Musiknummer von Mona Lisa herein, unschlüssig keck, und mit nichts auf ihrem ganzrasierten, nackten Körper als einem Netztanga über dem Glied, so scheint da eine exhibitionistisch-manierierte und doch verletzlich-naive Mischfrau zu stolzieren. Doch sobald es heißt, mit dem Körper zu sprechen, ihn ins rechte Licht zu rücken, um ladylike, über eine griechisch-antike Sportlerfigur bis zur kryptisch-gebogenen Sphinx zu posieren, so geschieht das doch aus dem Gestaltungswillen eines Mannes heraus, und zwar in erster Linie eines sehr maskulin-musikalischen Künstlers. Denn hier wird nicht einfach eine schwule Transvestitennummer abgespult, sondern wirklich ein abartiger Zugang des Außergewöhnlichen gefunden. Streckt sie ihren Hintern in die Höhe, um damit - wild hin und her rockend - einen Hardpunk zum rasend schnellen, elektronisch bearbeiteten Tutti Frutti hinzufetzen, so ist das der erste Schritt zum Grenzübertritt substanziellen Fleisch-Innenlebens.

Divenwrack mit ejakulierendem Waldhorn

Stark wirkt dieses Divenwrack, sobald es verzögernd räkelnd posiert, ob mit oder ohne Feauteuil-Sessel, oder wenn es sich einen Cowboyhut aufsetzt und auf dem Stuhl einen riesenschritthaften Luftgalopp hinlegt. Die körperbetonte Glamourlady schlägt sich selbst auf den Arsch und bewegt ihren wippenden Glatzkopf als koitierenden Penis. Sie singt danach mit Kopfstimme, und findet ein Phallusobjekt nach dem anderen: "This is my stick. ..." - Sie legt damit einen Bandeautanz hin: "Look, look, I´m so excited, I´m always so excited." - Hier zeigt ein einst gefeierter Star als sich selbstüberschätzendes Kind seine intimen Kunststücke her, die weder zirkushaft noch genial sind, dafür mit Blick auf die gesamte Frau und ihre Geschichte bitter und berührend komisch. "This is my Waldhorn. I love my Waldhorn", stellt sie ihre größte Liebesbeziehung vor, weil das mythenreiche Musikinstrument eine Schleimflüssigkeit ausgibt, sobald sie hineinbläst; oder es dient ihr als Hüter ihrer spärlichen Einnahmen, nachdem sie ihr ans Publikum - in Wien um 25 Euro - versteigertes Blut verscherbelt hat. Mit dem Abba-Lied I had a dream geht sie schließlich ab. - Ein Bühnen-Traum, der in dieser Frau wohl bis zum bitteren Ende schlummern wird. e.o./m.t.


DAS URTEIL EIN MANN, DER DIE DIVEN-POSE UND -ALLÜRE NEU ERFINDET UND DARAUS EIN SKURRIL-BITTERES KUNSTWERK MACHT.

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