Metaphorische Wendung Dinevs: Der doppelt besetzte Dietmar König (Foto © Reinhard Werner - rechts und links mit Maske) tötet sich als ungewollter Seitensprung-Sohn (Minotaurus) als Dieb (Theseus) selbst. Lösen sich Fehlhandlungen also irgendwann selbst auf? - Und reinigen sie auch die Umwelt (oben): Meister (Daidalos, Martin Reinke), Richter (Michael König), Iko (Daniel Jesch) und Wera (Dorothee Hartinger)?
AKADEMIETHEATER NIKLAUS HELBLING INSZENIERT MIT DIMITRÉ DINEVS DAS HAUS DES RICHTERS EIN STÜCK FÜR INSIDER DER GRIECHISCHEN MYTHOLOGIE. ALLE ANDEREN WERDEN EIN WENIG ENTTÄUSCHT SEIN
Sieht man sich des 1990 nach Wien emigrierten Erfolgsautors (Engelszungen) - Dimitré Dinev - Burgtheater-Auftragswerk Das Haus des Richters an, ohne den Minotaurus-Mythos zu kennen, wird man enttäuscht sein. Weniger, wenn man ihn kennt. Der kreative Akt liegt in der Aufstellung der neuzeitlich umbenannten Mythen-Figuren, und vielleicht noch, in der endgültigen ethischen Conclusio. Die dramatische Entwicklung selbst ist kaum aufregend, da sie auf das Publikum stellenweise zu "alltäglich" und platt, zu "durchschnittsmenschlich" weder durch Figuren, Geschichte, noch Darsteller imponierend wirkt.
Untreue - ein ewiges Thema
Was von Regisseur Niklaus Helbling in der Charakterführung der Darsteller prinzipiell klar und gut heraus gearbeitet wird, ist die Ur-Debatte der Liebesbindung, wenn es zur Untreue kommt - sei es aus bloßem Nicht-Widerstehen können, instinktiver Lusterfüllung oder aus echtem neuen Verlieben. So ist nicht nur unklar, von welchem Vater - Richter (Minos) oder Meister (Daidalos) - das "Monster" Minotaurus der Sohn ist; Sondern das Hin und Her von Liebe, Verrat und Betrug weitet sich auf alle anderen Figuren aus. Da kommt es auch zur einen oder anderen Verwechslungskomik, da sich alle abwechselnd beim Sex den Stierkopf (den historisch eigentlich Minotaurus trug) aufsetzen. Die Liebesfähigkeit (bzw. Treue) interpretiert der Zuschauer am Ende als "Charakter"-abhängig. - Ganz nach dem Motto: Es prüfe, wer sich ewig bindet. Und ist man sich des anderen sicher, kann man sich dennoch nie ganz sicher sein. Was wiederum bedingt, dass man sich stets um den Anderen bemühen wird müssen ...
Der Richter (Michael König) wurde also nicht nur einst von seiner Frau (Pasiphae) betrogen, sondern betrügt auch selbst: mit der Erzieherin Wera (Dorothee Hartinger). Die Halbgöttinnen Ariadne (Alexandra Henkel), Phädra (Mareike Sedl) und Xenodike (Nicola Kirsch) macht Dinev zu den "standesgemäßen" Töchtern des Richters, Ada, Phädi und Xeni, die dann der Mythologie entsprechend lieben, herzlos verführen oder betrogen werden. Der, der durch zwei Frauen gleitet, die eine liebend, die andere nur wegen des Sexes, ist Iko (= Ikarus, Daniel Jesch), der Sohn des Daidalos, der mit seinem Vater das Labyrinth bauen muss, wo Minotaurus versteckt gehalten werden soll. - Eine klare Metapher für das schuldbewußte Verbergen-Wollen des Menschen ungeplanter "Beweise" für Handlungen (Kinder), die nicht geschehen hätten sollen.
Der Bastard rehabilitiert sich selbst
Gelungen, obwohl zunächst fragwürdig, ist, dass sich Minotaurus in Dinevs Fassung durch den vom selben Darsteller, Dietmar König, verkörperten Theseus als "Dieb" über Video selbst umbringt. Das hieße also: das Ungewollte löst sich früher oder später selbst auf. Es führt sogar dazu, eingefahrene "Familienverlogenheiten" aufzudecken und zu reinigen, selbst wenn sie schmerzhaft sind. Was diesen Dinev-Minotaurus in den echten Helden-Status erhebt.
Störend aufgesetzt wirkt nur die Ausländer-Thematik: Denn der Architekt Daidalos ist ein Flüchtling aus dem Balkan (mit DDR- oder zumindest deutschem Akzent!), und sein Sohn Iko "bereits" in Österreich geboren. Die Ausländerfrage wird noch einmal bekräftigt, indem die auf der Bühne ständig präsenten Balkan-Musiker, Martin Lubenov und Imre Bozoki-Lichtenberger, während einer Familienfeier als Musikanten engagiert werden und mit "Gut, Chef" antworten. - Abgesehen davon, dass diese Musiker in Österreich anerkannt und geschätzt sind. - Wirklich übertrieben und insgesamt Stück-abwertend.a.c./e.o.
Sieht man sich des 1990 nach Wien emigrierten Erfolgsautors (Engelszungen) - Dimitré Dinev - Burgtheater-Auftragswerk Das Haus des Richters an, ohne den Minotaurus-Mythos zu kennen, wird man enttäuscht sein. Weniger, wenn man ihn kennt. Der kreative Akt liegt in der Aufstellung der neuzeitlich umbenannten Mythen-Figuren, und vielleicht noch, in der endgültigen ethischen Conclusio. Die dramatische Entwicklung selbst ist kaum aufregend, da sie auf das Publikum stellenweise zu "alltäglich" und platt, zu "durchschnittsmenschlich" weder durch Figuren, Geschichte, noch Darsteller imponierend wirkt.
Untreue - ein ewiges Thema
Was von Regisseur Niklaus Helbling in der Charakterführung der Darsteller prinzipiell klar und gut heraus gearbeitet wird, ist die Ur-Debatte der Liebesbindung, wenn es zur Untreue kommt - sei es aus bloßem Nicht-Widerstehen können, instinktiver Lusterfüllung oder aus echtem neuen Verlieben. So ist nicht nur unklar, von welchem Vater - Richter (Minos) oder Meister (Daidalos) - das "Monster" Minotaurus der Sohn ist; Sondern das Hin und Her von Liebe, Verrat und Betrug weitet sich auf alle anderen Figuren aus. Da kommt es auch zur einen oder anderen Verwechslungskomik, da sich alle abwechselnd beim Sex den Stierkopf (den historisch eigentlich Minotaurus trug) aufsetzen. Die Liebesfähigkeit (bzw. Treue) interpretiert der Zuschauer am Ende als "Charakter"-abhängig. - Ganz nach dem Motto: Es prüfe, wer sich ewig bindet. Und ist man sich des anderen sicher, kann man sich dennoch nie ganz sicher sein. Was wiederum bedingt, dass man sich stets um den Anderen bemühen wird müssen ...
Der Richter (Michael König) wurde also nicht nur einst von seiner Frau (Pasiphae) betrogen, sondern betrügt auch selbst: mit der Erzieherin Wera (Dorothee Hartinger). Die Halbgöttinnen Ariadne (Alexandra Henkel), Phädra (Mareike Sedl) und Xenodike (Nicola Kirsch) macht Dinev zu den "standesgemäßen" Töchtern des Richters, Ada, Phädi und Xeni, die dann der Mythologie entsprechend lieben, herzlos verführen oder betrogen werden. Der, der durch zwei Frauen gleitet, die eine liebend, die andere nur wegen des Sexes, ist Iko (= Ikarus, Daniel Jesch), der Sohn des Daidalos, der mit seinem Vater das Labyrinth bauen muss, wo Minotaurus versteckt gehalten werden soll. - Eine klare Metapher für das schuldbewußte Verbergen-Wollen des Menschen ungeplanter "Beweise" für Handlungen (Kinder), die nicht geschehen hätten sollen.
Der Bastard rehabilitiert sich selbst
Gelungen, obwohl zunächst fragwürdig, ist, dass sich Minotaurus in Dinevs Fassung durch den vom selben Darsteller, Dietmar König, verkörperten Theseus als "Dieb" über Video selbst umbringt. Das hieße also: das Ungewollte löst sich früher oder später selbst auf. Es führt sogar dazu, eingefahrene "Familienverlogenheiten" aufzudecken und zu reinigen, selbst wenn sie schmerzhaft sind. Was diesen Dinev-Minotaurus in den echten Helden-Status erhebt.
Störend aufgesetzt wirkt nur die Ausländer-Thematik: Denn der Architekt Daidalos ist ein Flüchtling aus dem Balkan (mit DDR- oder zumindest deutschem Akzent!), und sein Sohn Iko "bereits" in Österreich geboren. Die Ausländerfrage wird noch einmal bekräftigt, indem die auf der Bühne ständig präsenten Balkan-Musiker, Martin Lubenov und Imre Bozoki-Lichtenberger, während einer Familienfeier als Musikanten engagiert werden und mit "Gut, Chef" antworten. - Abgesehen davon, dass diese Musiker in Österreich anerkannt und geschätzt sind. - Wirklich übertrieben und insgesamt Stück-abwertend.a.c./e.o.
DAS URTEIL DIE QUALITÄT VON DINEVS MINOTAURUS-FASSUNG ENTDECKT MAN ERST IM DIREKTEN VERGLEICH MIT DEM UR-STOFF. DANN BEGINNT MAN ÜBER MENSCHLICHE UR-FRAGEN NACHZUDENKEN. OB DAS ABER FÜR EINEN THEATERABEND GENÜGT, WIRD ZUM GROSSEN FRAGEZEICHEN.
THEATER Das Haus des Richter * Von: Dimitré Dinev * Regie: Niklaus Helbling * Mit: Michael König, Barbara Petritsch, Alexandra Henkel, Mareike Sedl, Nicola Kirsch, Dietmar König, Dorothée Hartinger, Martin Reinke, Daniel Jesch, Imre Bozoki-Lichtenberger, Martin Lubenov * Ort: Akademietheater * Zeit: 23.9+3.10.2008: 20h + 24.9.2008: 19h30
THEATER Das Haus des Richter * Von: Dimitré Dinev * Regie: Niklaus Helbling * Mit: Michael König, Barbara Petritsch, Alexandra Henkel, Mareike Sedl, Nicola Kirsch, Dietmar König, Dorothée Hartinger, Martin Reinke, Daniel Jesch, Imre Bozoki-Lichtenberger, Martin Lubenov * Ort: Akademietheater * Zeit: 23.9+3.10.2008: 20h + 24.9.2008: 19h30
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