... die Tänzerin rechts ist nicht nur hier am Bild ein leidenschaftlicher, körperschöner Augenschmaus, sondern auch auf der Bühne - Könnte demnächst die Volksoper nicht auch die Namen der Ballettleute anführen? Sie haben doch Namen, oder? Ansonsten auf dem Bild: Rolf Haunstein, Wolfgang Gratschmaier (mit Sonnenbrille); und das Liebespaar auf der Kuh: Ursula Pfitzner, Dietmar Kerschbaum
VOLKSOPER DAVID POUNTNEY HATTE MIT KURT WEILLS DER KUHHANDEL IN WIEN PREMIERE. DAS IST EINE OPERETTE, WIE MAN SIE SICH KLASSISCH-ÜPPIG VORSTELLT. MIT VIEL TANZ, VIELEN MENSCHEN AUF DER BÜHNE, ABER MIT VIEL MEHR BÖSARTIGKEIT ALS ÜBLICH
Kurt Weills Der Kuhhandel war die Produktion, mit der David Pountney im Sommer 2004 sein Einstandsjahr bei den Bregenzer Festspielen feierte, mit der er Vorarlberg sozusagen Operetten-tauglich machte. Seitdem ist die allsommerlich gespielte "Operette" im Kornmarkttheater ausverkauft. Das Stück nun in der Wiener Volksoper gezeigt - könnte man nörgeln - hätte ruhig ein wenig stadtfeiner adaptiert werden können. Andererseits: Für einen Briten, wie es David Pountney einer ist, ist Vorarlberg oder Wien wahrscheinlich - g´hupft wie gsprung´n - immer "die Alpenrepublik Österreich" - die als solche eben mit Kühen zu wirtschaften hat. (Abgesehen davon, dass es die Kühe schon im Libretto von Robert Vambery gegeben haben muss.) Dazu gehört auch bestens getanzter Schuhplattler, der sich schmissig mit Walzerklängen vereint, und Männer, die sagen: "Die Brüste der Frauen haben entweder die Form von Äpfeln oder von Birnen - und ich bevorzuge ersteres." - Na, wenn das nicht sämtliche Feministinnen Wiens auf die Palme bringt...
Österreicher, Briten ... die Weltpolitiker sind gemeint
Damit all das also nicht ins falsche Ohr dringt, muss von vornherein gesagt werden: Hierbei handelt es sich um eine Komplettgroteske: hier geht es nicht gegen Vorarlberg, gegen Wien oder gar Österreich, sondern schlicht gegen die ganz große Weltpolitik. Und die besteht meistens aus müden Präsidenten, Einsagern (den eigentlichen Lenkern), und Dritten, die sich ein Geschäft mit jenen erhoffen. Es gäbe nun die Möglichkeit, mit Landwirtschaftsmaschinen zu handeln, man entscheidet sich aber doch lieber für Waffen. Und damit man sieht, wie generell Pountney das sieht, nimmt er auch gleich sein eigenes Herkunftsland mit auf die Schippe - was er in Sachen "Humor" naturgemäß auch am besten versteht: der Präsident (köstlich Carlo Hartmann) ist ein müder "britischer Royal" mit Backenbart, der hysterisch rufend auf seine "Prinzipien" pocht und sich dann doch immer wieder über den Tisch ziehen läßt. Bis er durch einen Putsch seinem General das Regierungszepter überlassen muss, dem zweitbesten "Schauspieler" des Abends: Rolf Haunstein. Dessen Wandlung vom Machthungrigen zu jenem, der mit der Macht immer mehr dem liederlichen Leben verfällt, ist intensiv zu beobachten: er vergnügt sich im Bordell, mit Alkohol, und endet in wachsender Überheblichkeit bei Kurzschlußbefehlen.
Weills zuhaufe eingebauten Hymnen in die rhythmisch ironische Revue-Chanson-Opernkomposition mit großen Choreinlagen, wo auch mal Gitarrenklänge und Kastagnetten bis zu Cancan vorkommen, untermalen die Metamorphose, lebhaft dirigiert von Christoph Eberle, als befände man sich auf einem Musikkarussell. Doch als erneut das korrupt aufgebaute Staatsgeflecht zusammen zu brechen droht, weiss sich der zum Volk zu sprechen aufgeforderte General gleich wieder zu helfen: "Eine Rede halten, das kann ich. Ich bin ja Politiker. Was kümmert mich das Schicksal von gestern?"
Wegen Korruption vom Kuhstall ins Bordell
Dem entgegen gesetzt ist die Liebe eines bescheiden lebenden Paars (Ursula Pfitzner hat ihre stimmlichen Hoch-Zeiten nur in den Höhen, Dietmar Kerschbaum singt passabel), das zur Eheschließung nur eine sie ernährende Kuh benötigt. Da nun aber die "Regierung" für die Waffenkäufe vom Ausland über eingeführte "Wohlstandssteuern" Geld einfordert, wird ihnen nicht nur einmal die Kuh gepfändet. Und schließlich beruft sie auch noch den Mann in den Krieg, sodass nun die Frau im Bordell das Geld für eine neue Kuh verdienen muss: und da geht es mit Transvestiten und sexy Ballettgirls rund. Die TänzerInnen Bernhard Bläuel, Ekaterina Davydova, Patrik Hullman, Florian Hurler, Silvia Schreger, Josephine Tyler bringen überhaupt die ganze Produktion unter der Choreographie von Craig Revel Horwood zum Fetzen. Ob sie nun im Bordell oder im Dirndl oder als Henker tanzen... Nur das Gerenne durch die Zuschauerreihen zu Beginn des zweiten Akts ist überflüssig - aber das ist eine Frage der Regie.
Eine klassische Operette mit allem Drum und Dran und mit Details
David Pountney hat überhaupt üppig inszeniert. Da ist alles drinnen, was zu einer Operette gehört, von der großräumigen, dramatisch-elipsoiden Bühne (Duncan Haylor), mit zuweilen tanzender, bunter Wäsche auf der Leine, bis zum Massenaufgebot an Darstellern. Insofern könnte man sagen: eine klassisch inszenierte Operette, mit viel Erotik, aber eben auch mit groteskem Zynismus. Und das macht sie ungemein unterhaltsam. Mit feinen oder interpretatorisch subtilen Details: etwa Fliegen, die über der Kuh schwirren; der während des ganzen ersten Akts über der Bühne schwebend auf einem Bett schlafende (= regierende) Präsident; der Sarkophag, den der Liebende wie zu pharaonenzeiten sklavenhaft schleppen muss, der dann plötzlich die Waffenrakete (Eurofighter) entblößt; eine sich zeitlupenhaft im Hintergrund bewegende Mitläufer-Festgesellschaft, während sich vorne die hungernden Liebenden im Krieg Briefe schreiben; und ein Zoom auf - den widerständigen Möchtegern-Ehemann abknallen wollende - Soldaten mit Riesengewehren, die aber nicht funktionieren, womit der ganze Staatsdeal für die Katz war.
Umzuschulen: zwei deklamierend sprechende Sänger
Schuld daran ist der korrupte Mr. Jones, der mit des Präsidenten falschem Berater Ximenez den Deal ins Laufen gebracht hat. Michael Kraus und Wolfgang Gratschmaier stechen als aalglatte Herren in schwarzem bzw. weißem Anzug und schwarzen Sonnenbrillen hervor. Leider gehen sie einem aber nicht nur als Negativcharaktere auf die Nerven, sondern auch in ihrer Art zu Deklamieren. Sie haben noch nicht gelernt, was heutige Schauspieler-Sänger können sollten: Normal sprechen und agieren und trotzdem gut singen. Diese beiden sind passable Sänger. Ihrem gesprochenen Gebrüll ist dagegen kaum zu folgen. So freut man sich wirklich, als sich wenigstens Jones noch vor dem Schluß per (witziger) "Hubschrauber-Leiter" aus dem Staub machen muss. - Selbst wenn der Unheilbringer - so typisch für diese Welt - hiermit einmal mehr davon kommt. r.r./e.o.
Regisseur David Pountney ist in seiner Funktion als Intendant der Bregenzer Festspiele demnächst im Interview auf www.intimacy-art.com / aKtuell / REALNEWS / INTERVIEW zu lesen.
Kurt Weills Der Kuhhandel war die Produktion, mit der David Pountney im Sommer 2004 sein Einstandsjahr bei den Bregenzer Festspielen feierte, mit der er Vorarlberg sozusagen Operetten-tauglich machte. Seitdem ist die allsommerlich gespielte "Operette" im Kornmarkttheater ausverkauft. Das Stück nun in der Wiener Volksoper gezeigt - könnte man nörgeln - hätte ruhig ein wenig stadtfeiner adaptiert werden können. Andererseits: Für einen Briten, wie es David Pountney einer ist, ist Vorarlberg oder Wien wahrscheinlich - g´hupft wie gsprung´n - immer "die Alpenrepublik Österreich" - die als solche eben mit Kühen zu wirtschaften hat. (Abgesehen davon, dass es die Kühe schon im Libretto von Robert Vambery gegeben haben muss.) Dazu gehört auch bestens getanzter Schuhplattler, der sich schmissig mit Walzerklängen vereint, und Männer, die sagen: "Die Brüste der Frauen haben entweder die Form von Äpfeln oder von Birnen - und ich bevorzuge ersteres." - Na, wenn das nicht sämtliche Feministinnen Wiens auf die Palme bringt...
Österreicher, Briten ... die Weltpolitiker sind gemeint
Damit all das also nicht ins falsche Ohr dringt, muss von vornherein gesagt werden: Hierbei handelt es sich um eine Komplettgroteske: hier geht es nicht gegen Vorarlberg, gegen Wien oder gar Österreich, sondern schlicht gegen die ganz große Weltpolitik. Und die besteht meistens aus müden Präsidenten, Einsagern (den eigentlichen Lenkern), und Dritten, die sich ein Geschäft mit jenen erhoffen. Es gäbe nun die Möglichkeit, mit Landwirtschaftsmaschinen zu handeln, man entscheidet sich aber doch lieber für Waffen. Und damit man sieht, wie generell Pountney das sieht, nimmt er auch gleich sein eigenes Herkunftsland mit auf die Schippe - was er in Sachen "Humor" naturgemäß auch am besten versteht: der Präsident (köstlich Carlo Hartmann) ist ein müder "britischer Royal" mit Backenbart, der hysterisch rufend auf seine "Prinzipien" pocht und sich dann doch immer wieder über den Tisch ziehen läßt. Bis er durch einen Putsch seinem General das Regierungszepter überlassen muss, dem zweitbesten "Schauspieler" des Abends: Rolf Haunstein. Dessen Wandlung vom Machthungrigen zu jenem, der mit der Macht immer mehr dem liederlichen Leben verfällt, ist intensiv zu beobachten: er vergnügt sich im Bordell, mit Alkohol, und endet in wachsender Überheblichkeit bei Kurzschlußbefehlen.
Weills zuhaufe eingebauten Hymnen in die rhythmisch ironische Revue-Chanson-Opernkomposition mit großen Choreinlagen, wo auch mal Gitarrenklänge und Kastagnetten bis zu Cancan vorkommen, untermalen die Metamorphose, lebhaft dirigiert von Christoph Eberle, als befände man sich auf einem Musikkarussell. Doch als erneut das korrupt aufgebaute Staatsgeflecht zusammen zu brechen droht, weiss sich der zum Volk zu sprechen aufgeforderte General gleich wieder zu helfen: "Eine Rede halten, das kann ich. Ich bin ja Politiker. Was kümmert mich das Schicksal von gestern?"
Wegen Korruption vom Kuhstall ins Bordell
Dem entgegen gesetzt ist die Liebe eines bescheiden lebenden Paars (Ursula Pfitzner hat ihre stimmlichen Hoch-Zeiten nur in den Höhen, Dietmar Kerschbaum singt passabel), das zur Eheschließung nur eine sie ernährende Kuh benötigt. Da nun aber die "Regierung" für die Waffenkäufe vom Ausland über eingeführte "Wohlstandssteuern" Geld einfordert, wird ihnen nicht nur einmal die Kuh gepfändet. Und schließlich beruft sie auch noch den Mann in den Krieg, sodass nun die Frau im Bordell das Geld für eine neue Kuh verdienen muss: und da geht es mit Transvestiten und sexy Ballettgirls rund. Die TänzerInnen Bernhard Bläuel, Ekaterina Davydova, Patrik Hullman, Florian Hurler, Silvia Schreger, Josephine Tyler bringen überhaupt die ganze Produktion unter der Choreographie von Craig Revel Horwood zum Fetzen. Ob sie nun im Bordell oder im Dirndl oder als Henker tanzen... Nur das Gerenne durch die Zuschauerreihen zu Beginn des zweiten Akts ist überflüssig - aber das ist eine Frage der Regie.
Eine klassische Operette mit allem Drum und Dran und mit Details
David Pountney hat überhaupt üppig inszeniert. Da ist alles drinnen, was zu einer Operette gehört, von der großräumigen, dramatisch-elipsoiden Bühne (Duncan Haylor), mit zuweilen tanzender, bunter Wäsche auf der Leine, bis zum Massenaufgebot an Darstellern. Insofern könnte man sagen: eine klassisch inszenierte Operette, mit viel Erotik, aber eben auch mit groteskem Zynismus. Und das macht sie ungemein unterhaltsam. Mit feinen oder interpretatorisch subtilen Details: etwa Fliegen, die über der Kuh schwirren; der während des ganzen ersten Akts über der Bühne schwebend auf einem Bett schlafende (= regierende) Präsident; der Sarkophag, den der Liebende wie zu pharaonenzeiten sklavenhaft schleppen muss, der dann plötzlich die Waffenrakete (Eurofighter) entblößt; eine sich zeitlupenhaft im Hintergrund bewegende Mitläufer-Festgesellschaft, während sich vorne die hungernden Liebenden im Krieg Briefe schreiben; und ein Zoom auf - den widerständigen Möchtegern-Ehemann abknallen wollende - Soldaten mit Riesengewehren, die aber nicht funktionieren, womit der ganze Staatsdeal für die Katz war.
Umzuschulen: zwei deklamierend sprechende Sänger
Schuld daran ist der korrupte Mr. Jones, der mit des Präsidenten falschem Berater Ximenez den Deal ins Laufen gebracht hat. Michael Kraus und Wolfgang Gratschmaier stechen als aalglatte Herren in schwarzem bzw. weißem Anzug und schwarzen Sonnenbrillen hervor. Leider gehen sie einem aber nicht nur als Negativcharaktere auf die Nerven, sondern auch in ihrer Art zu Deklamieren. Sie haben noch nicht gelernt, was heutige Schauspieler-Sänger können sollten: Normal sprechen und agieren und trotzdem gut singen. Diese beiden sind passable Sänger. Ihrem gesprochenen Gebrüll ist dagegen kaum zu folgen. So freut man sich wirklich, als sich wenigstens Jones noch vor dem Schluß per (witziger) "Hubschrauber-Leiter" aus dem Staub machen muss. - Selbst wenn der Unheilbringer - so typisch für diese Welt - hiermit einmal mehr davon kommt. r.r./e.o.
Regisseur David Pountney ist in seiner Funktion als Intendant der Bregenzer Festspiele demnächst im Interview auf www.intimacy-art.com / aKtuell / REALNEWS / INTERVIEW zu lesen.
DAS URTEIL GEMÄSS DES DRAMATISCHEN VERLAUFS TREFFEND ÜPPIG UND GROTESK. HAT MAN DAS GECHECKT, LÄSST MAN SICH AUF DIESE DETAILREICHE ÜBERRASCHUGSLAUNE GERNE EIN. AM LUSTIGSTEN: DER PRÄSIDENT CARLO HARTMANN, AM MITREISSENDSTEN: DAS SEXY BALLETT, INSGESAMT STIMMIG: DIE REGIE, ABWECHSLUNGSREICH: WEILLS MUSIK.
OPERETTE Der Kuhhandel * Von: Kurt Weill / Text: Robert Vambery * Regie: David Pountney * Dirigat: Christoph Eberle * Choreographie: Craig Revel Horwood * Mit: Carlo Hartmann, Rolf Haunstein, u.a. * Mit: Chor und Orchester der Volksoper Wien * Mit: Das Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper (Bernhard Bläuel, Ekaterina Davydova, Patrik Hullman, Florian Hurler, Silvia Schreger, Josephine Tyler) * Ort: Volksoper Wien * Zeit: 7., 10., 24.5.; 11., 20.6.2007: 19h
OPERETTE Der Kuhhandel * Von: Kurt Weill / Text: Robert Vambery * Regie: David Pountney * Dirigat: Christoph Eberle * Choreographie: Craig Revel Horwood * Mit: Carlo Hartmann, Rolf Haunstein, u.a. * Mit: Chor und Orchester der Volksoper Wien * Mit: Das Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper (Bernhard Bläuel, Ekaterina Davydova, Patrik Hullman, Florian Hurler, Silvia Schreger, Josephine Tyler) * Ort: Volksoper Wien * Zeit: 7., 10., 24.5.; 11., 20.6.2007: 19h
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