Photo: Dietmar König als kunstsinniger Beamter und Ehemann Innstetten, und Alexandra Henkel als seine ungestüme Ehefrau Effi Briest. Einmal überhäuft sie ihn zur Begrüßung mit Tand, und immer sehnt sie sich fort, von seinem unheimlichen Haus (© Reinhard Werner)
VESTIBÜL IM BURGTHEATER FONTANES EFFI BRIEST KÖNNTE AUCH HEUTE NOCH GELTEN - ETWA ALS NATASCHA KAMPUSCH. WARUM ZEIGT MAN UNS DAS WERK SO WENIG ZEITGEMÄSS UND DABEI ABER IN VERSUCHT MODISCHER FORM?
Effi Briest ist einerseits die Geschichte der zuhause sitzenden Naturkindfrau und ihres karrierebewußten, an ihren Bedürfnissen wenig interessierten, älteren Geistesmannes. Andererseits ist das die Geschichte vom Individuum, das sich gegen die eigene Empfindung dem moralischen Gesellschaftsdruck unterwirft. Denn der Ehemann Innstetten tötet aus reiner Prinzipientreue, und nicht, weil er sich verletzt fühlt, im Duell den Verführer Crampas, der "vor Jahren" seine vernachlässigte Effi getröstet hat.
Heute arrangiert man sich mit Untreue
Womit nun Theodor Fontane im ausklingenden 19. Jahrhundert hinsichtlich des allgemeinen Schwindens des preußischen Ehrbegriffs provozierte, hat heute in weitestem Sinne höchstens noch im Kampf des Einzelnen gegen die Gesellschaft Gültigkeit. Denn eine ausschließlich vom Mann ausgehaltene, im Haus wartende, blutjunge, westliche Ehefrau, existiert wohl nur noch im abstrusen Beispiel einer Natascha Kampusch. - Die nach diesem Modell aber auch nur in Abschottung der Gesellschaft leben konnte; sobald sie mit der Gesellschaft konfrontiert war, mußte (wollte) sie selbst Geld verdienen - wie übrigens schon die "echte" Effi Briest, Else von Plotho, von deren Ehebruch und anschließenden Konsequenzen sich Fontane inspirieren lassen hat. - Ja, heute findet sich doch sogar schon jede/r Zweite mit der Wahrscheinlichkeit der "Untreue des Partners" ab, selbst wenn es ihn/sie schmerzt!
Unpassender Versuch von formaler Aktualisierung
Hätte sich Regisseurin Sandra Schüddekopf in ihrer Inszenierung der Effi Briest, die am 5.10. im Burgtheater-Vestibül Premiere hatte, in Sachen Aktualität auch nur irgendetwas zu diesem Stoff überlegt, wäre der Theaterabend spannender geworden. Denn wenn sie nur die Literaturvorlage erzählt - die wir schon des öfteren im Fernsehen bewundern konnten -, soll sie sie bitte auch gleich formal in der Vergangenheit spielen lassen. Doch was hat sie gemacht? - Ihre beiden Darsteller, Dietmar König und die körpersprachlich begabte Alexandra Henkel, switchen jeweils zwischen den weiblichen Figuren (Erzählerin, Effi, Annie=Haushälterin) und den Männlichen (Erzähler, Innstetten, Crampas) hin und her und raffen dadurch die Geschichte. Dazu ein bißchen Musik, ein paar an die Wand geworfene Bilder, ein paar nette Szenen, wie wenn Effi als jiddisch sprechende Frau zur Verführerin wird. Das ist aber auch schon alles. Vom Bühnenbild (Eva Maria Schwenkel) ganz zu schweigen, wo in den barocken Raum unpassend-Modernes (und auch Altes) hineingezwängt worden scheint.
Erkenntnisse zum Auffrischen
Wenn man als Zuschauer aber etwas wieder auffrischen konnte, dann waren es folgende Erkenntnisse: Mann und Frau sind in ihren Rollen (bis zu einem gewissen Grad auch heute noch) gefangen, wobei zu wenig gegenseitiges Verständnis und Interesse aufgebracht wird. Öfters passiert es, dass jemand sagt (in diesem Fall sagt es Effi), "Ich habe Dich eigentlich nur aus Ehrgeiz geheiratet", wonach man (sie) seine Zärtlichkeit über sich ergehen läßt, weil man (sie) es muß. (Oder Männer sind zärtlich, weil sie es müssen.) Es geschieht auch, dass man sich selbst verachtet, nachdem man glaubt, die Gesellschaft würde einen verachten. (Der Grund spielt dabei keine Rolle.) Und meist ist uns die mitmenschliche Tugend im realen Alltag wichtiger als in der Literatur oder Fiktion: nur da lieben wir die Rebellin, den Piraten, den Casanova, die Hure... e.o./ a.c.
Effi Briest ist einerseits die Geschichte der zuhause sitzenden Naturkindfrau und ihres karrierebewußten, an ihren Bedürfnissen wenig interessierten, älteren Geistesmannes. Andererseits ist das die Geschichte vom Individuum, das sich gegen die eigene Empfindung dem moralischen Gesellschaftsdruck unterwirft. Denn der Ehemann Innstetten tötet aus reiner Prinzipientreue, und nicht, weil er sich verletzt fühlt, im Duell den Verführer Crampas, der "vor Jahren" seine vernachlässigte Effi getröstet hat.
Heute arrangiert man sich mit Untreue
Womit nun Theodor Fontane im ausklingenden 19. Jahrhundert hinsichtlich des allgemeinen Schwindens des preußischen Ehrbegriffs provozierte, hat heute in weitestem Sinne höchstens noch im Kampf des Einzelnen gegen die Gesellschaft Gültigkeit. Denn eine ausschließlich vom Mann ausgehaltene, im Haus wartende, blutjunge, westliche Ehefrau, existiert wohl nur noch im abstrusen Beispiel einer Natascha Kampusch. - Die nach diesem Modell aber auch nur in Abschottung der Gesellschaft leben konnte; sobald sie mit der Gesellschaft konfrontiert war, mußte (wollte) sie selbst Geld verdienen - wie übrigens schon die "echte" Effi Briest, Else von Plotho, von deren Ehebruch und anschließenden Konsequenzen sich Fontane inspirieren lassen hat. - Ja, heute findet sich doch sogar schon jede/r Zweite mit der Wahrscheinlichkeit der "Untreue des Partners" ab, selbst wenn es ihn/sie schmerzt!
Unpassender Versuch von formaler Aktualisierung
Hätte sich Regisseurin Sandra Schüddekopf in ihrer Inszenierung der Effi Briest, die am 5.10. im Burgtheater-Vestibül Premiere hatte, in Sachen Aktualität auch nur irgendetwas zu diesem Stoff überlegt, wäre der Theaterabend spannender geworden. Denn wenn sie nur die Literaturvorlage erzählt - die wir schon des öfteren im Fernsehen bewundern konnten -, soll sie sie bitte auch gleich formal in der Vergangenheit spielen lassen. Doch was hat sie gemacht? - Ihre beiden Darsteller, Dietmar König und die körpersprachlich begabte Alexandra Henkel, switchen jeweils zwischen den weiblichen Figuren (Erzählerin, Effi, Annie=Haushälterin) und den Männlichen (Erzähler, Innstetten, Crampas) hin und her und raffen dadurch die Geschichte. Dazu ein bißchen Musik, ein paar an die Wand geworfene Bilder, ein paar nette Szenen, wie wenn Effi als jiddisch sprechende Frau zur Verführerin wird. Das ist aber auch schon alles. Vom Bühnenbild (Eva Maria Schwenkel) ganz zu schweigen, wo in den barocken Raum unpassend-Modernes (und auch Altes) hineingezwängt worden scheint.
Erkenntnisse zum Auffrischen
Wenn man als Zuschauer aber etwas wieder auffrischen konnte, dann waren es folgende Erkenntnisse: Mann und Frau sind in ihren Rollen (bis zu einem gewissen Grad auch heute noch) gefangen, wobei zu wenig gegenseitiges Verständnis und Interesse aufgebracht wird. Öfters passiert es, dass jemand sagt (in diesem Fall sagt es Effi), "Ich habe Dich eigentlich nur aus Ehrgeiz geheiratet", wonach man (sie) seine Zärtlichkeit über sich ergehen läßt, weil man (sie) es muß. (Oder Männer sind zärtlich, weil sie es müssen.) Es geschieht auch, dass man sich selbst verachtet, nachdem man glaubt, die Gesellschaft würde einen verachten. (Der Grund spielt dabei keine Rolle.) Und meist ist uns die mitmenschliche Tugend im realen Alltag wichtiger als in der Literatur oder Fiktion: nur da lieben wir die Rebellin, den Piraten, den Casanova, die Hure... e.o./ a.c.
DAS URTEIL VIEL IST REGISSEURIN SANDRA SCHÜDDEKOPF NICHT EINGEFALLEN ZU IHRER EFFI BRIEST. EINE MITTELMÄSSIGE AUFFÜHRUNG, AUF DIE MAN VERZICHTEN KANN, HAT MAN DEN FILM BEREITS GESEHEN.
THEATER Effi Briest * Autor: Theodor Fontane * Regie: Sandra Schüddekopf * Mit: Dietmar König, Alexandra Henkel * Ort: Jetzt im Akademietheater! * Zeit: 17., 25., 26.9.2008: 20h
THEATER Effi Briest * Autor: Theodor Fontane * Regie: Sandra Schüddekopf * Mit: Dietmar König, Alexandra Henkel * Ort: Jetzt im Akademietheater! * Zeit: 17., 25., 26.9.2008: 20h
3 comments:
Sie treffen mit Ihrer Kritik in allen Punkten ins Schwarze. Man fragt sich nach dieses Aufführung echt, warum die Regisseurin diese Effi minus jede Idee auf die Bühne bringen zu müssen glaubte.
Ich habe den Roman Effi Briest gelesen und kurz darauf sah ich, dass der Roman als Stück im Akademietheater gespielt wurde. Ich war begeistert von der Fähigkeit der Regisseurin oder überhaupt von der Tatsache, einen Roman in ein Drama umzuwandeln. Die Dinge, die mir im Roman wichtig waren und die mich berührt haben, habe ich im Stück umg esetzt gefunden. Das Stück hat in mir vergleichbare Emotionen entstehen lassen, was mich sehr gefreut hat, da Effi zu meinen Lieblingsgestalten gehört.
Ich hatte den Roman gelesen und kurz darauf gesehen, dass er als Stück im Akademietheater gespielt wurde. Ich war begeistert, mich hat die Tatsache fasziniert, wie man Prosa in ein Theaterstück umwandelt. Das Stück hat in mir ähnliche Emotionen entstehen lassen wie der Roman. Effie Briest gehört für mich zu den großartigsten Stücken und ich finde es gut, sie auf die Bühne zu bringen und damit auch unters Volk, dda man ev. nicht davon ausgehen kann, dass das Buch gelesen wird. Zu der Zeit, als ich es zum ersten Mal las, war ich zu jung, um es zu verstehen (Schule).
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