Monday, October 02, 2006

KONZERT: KRISTJAN JÄRVI ALS SPRINGENDER GÖTTERFUNKE


Photo: Kristjan Järvi dirigiert Beethovens Freude schöner Götterfunken so dramatisch "brennend", als ob der Funke in ihm säße. (© Peter Rigaud)


TONKÜNSTLER ORCHESTER NIEDERÖSTERREICH DIRIGENT KRISTJAN JÄRVI MACHT AUS MAHLERS BEETHOVEN (9. SYMPHONIE) EIN ÖFFENTLICHES FEUERWERK UND HAT SEIN INTIMES BEI ARVO PÄRT

Mit wieviel Energie
vermag dieser junge Kerl nur sein über hundertköpfiges Heer an Musikern und das noch einmal so große Sängerensemble - den Slowakischen Philharmonischen Chor - anzustecken? Um wieviel mehr muß erst noch in ihm selbst stecken? - Kristjan Järvi war bei der Premiere von Mahlers Beethoven im Wiener Musikverein von bester physischer und mentaler Kondition. Wenn man bedenkt, dass er das an vier Tagen hinter einander durchhalten muß, dann alle Achtung.

Eigentliche Stärke im Stillen


Järvis Vision, sein Tonkünstler Orchester Niederösterreich zur neuzeitlich-klassischen "Rockband" zu verwandeln, scheint über ihm zu schweben wie ein Damoklesschwert. Es läßt ihn zuweilen so schnell werden, dass man allein beim Zuhören nach Luft schnappen muss. Kontrastreich, von ganz leise zu ganz plötzlichem, fast schon brutal orgiastischem, lautem Temperament liegt er dabei zwar immer auf Takt, es fehlt dem Ganzen aber manchmal an Rast. Dabei liegt Järvis tatsächliche Stärke in den leisen Passagen. Er dirigiert sie voll und kräftig, aber mit weicher Eleganz und ohne jede Traurigkeit. So wie es nur ein ganz junger, optimistischer Mensch tun kann, der noch an alle seine Träume glaubt.

Dementsprechend ergreifend dirigierte er das einleitende Stück, Arvo Pärts minimalistisches Cantus in memory of Benjamin Britten. Mit jedem Ton spürte man Järvis Identifikation mit der nordischen Musik dieses Komponisten, dem wie Järvi in den Westen emigrierten Esten. Das kurze, 1977/80 anläßlich des Todes des britischen Komponisten Britten entwickelte Werk, basiert auf der Anordnung eines Kanons und einem wiederkehrenden Glockenton in verschiedenen Geschwindigkeiten. Järvis Hommage des Sterbens und Auferstehens erklang ohne Sentimentaliät, aber mit einer reifen, archaisch-schönen Aura.

Freude als Manifest


Dass Järvi bei Beethovens Symphonie Nr.9 d-moll op. 125 zu jener Fassung griff, die von Gustav Mahler um 1900 neuzeitlich "verbessert" wurde, entspricht konsequenterweise seiner prinzipiellen Auffassung von heutiger Klassik. Was Mahler damals wider den meisten Kritikermeinungen, aber bei einem begeisterten Publikum tat, war, die Instrumentation von der Spärlichen Beethovens durch jene eines heutigen, großen Orchesters zu erweitern. Insbesondere durch Verdoppelungen von Bläsern durch Streicher und umgekehrt, bzw. durch Hinzunahme von Pikkoloflöte, Es-Klarinette, Basstuba (die schönsten Stellen!) und einer zweiten Pauke, während er die leisen Passagen reduzierte. Mit bewegtem Schalk und erzählerischer Kraft aus den Tiefen seines erlebenden Körpers führte der Dirigent seine Musiker und das Publikum durch diese musikalische Reise.

Doch das große Highlight kam am Ende: Freude schöner Götterfunken..., Schillers Ode An die Freude, erklang als gewaltige Parole durch getrennten Frauen- und Männerchor, deren Ausruf Järvi mit einem haarscharf genauen, finalen Freudensprung untermauerte. (e.o.)
mehr zu Kristjan Järvi erfahren Sie über www.intimacy-art.com/artists/talks/vision


DAS URTEIL KRISTJAN JÄRVI? - EIN DRAMATISCH, RASTLOSES TEMPERAMENT VON SPEKTAKULÄREM KÖRPEREINSATZ! SEINE EIGENTLICHE STÄRKE LIEGT ABER IN DEN STILLEN PASSAGEN, IN DIE ER SICH UND SEIN PUBLIKUM RUHIG NOCH MEHR HINEIN FALLEN LASSEN KÖNNTE.

KONZERT Mahlers Beethoven (9.Symphonie) mit Arvo Pärt * Dirigent: Kristjan Järvi * Mit: Tonkünstler Orchester Niederösterreich, Gabriele Fontana (Sopran), Barbara Hölzl (Alt), Arnold Bezuyen (Tenor), Reinhard Mayr (Bass), und dem Slowakischen Philharmonischen Chor unter Blanka Juhanáková * Ort: Festspielhaus St. Pölten * Zeit: 2.10.06, 19h30

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