Für die Ruhrtriennale mag das Auftragswerk Der Seelen wunderliches Bergwerk noch passender gewesen sein, wie die felsenreichen Szenenfotos zeigen. Aber auch im Theater an der Wien, im Bühnenbild der Idomeneo-Inszenierung war es gerade noch glaubwürdig: dank des starken Tobias Moretti und den virtuosen Musikern von moderntimes.
Fotos: © Ursula Kaufmann/RuhrTriennale 2005, Tobias Moretti & Kammerorchester moderntimes © Armin Bardel 2007
Der Kampf des Urmenschen Moretti mit dem "industriellen Klavier" - Ruhrtriennale und Theater an der Wien im Vergleich: Tobias Moretti & Natalia Grigorieva
© Ursula Kaufmann/RuhrTriennale 2005, © Armin Bardel 2007
THEATER AN DER WIEN EIN MUSIK- UND TEXTEXPERIMENT VON ZEITLOS ARCHAISCHER ELEGANZ UND MENSCHLICHER LEBENSFREUDE: DER SEELEN WUNDERLICHES BERGWERK MIT DEN MORETTIS UND MODERNTIMES
Was hat das Leben dem Menschen zu bieten, zwischen Mittelalter, industrieller Frühzeit und heutiger Computer-Realität? Eines sicher: Dass er "essen, arbeiten und trinken muss - viel trinken, da er nichts anderes tun kann." - So lautet der heitere Schlußsatz von Schauspiel-Star Tobias Moretti, begleitet von seinem narrenhaften Akkordeon-Alter Ego, Siggi Haider. In der szenischen Zeitreise aus Sprache und Musik Der Seelen wunderliches Bergwerk ist das Leben aber zu keiner Zeit leicht, man kann nur immer wieder versuchen, es positiv zu sehen: All die Anhäufung von Äußerem und Privatem, von Willkürtaten und Wunschhandlungen, von Ereignissen und Schicksalhaftem.
Dann soll es sogar geschehen, dass selbst die Kehrseite des Lebens - Tod und Vergänglichkeit - zu zauberhafter, lebendiger Poesie wird, indem sie für den Fortgang steht. Gerade als hätten die Dichter Hebel, Trakl, Heine, Grillparzer, Enzensberger, Rilke und Celan zusammen eine Geschichte verfaßt, obwohl sie doch ursprünglich unabhängige, eigenständige Gedichte und Erzählungen geschrieben hatten, geschweige denn, dass sie einander gekannt hätten. Wachsen ihre Wortgebilde und Satzwandlungen zu Bildern, ist es, als wären sie eins, dann gibt es kein Entrinnen mehr, vor der bindenden Emotion, den wenigen, wichtigen Lebensfragen, die jeden Menschen betreffen.
Die Last des L(i)ebens im Bergwerk
Diese Last des Lebens ist schwer und reich, beginnt rhythmisch und dramatisch mit viel Moll und wenig Dur als Musik des 18. Jahrhunderts von Joseph Martin Kraus, Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn, kraft- und farbvoll gespielt vom ausschließlich aus 15 Streichern und fünf Bläsern bestehenden Kammerorchester moderntimes. Symbolreich lädt Moretti diese Musik durch seinen charismatisch, archaisch und teilweise auch unheimlich "auf allen Vieren kriechend" vorgetragenen Text auf, der von der Idee einer Frau handelt, die ihren Bräutigam verlor und ihn im Alter wieder fand, als vereiste, erhaltene Leiche. Er sieht wie damals aus, als sie ihr Leben mit ihm verbringen wollte. "Was die Erde einmal wieder gegeben hat, wird sie zum zweiten Mal auch nicht behalten", ist ihre hoffnungsvolle Antwort auf ihren Fund, was für nichts anderes steht, als für die ewige Sehnsucht nach der Beständigkeit des Glücks, das stets zu schnell vergeht. - Im harten Zeitalter des "Bergwerks", währte es als "bescheidenes Glück" noch kürzer, wohl war es aber umso intensiver und wertvoller.
Solchen Zeiten daher eine Auflockerung, zustande gebracht mit Dmitrij Shostakowitschs irrem Walzer Nr.2: wie im Karneval geraten die jetzt herumstreunenden Musiker des Kammerorchesters spielend durcheinander, entwurzelt wandern sie umher, während sich die Lautstärken ihrer Instrumente verlagern. Sie suchen nach neuem Halt und finden ihn in der Industriemusik, dem lärmenden Industriezeitalter. Ein Klavier wird rasend schnell herein geschubst, dazu eine puppenhafte Flügelvirtuosin (Natalia Grigorieva), die spielt wie es ihr paßt, mit ihren eigenen, innewohnenden, technischen Gesetzen, da kann der Urmensch Moretti noch so oft die Noten wegziehen und sich an ihr ärgern.
Die Last des L(i)ebens im Industriezeitalter
Doch mit dem nun eis-eleganten Stück Summa aus dem modernen Norden kehrt wieder Ruhe ein. Auf jene zauberhaft entrückte Weise, die dem Namen des Kammerorchester gerecht wird: Komponist Arvo Pärt versetzt alle Vergangenheit ins Jetzt, in schönste Endzeitmusik ohne Ende, in unendliche Ahnung vom Glanz ohne Eitelkeit, in ewiges Loslassen aller Zwänge. Wenn das unsere Moderne sein soll, dann ist sie gut und begehrenswert. Ein erster Moment im Abend, wo sämtliche künstlerische Höhen erreicht sind, wo alles stimmt.
Seinen Fortgang nimmt es in Benjamin Brittens Pan, ein Oboen-Solo von Orchesterleiterin Julia Moretti, die erstmals aus der hinteren Reihe hervor strahlt. Sie spielt vom "Weg des Todes", der leise, lange, beharrlich und unausweichlich ist. "Es ist wahr, dass der Tod die Liebe wie Eis konserviert, der Schmerz wird nicht weniger" - ist die Assoziation ihres Mannes dazu. Stirbt oder entschwindet jemand, den wir liebten, stirbt auch ein Teil von uns, der gleichzeitig durch den Schmerz weiter erlebt werden muss. - Das ist das Los der Bindung und der Liebesentscheidung, die zu allen Zeiten gleich ist. Sie ist verwundbar schön und voller Erinnerung, wie sie nur der großartige Violonist und eigentliche Leader des Musiker-Ensembles, Ilia Korol, in Frank Martins zeitgenössischem Polyptyque, Image de la Chambre Haute wiederzugeben vermag. e.o./r.r.
Was hat das Leben dem Menschen zu bieten, zwischen Mittelalter, industrieller Frühzeit und heutiger Computer-Realität? Eines sicher: Dass er "essen, arbeiten und trinken muss - viel trinken, da er nichts anderes tun kann." - So lautet der heitere Schlußsatz von Schauspiel-Star Tobias Moretti, begleitet von seinem narrenhaften Akkordeon-Alter Ego, Siggi Haider. In der szenischen Zeitreise aus Sprache und Musik Der Seelen wunderliches Bergwerk ist das Leben aber zu keiner Zeit leicht, man kann nur immer wieder versuchen, es positiv zu sehen: All die Anhäufung von Äußerem und Privatem, von Willkürtaten und Wunschhandlungen, von Ereignissen und Schicksalhaftem.
Dann soll es sogar geschehen, dass selbst die Kehrseite des Lebens - Tod und Vergänglichkeit - zu zauberhafter, lebendiger Poesie wird, indem sie für den Fortgang steht. Gerade als hätten die Dichter Hebel, Trakl, Heine, Grillparzer, Enzensberger, Rilke und Celan zusammen eine Geschichte verfaßt, obwohl sie doch ursprünglich unabhängige, eigenständige Gedichte und Erzählungen geschrieben hatten, geschweige denn, dass sie einander gekannt hätten. Wachsen ihre Wortgebilde und Satzwandlungen zu Bildern, ist es, als wären sie eins, dann gibt es kein Entrinnen mehr, vor der bindenden Emotion, den wenigen, wichtigen Lebensfragen, die jeden Menschen betreffen.
Die Last des L(i)ebens im Bergwerk
Diese Last des Lebens ist schwer und reich, beginnt rhythmisch und dramatisch mit viel Moll und wenig Dur als Musik des 18. Jahrhunderts von Joseph Martin Kraus, Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn, kraft- und farbvoll gespielt vom ausschließlich aus 15 Streichern und fünf Bläsern bestehenden Kammerorchester moderntimes. Symbolreich lädt Moretti diese Musik durch seinen charismatisch, archaisch und teilweise auch unheimlich "auf allen Vieren kriechend" vorgetragenen Text auf, der von der Idee einer Frau handelt, die ihren Bräutigam verlor und ihn im Alter wieder fand, als vereiste, erhaltene Leiche. Er sieht wie damals aus, als sie ihr Leben mit ihm verbringen wollte. "Was die Erde einmal wieder gegeben hat, wird sie zum zweiten Mal auch nicht behalten", ist ihre hoffnungsvolle Antwort auf ihren Fund, was für nichts anderes steht, als für die ewige Sehnsucht nach der Beständigkeit des Glücks, das stets zu schnell vergeht. - Im harten Zeitalter des "Bergwerks", währte es als "bescheidenes Glück" noch kürzer, wohl war es aber umso intensiver und wertvoller.
Solchen Zeiten daher eine Auflockerung, zustande gebracht mit Dmitrij Shostakowitschs irrem Walzer Nr.2: wie im Karneval geraten die jetzt herumstreunenden Musiker des Kammerorchesters spielend durcheinander, entwurzelt wandern sie umher, während sich die Lautstärken ihrer Instrumente verlagern. Sie suchen nach neuem Halt und finden ihn in der Industriemusik, dem lärmenden Industriezeitalter. Ein Klavier wird rasend schnell herein geschubst, dazu eine puppenhafte Flügelvirtuosin (Natalia Grigorieva), die spielt wie es ihr paßt, mit ihren eigenen, innewohnenden, technischen Gesetzen, da kann der Urmensch Moretti noch so oft die Noten wegziehen und sich an ihr ärgern.
Die Last des L(i)ebens im Industriezeitalter
Doch mit dem nun eis-eleganten Stück Summa aus dem modernen Norden kehrt wieder Ruhe ein. Auf jene zauberhaft entrückte Weise, die dem Namen des Kammerorchester gerecht wird: Komponist Arvo Pärt versetzt alle Vergangenheit ins Jetzt, in schönste Endzeitmusik ohne Ende, in unendliche Ahnung vom Glanz ohne Eitelkeit, in ewiges Loslassen aller Zwänge. Wenn das unsere Moderne sein soll, dann ist sie gut und begehrenswert. Ein erster Moment im Abend, wo sämtliche künstlerische Höhen erreicht sind, wo alles stimmt.
Seinen Fortgang nimmt es in Benjamin Brittens Pan, ein Oboen-Solo von Orchesterleiterin Julia Moretti, die erstmals aus der hinteren Reihe hervor strahlt. Sie spielt vom "Weg des Todes", der leise, lange, beharrlich und unausweichlich ist. "Es ist wahr, dass der Tod die Liebe wie Eis konserviert, der Schmerz wird nicht weniger" - ist die Assoziation ihres Mannes dazu. Stirbt oder entschwindet jemand, den wir liebten, stirbt auch ein Teil von uns, der gleichzeitig durch den Schmerz weiter erlebt werden muss. - Das ist das Los der Bindung und der Liebesentscheidung, die zu allen Zeiten gleich ist. Sie ist verwundbar schön und voller Erinnerung, wie sie nur der großartige Violonist und eigentliche Leader des Musiker-Ensembles, Ilia Korol, in Frank Martins zeitgenössischem Polyptyque, Image de la Chambre Haute wiederzugeben vermag. e.o./r.r.
DAS URTEIL EIN WUNDERBARER ABEND, DER VORGIBT, WIE DAS THEATER AN DER WIEN LANGFRISTIG ERFOLG HABEN WIRD: ALS GESCHMACKVOLLE, MODERNE, HOCHSTEHENDE EXPERIMENTIERSTÄTTE ENGAGIERTER VIRTUOSEN UND KÜNSTLER ALLER KUNSTGATTUNGEN.
Szenische Lesung mit Musik: Der Seelen wunderliches Bergwerk * Mit: moderntimes + Tobias Moretti * Medium: Radio Ö1: Aus dem Konzertsaal * Zeit: 25.2.2007, 19h30
Szenische Lesung mit Musik: Der Seelen wunderliches Bergwerk * Mit: moderntimes + Tobias Moretti * Medium: Radio Ö1: Aus dem Konzertsaal * Zeit: 25.2.2007, 19h30
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