Sixpack-Prolo Stanley Kowalski (Teddy Tahu Rhodes) nimmt sich seine Frau Stella (Mary Mills) vor seinem Pokerfreund Steve Hubbell (Erik Arman) fast genauso brutal ...
...wie deren Schwester Blanche (Janice Watson): "Das wollten wir doch von Anfang an", schreit er. - Bei ihm schaut´s immer wie eine Vergewaltigung aus, wenn er den "Nicht-Frauen" des Tennessee Williams den "Mann" aus- und durch sich eintreibt. Fotos © Rolf Bock
THEATER AN DER WIEN DIESE JAZZ-MODERNE ENDSTATION SEHNSUCHT IST GEGENÜBER DER GÄNGIGEN NEUEN ODER KLASSISCHEN OPER ERFRISCHEND - STEIN WINGE HAT SICH ZUGUNSTEN DER EROTISCHEN HOMO-VERSTRICKUNGEN IM TENNESSEE WILLIAMS-STOFF ZURÜCK GEHALTEN
Tennessee Williams - da denkt man an die Pflichtlektüre der Schulzeit. An den Schreiber, der in allen seinen Figuren seine Homosexualität und deren gesellschaftliche Ablehnung verpackte. - Was man nun als Schüler nicht verstand, da man ja nicht einmal die gewöhnlichen "Erwachsenengefühle" nachvollziehen konnte, bekommt nach ein, zwei Jahrzehnten Leben deutlichere Züge. Und wenn jemand an den Figuren nicht allzu viel herumdoktort - auch nicht mittels Inszenierungsstil -, dann werden jene Züge tatsächlich klar. So geschehen in der österreichischen Erstaufführung von Endstation Sehnsucht am Theater an der Wien unter Norweger Stein Winge, der auf einer ziemlich leeren Bühne mit ein paar losen Möbeln für Schlaf-/ Wohnzimmer sowie Küche ohne Wände spielen läßt, als dauerpräsentem Schauplatz. Der einzige Luxus, den sich die Inszenierung leistet, ist das Drehen der Bühne, was aber für etwas steht: für das Irre-werden der Blanche DuBois.
Jede Figur - Homosexuellen-Klischees
"Regie" und Charakterinterpretation stecken dafür in der Musik - denn hier handelt es sich um das Theaterstück, das als Oper (Libretto Philip Littell) 1998 vertont wurde. Wenn sie auch weniger tiefenpsychologisch, als handlungsunterstreichend komponiert ist: Und das, obwohl André Previn durchgehende Rhythmik und komplexe Jazz-Arrangements mit typisch dramatischen Bläser-Passagen innerhalb einer zeitgenössisch-atonalen und melodischen Orchestersymphonie geschaffen hat, wobei einige Musiker der Wiener Symphoniker ihre Soli - wie etwa der für gewöhnlich selten in Orchestern solierende Kontrabaß - tatsächlich über längere Zeit "alleine" spielen. Die dramatischen und lyrischen Arien drücken dagegen die einzelnen, klar gezeichneten Charaktere in ihrem Agieren empfindsam und kammermusikalisch aus. Ja, viele Melodien sind regelrecht romantisch, sodass im Kontrast zu Atonalität und Kälte der Geschichte ein schmerzhaft doppelbödiges Flair aufkommt.
Diese Atmosphäre geht von der Figur der Blanche DuBois aus, die sich einerseits in der Handlung von einem mondänen Glamourvamp zu einer tugendhaften Dame bekehren will, indem sie den sensiblen Harold Mitchell aus einfachen Verhältnissen heiratet. Andererseits legt sie als "Frau" männlich-eigenständiges Gebaren an den Tag, sie trinkt Whiskey und flirtet mit jedem Mann, um bestätigt zu bekommen, dass sie noch "ankommt". Dass sie sogar nymphomanisch veranlagt ist, stellt sich im Zuge des Geschehens heraus: Nach einer Ehe mit einem Homosexuellen, den sie durch ihre aggressive Konfrontation diesbezüglich in den Selbstmord getrieben hatte, verführte sie in ihrem Beruf als Lehrerin einen minderjährigen Jungen. - Lauter Anspielungen also, auf die gängige sexuelle Lust schwuler Männer: die Lust auf Schönheit und Zartheit, ewige Jugend bis zur Pädophilie sowie wechselnde Partner.
Aus Blanches Hochzeit wird allerdings nichts. Schuld daran ist der Ehemann ihrer Schwester Stella, Stanley Kowalski, ein Prolo-Macho sondergleichen, der seine schwangere, ihm völlig verfallene Frau schlägt. Tennessee Williams dachte sich selbst auf eine Bemerkung Thornton Wilders hin, der es in dem Werk als unglückliches Mißverständnis ansah, dass eine Dame wie "Stella" niemals so einen Proleten wie Stanley heiraten könne: "Dieser Typ (damit meinte er Wilder) ist nie zu einem guten Fick gekommen." Tatsächlich geht es aber um die Beziehung von Stanley und Blanche, zwischen denen die größte Erotik herrscht, da ein Machtkampf ausgetragen wird. Stanley fühlt sich von der "Männlichkeit" Blanches so angezogen, dass er sie "entmannen" muss: Er vergewaltigt sie. - Dieser kalt-distanzierte Sex- und Machttrieb also auch ein typisches Homosexuellen-Klischee.
Jede Figur - blendend besetzt
All diese sexuellen Querverstrickungen hinter den offiziellen Paarkonstellationen, unterstreichen die blendend besetzten Darsteller durch ihre Körperpräsenz: Stanley ist der große Sixpack-Athlet Teddy Tahu Rhodes, der nicht nur im Spiel seinen festen nackten Oberkörper - und Hintern - gerne zu zeigen scheint. Blanche ist mit Janice Watson eine recht korpulente Frau und hat mit attraktiven langen Beinen die Größe eines stattlichen Mannes. Stella ist die zierlich-kleine Mary Mills (mit einer sehr schönen Stimme), und Mitch ist mit Simon O´Neill ein molliger Nicht-Sportler, dem man die sensible Konnotation abnimmt, die die männlich-schwule Blanche zur innerlichen Heilung sucht. Mitch sagt allerdings - wieder typisch für enge Mutter-Sohn-Bindungen von Homosexuellen: "Sie sind nicht rein genug, um mit meiner Mutter im selben Haus zu wohnen." - Sie alle, einschließlich der Nebenrollen-Interpreten, singen und spielen ausgesprochen gut. - Diese Klischee-Charakterzeichnungen sowie die pointiert erlebt gespielte Musik des Orchesters, dirigiert von Sian Edwards, sind die stärksten Eindrücke der musikalisch-erfrischenden und doch psychisch-dunklen modernen Oper. e.o./r.r.
Tennessee Williams - da denkt man an die Pflichtlektüre der Schulzeit. An den Schreiber, der in allen seinen Figuren seine Homosexualität und deren gesellschaftliche Ablehnung verpackte. - Was man nun als Schüler nicht verstand, da man ja nicht einmal die gewöhnlichen "Erwachsenengefühle" nachvollziehen konnte, bekommt nach ein, zwei Jahrzehnten Leben deutlichere Züge. Und wenn jemand an den Figuren nicht allzu viel herumdoktort - auch nicht mittels Inszenierungsstil -, dann werden jene Züge tatsächlich klar. So geschehen in der österreichischen Erstaufführung von Endstation Sehnsucht am Theater an der Wien unter Norweger Stein Winge, der auf einer ziemlich leeren Bühne mit ein paar losen Möbeln für Schlaf-/ Wohnzimmer sowie Küche ohne Wände spielen läßt, als dauerpräsentem Schauplatz. Der einzige Luxus, den sich die Inszenierung leistet, ist das Drehen der Bühne, was aber für etwas steht: für das Irre-werden der Blanche DuBois.
Jede Figur - Homosexuellen-Klischees
"Regie" und Charakterinterpretation stecken dafür in der Musik - denn hier handelt es sich um das Theaterstück, das als Oper (Libretto Philip Littell) 1998 vertont wurde. Wenn sie auch weniger tiefenpsychologisch, als handlungsunterstreichend komponiert ist: Und das, obwohl André Previn durchgehende Rhythmik und komplexe Jazz-Arrangements mit typisch dramatischen Bläser-Passagen innerhalb einer zeitgenössisch-atonalen und melodischen Orchestersymphonie geschaffen hat, wobei einige Musiker der Wiener Symphoniker ihre Soli - wie etwa der für gewöhnlich selten in Orchestern solierende Kontrabaß - tatsächlich über längere Zeit "alleine" spielen. Die dramatischen und lyrischen Arien drücken dagegen die einzelnen, klar gezeichneten Charaktere in ihrem Agieren empfindsam und kammermusikalisch aus. Ja, viele Melodien sind regelrecht romantisch, sodass im Kontrast zu Atonalität und Kälte der Geschichte ein schmerzhaft doppelbödiges Flair aufkommt.
Diese Atmosphäre geht von der Figur der Blanche DuBois aus, die sich einerseits in der Handlung von einem mondänen Glamourvamp zu einer tugendhaften Dame bekehren will, indem sie den sensiblen Harold Mitchell aus einfachen Verhältnissen heiratet. Andererseits legt sie als "Frau" männlich-eigenständiges Gebaren an den Tag, sie trinkt Whiskey und flirtet mit jedem Mann, um bestätigt zu bekommen, dass sie noch "ankommt". Dass sie sogar nymphomanisch veranlagt ist, stellt sich im Zuge des Geschehens heraus: Nach einer Ehe mit einem Homosexuellen, den sie durch ihre aggressive Konfrontation diesbezüglich in den Selbstmord getrieben hatte, verführte sie in ihrem Beruf als Lehrerin einen minderjährigen Jungen. - Lauter Anspielungen also, auf die gängige sexuelle Lust schwuler Männer: die Lust auf Schönheit und Zartheit, ewige Jugend bis zur Pädophilie sowie wechselnde Partner.
Aus Blanches Hochzeit wird allerdings nichts. Schuld daran ist der Ehemann ihrer Schwester Stella, Stanley Kowalski, ein Prolo-Macho sondergleichen, der seine schwangere, ihm völlig verfallene Frau schlägt. Tennessee Williams dachte sich selbst auf eine Bemerkung Thornton Wilders hin, der es in dem Werk als unglückliches Mißverständnis ansah, dass eine Dame wie "Stella" niemals so einen Proleten wie Stanley heiraten könne: "Dieser Typ (damit meinte er Wilder) ist nie zu einem guten Fick gekommen." Tatsächlich geht es aber um die Beziehung von Stanley und Blanche, zwischen denen die größte Erotik herrscht, da ein Machtkampf ausgetragen wird. Stanley fühlt sich von der "Männlichkeit" Blanches so angezogen, dass er sie "entmannen" muss: Er vergewaltigt sie. - Dieser kalt-distanzierte Sex- und Machttrieb also auch ein typisches Homosexuellen-Klischee.
Jede Figur - blendend besetzt
All diese sexuellen Querverstrickungen hinter den offiziellen Paarkonstellationen, unterstreichen die blendend besetzten Darsteller durch ihre Körperpräsenz: Stanley ist der große Sixpack-Athlet Teddy Tahu Rhodes, der nicht nur im Spiel seinen festen nackten Oberkörper - und Hintern - gerne zu zeigen scheint. Blanche ist mit Janice Watson eine recht korpulente Frau und hat mit attraktiven langen Beinen die Größe eines stattlichen Mannes. Stella ist die zierlich-kleine Mary Mills (mit einer sehr schönen Stimme), und Mitch ist mit Simon O´Neill ein molliger Nicht-Sportler, dem man die sensible Konnotation abnimmt, die die männlich-schwule Blanche zur innerlichen Heilung sucht. Mitch sagt allerdings - wieder typisch für enge Mutter-Sohn-Bindungen von Homosexuellen: "Sie sind nicht rein genug, um mit meiner Mutter im selben Haus zu wohnen." - Sie alle, einschließlich der Nebenrollen-Interpreten, singen und spielen ausgesprochen gut. - Diese Klischee-Charakterzeichnungen sowie die pointiert erlebt gespielte Musik des Orchesters, dirigiert von Sian Edwards, sind die stärksten Eindrücke der musikalisch-erfrischenden und doch psychisch-dunklen modernen Oper. e.o./r.r.
DAS URTEIL ANDRÉ PREVIN MAG SICH ALS BISHER AUSSCHLIESSLICHER FILMMUSIK- UND MUSICAL-KOMPONIST DEN VORWURF VON "HOLLYWOODESKEN" IN SEINER ERSTEN OPER GEFALLEN LASSEN MÜSSEN - GERADE DIE ZEIGEN ABER - RHYTHMISCH UNTERHALTEND - DIE ZERSTÖRTE ROMANTIK HINTER DER "GERADLINIGEN" HANDLUNGSFASSADE: VERSTECKTE HOMOSEXUELLEN-EROTIK EBEN.
OPER A Streetcar Named Desire / Endstation Sehnsucht * Von: André Previn nach Tennessee Williams * Regie: Stein Winge * Dirigat: Sian Edwards * Mit: Janice Watson, Teddy Tahu Rhodes, Mary Mills, Simon O´Neill, u.a. * Mit: Wiener Symphoniker * Ort: Theater an der Wien * Zeit: 3.,6.,9.3.2007: 19h30
OPER A Streetcar Named Desire / Endstation Sehnsucht * Von: André Previn nach Tennessee Williams * Regie: Stein Winge * Dirigat: Sian Edwards * Mit: Janice Watson, Teddy Tahu Rhodes, Mary Mills, Simon O´Neill, u.a. * Mit: Wiener Symphoniker * Ort: Theater an der Wien * Zeit: 3.,6.,9.3.2007: 19h30
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