Myrtil (Erik Leidal) hat seine Geliebte Zélide (Diana Higbee) - trotz Treueschwur mittels geflochtener Blumenkette - betrogen. - Sie merkt es, tut aber so, als hätte sie "ihn" betrogen, worauf er ihr sofort verzeiht, und sich beide wieder lieben können ...
In Zéphyre gewinnt der Tanz an Eigenständigkeit und Dominanz: da springt die attraktive Katja Juliana Geiger vor der distanzierteren Adriana Mortelliti im Nymphen-Haremkostüm ...
... da zeigen Corneliu Ganea und Martin Zanotti ihre besten hinteren Stücke in perfekter Männerhaltung, sodass es sexy und zum Lachen ist.
Denn hier liebt und begehrt Zéphyre (süß und sexy als Mann: Marelize Gerber) leidenschaftlich Cloris (Liudmila Shilova), was sie im finalen Duett atemberaubend verinnerlicht besingen.
(Fotos © Christian Husar)
KAMMEROPER WIEN GIORGIO MADIA BALANCIERT WIEDER EINMAL GEKONNT SCHWACHSTELLEN ZWEIER ORIGINALWERKE AUS: LA GUIRLANDE UND ZÉPHYRE DES BAROCKEN JEAN-PHILIPPE RAMEAU
Geht es im einen Stück um einen Seitenspringer im Hirtenmilieu und im anderen um einen Voyeur unter Göttern als Sieger über das Keuschheitsgelübde, dann ist davon auszugehen, dass es an diesem Doppel-"ballet en un acte"-Abend in der Wiener Kammeroper ziemlich heiß hergehen wird. Möglicherweise auch unangenehm schmuddelig, setzte man voraus, dass hier ein obligatorischer "Operetten-Regisseur" am Ruder wäre. - Aber nein, choreographiert und Regie-geführt von Giorgio Madia, ist so etwas unmöglich!
Wie gewohnt, schafft es der sinnliche Italiener, eine so kurzweilige, wie geschmackvolle Umsetzung zu entwickeln. - Entwickeln, tatsächlich ja, da hier alles aus einem Guß, zwischen Vorher und Nachher, detailbewußt aufgebaut wird, ohne jemals das Gesamtstück als Kunstwerk außer Acht zu lassen. Kurz gesagt: keine Sekunde wird überreizt, alles ist kompakt, wie die reinste High-Tech-CD. Dieser moderne Vergleich ist treffend, da Madia die Barock-Ballett-Opern-Einakter trotz ihres Alters absolut heutig verpackt hat, ohne aber - und da ist er die Ausnahme unter den Barockopernregisseuren - auf eine Stilisierung zu verzichten. Eine moderne, neuartige Stilisierung, die das Design eines architektonischen Nobelbaus hat und dennoch auf alten Gesetzen des Bauens beruht. - Dazu paßt wiederum ganz ausgezeichnet das futuristisch wellenartige, nach hinten gestülpte Bühnenbild im eleganten Weiß von seiner Berliner Dauer-Ausstatterin seit der Ballettproduktion Alice in der Volksoper, Cordelia Matthes, die aus der Mini-Guckkasten-Bühne der Wiener Kammeroper eine visuelle Riesenfläche gezaubert hat. Die optische Ansichtsvariation liefert im Laufe der Stücke dann hauptsächlich Lichtdesigner Norbert Chmel - bis auf den aufwändig und üppig gestalteten goldenen Eisernen Vorhang am Anfang jeden Stücks natürlich -, sodass es einen glatt wundern lässt, wieviele neue optische Eindrücke allein durch Licht entstehen können - und das ist in Sachen Bühnenbild in diesem Fall absolut ausreichend.
Gleichrangig ausbalanciert: Gesang und Tanz
Denn den zwölf Akteuren pro Stück, bestehend aus schön anzusehenden, akrobatisch exakten vier Modern-Tänzern und einzelnen geradezu brillanten Sängern, gebührt die volle Konzentration des Zuschauers. Schon weil beide Kunstgattungen gleichrangig bzw. je nach Anforderung im Stück dominanter oder reduzierter behandelt werden. Gerade die Betonung des Tanzes bei langen Lied-Strecken, die inhaltlich nichts Neues bringen, bzw. die völlige Konzentration auf Arien bei wunderschönen Musikpartien mit vordergründigem Cembalo oder Violoncello des Barockorchesters der Wiener Kammeroper auf durchwegs historischen Instrumenten unter Bernhard Klebels glückseliger Dirigentenhand - darin liegt die eigentliche - "stückästhetisch einfühlsame" - Leistung von Giorgio Madia, wobei er bei den Tanznummern meist inhaltlich unterstreichend bleibt, und für seine Verhältnisse anfangs selten Ironie durchblicken läßt. - Das ist das Einzige, was er besonders im ersten La Guirlande noch mehr ausbauen hätte können, aber wahrscheinlich war in diesem Fall einfach sein Respekt vor den Stücken zu groß, die musikalisch nicht - wie gewohnt bei Barockopern - aus endlosen (und damit bestens zur Ironie geeigneten) Wiederholungspassagen bestehen, sondern aufregend abwechselnd und linear erzählend, also im Gesamtrhythmus "fast zeitgenössisch" verlaufen.
Die Gesangsgötter
Heute komisch anzuhören sind an-sich nur die männlichen Hauptfiguren in überirdischen Tenor-Lagen, die in La Guirlande (UA 1751) witzig mit Amerikaner Erik Leidal in kurzer, weißer Tunika als Treueschwur-brechendem Myrtil mit schlechtem Gewissen, und mit der schon öfter in der Kammeroper positiv aufgefallenen Südafrikanerin (also eine Sopranistin!) Marelize Gerber als Zéphyre im gleichnamigen, zweiten Stück (UA ca. 1753) besetzt wurden. Gerber ist sowohl theatralisch als sexy liebeshungriger Windgott in goldener Miederrüstung, der heimlich nach der Waldnymphe Cloris giert, als auch singend die Sensation des Abends, neben der gesanglich fast noch bestechenderen französischen Wahlamerikanerin, Diana Higbee, von mitreißend klarer Stimme voll einnehmenden belebten Ausdrucks, als gewiefte Betrogene Zélide, die einfach so tut, als hätte sie ihrerseits den Geliebten betrogen, um sich seiner Gefühle wirklich sicher zu sein. - Doch bei ihr bräuchte man gar keine Geschichte, ihr Gesang steht für sich selbst.
Gesteigerte Erotik
Das soll jedoch nicht Giorgio Madias Arbeit schmälern, der in La Guirlande die Liebe über die zunehmenden Tanzpassagen - seien es nackt-durchschimmernde Körper in sportlich-reduzierten Gesten unter weißen Tüchern; schöne, synchron-innige Duette von Mann und Frau oder Quartette im Dominoeffekt - in 45 Minuten immer mehr zur Erotik steigert. Das zieht er nach der Pause noch verstärkt im ähnlich kurzweiligen Zéphyre durch, abermals betont durch goldene Glitter-Kostüme. Denn was hier erzählt wird, ist der Sieg der gelebten Lust über das Keuschheitsgelübde, das die Göttin Diana in Abwesenheit über die tanzenden Nymphen verhängt hat. Mithilfe Amors bekommt Zéphyre jedoch seine Cloris (= Flore = Göttin des Frühlings = gesungen von Liudmila Shilova) - da gibt es auch allerhand Lacher im Publikum, als symbolisch plötzlich Plastikblumen aus der Bühne schießen, und wenn Männer mit nackten Hintern auf Bändern wiegend "Tango tanzen" - Martin Zanotti ist ein wahrer, springperfekter Blickfang. Das Zieren und Drängen wechselt sich in gesteigerter Brisanz ab, sei es zwischen den tanzenden Sängern oder den erotisch-elegant in subtilen Formen bewegenden Tänzern, die "die Frau" auf Händen tragen, und als mehrfach verdoppelte Paare das eigentliche Paar in seinen magischen Gefühlen unterstreichen. In all dem energetischen Gebrodel - vor allem mit der körperlich sehr attraktiv anzusehenden Katja Juliana Geiger - erscheint dann Diana (Diana Higbee), doch sie ist nicht etwa erzürnt, denn sie hat selbst einen Mann an der Leine - und zwar tatsächlich wie einen Hund im Aussehen von Jesus. "Sich der Liebe hinzugeben, verschönt die Tage", heißt es im atemberaubenden, zweistimmigen Frauengesang von Zéphyre und Cloris, dem musikalischen Höhepunkt des Stückes. Darauf fällt mit den Worten "Amor sei unser Gott" ein transparenter Vorhang herab, und damit ist der Liebesreigen im Verborgenen (!) eröffnet ... (e.o.)
Geht es im einen Stück um einen Seitenspringer im Hirtenmilieu und im anderen um einen Voyeur unter Göttern als Sieger über das Keuschheitsgelübde, dann ist davon auszugehen, dass es an diesem Doppel-"ballet en un acte"-Abend in der Wiener Kammeroper ziemlich heiß hergehen wird. Möglicherweise auch unangenehm schmuddelig, setzte man voraus, dass hier ein obligatorischer "Operetten-Regisseur" am Ruder wäre. - Aber nein, choreographiert und Regie-geführt von Giorgio Madia, ist so etwas unmöglich!
Wie gewohnt, schafft es der sinnliche Italiener, eine so kurzweilige, wie geschmackvolle Umsetzung zu entwickeln. - Entwickeln, tatsächlich ja, da hier alles aus einem Guß, zwischen Vorher und Nachher, detailbewußt aufgebaut wird, ohne jemals das Gesamtstück als Kunstwerk außer Acht zu lassen. Kurz gesagt: keine Sekunde wird überreizt, alles ist kompakt, wie die reinste High-Tech-CD. Dieser moderne Vergleich ist treffend, da Madia die Barock-Ballett-Opern-Einakter trotz ihres Alters absolut heutig verpackt hat, ohne aber - und da ist er die Ausnahme unter den Barockopernregisseuren - auf eine Stilisierung zu verzichten. Eine moderne, neuartige Stilisierung, die das Design eines architektonischen Nobelbaus hat und dennoch auf alten Gesetzen des Bauens beruht. - Dazu paßt wiederum ganz ausgezeichnet das futuristisch wellenartige, nach hinten gestülpte Bühnenbild im eleganten Weiß von seiner Berliner Dauer-Ausstatterin seit der Ballettproduktion Alice in der Volksoper, Cordelia Matthes, die aus der Mini-Guckkasten-Bühne der Wiener Kammeroper eine visuelle Riesenfläche gezaubert hat. Die optische Ansichtsvariation liefert im Laufe der Stücke dann hauptsächlich Lichtdesigner Norbert Chmel - bis auf den aufwändig und üppig gestalteten goldenen Eisernen Vorhang am Anfang jeden Stücks natürlich -, sodass es einen glatt wundern lässt, wieviele neue optische Eindrücke allein durch Licht entstehen können - und das ist in Sachen Bühnenbild in diesem Fall absolut ausreichend.
Gleichrangig ausbalanciert: Gesang und Tanz
Denn den zwölf Akteuren pro Stück, bestehend aus schön anzusehenden, akrobatisch exakten vier Modern-Tänzern und einzelnen geradezu brillanten Sängern, gebührt die volle Konzentration des Zuschauers. Schon weil beide Kunstgattungen gleichrangig bzw. je nach Anforderung im Stück dominanter oder reduzierter behandelt werden. Gerade die Betonung des Tanzes bei langen Lied-Strecken, die inhaltlich nichts Neues bringen, bzw. die völlige Konzentration auf Arien bei wunderschönen Musikpartien mit vordergründigem Cembalo oder Violoncello des Barockorchesters der Wiener Kammeroper auf durchwegs historischen Instrumenten unter Bernhard Klebels glückseliger Dirigentenhand - darin liegt die eigentliche - "stückästhetisch einfühlsame" - Leistung von Giorgio Madia, wobei er bei den Tanznummern meist inhaltlich unterstreichend bleibt, und für seine Verhältnisse anfangs selten Ironie durchblicken läßt. - Das ist das Einzige, was er besonders im ersten La Guirlande noch mehr ausbauen hätte können, aber wahrscheinlich war in diesem Fall einfach sein Respekt vor den Stücken zu groß, die musikalisch nicht - wie gewohnt bei Barockopern - aus endlosen (und damit bestens zur Ironie geeigneten) Wiederholungspassagen bestehen, sondern aufregend abwechselnd und linear erzählend, also im Gesamtrhythmus "fast zeitgenössisch" verlaufen.
Die Gesangsgötter
Heute komisch anzuhören sind an-sich nur die männlichen Hauptfiguren in überirdischen Tenor-Lagen, die in La Guirlande (UA 1751) witzig mit Amerikaner Erik Leidal in kurzer, weißer Tunika als Treueschwur-brechendem Myrtil mit schlechtem Gewissen, und mit der schon öfter in der Kammeroper positiv aufgefallenen Südafrikanerin (also eine Sopranistin!) Marelize Gerber als Zéphyre im gleichnamigen, zweiten Stück (UA ca. 1753) besetzt wurden. Gerber ist sowohl theatralisch als sexy liebeshungriger Windgott in goldener Miederrüstung, der heimlich nach der Waldnymphe Cloris giert, als auch singend die Sensation des Abends, neben der gesanglich fast noch bestechenderen französischen Wahlamerikanerin, Diana Higbee, von mitreißend klarer Stimme voll einnehmenden belebten Ausdrucks, als gewiefte Betrogene Zélide, die einfach so tut, als hätte sie ihrerseits den Geliebten betrogen, um sich seiner Gefühle wirklich sicher zu sein. - Doch bei ihr bräuchte man gar keine Geschichte, ihr Gesang steht für sich selbst.
Gesteigerte Erotik
Das soll jedoch nicht Giorgio Madias Arbeit schmälern, der in La Guirlande die Liebe über die zunehmenden Tanzpassagen - seien es nackt-durchschimmernde Körper in sportlich-reduzierten Gesten unter weißen Tüchern; schöne, synchron-innige Duette von Mann und Frau oder Quartette im Dominoeffekt - in 45 Minuten immer mehr zur Erotik steigert. Das zieht er nach der Pause noch verstärkt im ähnlich kurzweiligen Zéphyre durch, abermals betont durch goldene Glitter-Kostüme. Denn was hier erzählt wird, ist der Sieg der gelebten Lust über das Keuschheitsgelübde, das die Göttin Diana in Abwesenheit über die tanzenden Nymphen verhängt hat. Mithilfe Amors bekommt Zéphyre jedoch seine Cloris (= Flore = Göttin des Frühlings = gesungen von Liudmila Shilova) - da gibt es auch allerhand Lacher im Publikum, als symbolisch plötzlich Plastikblumen aus der Bühne schießen, und wenn Männer mit nackten Hintern auf Bändern wiegend "Tango tanzen" - Martin Zanotti ist ein wahrer, springperfekter Blickfang. Das Zieren und Drängen wechselt sich in gesteigerter Brisanz ab, sei es zwischen den tanzenden Sängern oder den erotisch-elegant in subtilen Formen bewegenden Tänzern, die "die Frau" auf Händen tragen, und als mehrfach verdoppelte Paare das eigentliche Paar in seinen magischen Gefühlen unterstreichen. In all dem energetischen Gebrodel - vor allem mit der körperlich sehr attraktiv anzusehenden Katja Juliana Geiger - erscheint dann Diana (Diana Higbee), doch sie ist nicht etwa erzürnt, denn sie hat selbst einen Mann an der Leine - und zwar tatsächlich wie einen Hund im Aussehen von Jesus. "Sich der Liebe hinzugeben, verschönt die Tage", heißt es im atemberaubenden, zweistimmigen Frauengesang von Zéphyre und Cloris, dem musikalischen Höhepunkt des Stückes. Darauf fällt mit den Worten "Amor sei unser Gott" ein transparenter Vorhang herab, und damit ist der Liebesreigen im Verborgenen (!) eröffnet ... (e.o.)
DAS URTEIL EINE ATEMBERAUBENDE STEIGERUNG VON DER LIEBE IN DIE EROTIK - GANZ SO, WIE MAN ES SICH VON GIORGIO MADIA ERWARTET: EINE ODE AN DEN URAUFGEFÜHRTEN TANZ IN ÖSTERREICH!
BALLETT-OPERNEINAKTER La Guirlande (Österreichische Erstaufführung) & Zéphyre (Szenische Uraufführung) * 2x „Ballet en un acte“ von: Jean-Philippe Rameau * Regie und Choreographie: Giorgio Madia * Musikalische Leitung: Bernhard Klebel * Ausstattung: Cordelia Matthes * Gesang-Solisten: Diana Higbee, Erik Leidal, Michael Havlicek, Marelize Gerber, Liudmila Shilova, u.a. * Tanz-Solisten: Katja Juliana Geiger, Adriana Mortelliti, Corneliu Ganea, Martin Zanotti * Mit: Barockorchester der Wiener Kammeroper auf historischen Instrumenten * Ort: Kammeroper Wien * Zeit: 18., 21., 23., 25.10.2008: 19h30
BALLETT-OPERNEINAKTER La Guirlande (Österreichische Erstaufführung) & Zéphyre (Szenische Uraufführung) * 2x „Ballet en un acte“ von: Jean-Philippe Rameau * Regie und Choreographie: Giorgio Madia * Musikalische Leitung: Bernhard Klebel * Ausstattung: Cordelia Matthes * Gesang-Solisten: Diana Higbee, Erik Leidal, Michael Havlicek, Marelize Gerber, Liudmila Shilova, u.a. * Tanz-Solisten: Katja Juliana Geiger, Adriana Mortelliti, Corneliu Ganea, Martin Zanotti * Mit: Barockorchester der Wiener Kammeroper auf historischen Instrumenten * Ort: Kammeroper Wien * Zeit: 18., 21., 23., 25.10.2008: 19h30
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