Sunday, November 25, 2007

MUSIK: JULIA KENT UND BEN WEAVER WECKEN VERLORENE GEFÜHLE

Julia Kent, die auch bei Jon Regen spielt, wurde als Solistin mit eigenem Klang im WUK praktisch überquatscht ...

Ben Weaver hatte mit seiner typischen Trendmusik die völlige Aufmerksamkeit des jungen Publikums. - Das wegen der geschäftigen Bewerbungspraxis leider fehlgesteuert wird!


WUK US-CELLISTIN JULIA KENT WURDE EIN OPFER DER BEWORBENEN MASSENBEWEGUNG DER JUGENDKULTUR: WEIL ALLE AUF DEN KANADISCHEN SINGERSONGWRITER BEN WEAVER WARTETEN, ÜBERSAHEN SIE IHRE QUALITÄT

Es ist immer wieder erstaunlich zu entdecken: Je mehr Kunst, Kultur, Theater, Tanz, Musik, ... man besucht und miteinander vergleicht, desto mehr wird man sich bewußt, dass den individuellen Betrachter nicht unbedingt das Kunstfertigste oder in sich geschlossenste Werk am meisten berührt, so dass es danach noch in ihm arbeitet, sondern das, was ihn selbst, einschließlich seiner Schwächen und Erinnerungen des Scheiterns, am meisten entspricht. Ein Kritiker sollte sich deshalb von sich selbst distanzieren und auf Fakten besinnen, weil ihm sonst nur fünf Prozent allen Vorgeführten tatsächlich gefiele: andererseits liest man genau deshalb so viel Abgeschriebenes, rein Beschreibendes oder Gebrauch-Geschriebenes, das im Groben schon mehrmals woanders zu lesen gewesen schien. - Wenn man für´s Kritiken schreiben bezahlt wird, passiert es also aus dem dienenden Rollenverständnis heraus, und so dirigiert letztendlich die "Worthülse" das Geschehen. Weil´s eben auch ein Geschäft ist. Bestes Beispiel dafür zeigen die Ergebnisse bei der Suche nach speziellen Kritiken über Google. Bis man hier eine ehrliche Meinung findet, wird man wahrscheinlich bis Seite 20 gelangen... Gleichzeitig zeigt es, dass zu viele - Slogans von einander kopierende - Kultur-Werbetreibende (ohne echtem Interesse für die von ihnen beschriebene Kunst) tätig sind, die jene, die sich die Mühe machen, sich mit einem Künstler oder Werk tatsächlich auseinander zu setzen, verdecken. Mit einem Wort, im Internet entwickelt sich dasselbe Phänomen wie zuvor in der massenmedialen Print- und Fernsehlandschaft: indem das mengenmächtige Oberflächliche, der Ankündigungsjournalismus, das rare Originäre aussticht.

Wie Werbung edle Einzelgänger aussticht

Beim Ben-Weaver-Konzert im Wiener WUK nun, das von der Solo-Cellistin Julia Kent eingeleitet wurde, erlebt man denselben Effekt auch live. Abgesehen davon, dass hier der Sog der Jugendkultur mitschwingt, wo die oberflächliche Massenbegeisterung gegenüber einer Sache so schnell entsteht wie sie vergeht. Obendrein fällt einem die damit einhergehende Verlogen- und Verlorenheitsatmosphäre der eigenen Jugendzeit wieder ein, die man als Erwachsener längst hinter sich glaubte.

Voraus geschickt sei an dieser Stelle, dass die Kritikerin dieses Konzert primär besuchte, weil sie vom New Yorker Blues-Jazz-Singersongwriter Jon Regen restlos begeistert ist - von der Atmosphäre seiner Persönlichkeit bis zu Musik und Texten - weil er eben - rein gefühlsmäßig - sehr viel mit ihrer Befindlichkeit und Erfahrung gemein zu haben scheint. Weil also in seiner CD Julia Kent die Cello-Begleitung verantwortete, und ihr elektronisches Solo-Spiel nach einem ersten Check auf My Space noch einmal anders und interessant klingt, ging sie auf dieses Konzert (mit der Hoffnung, dass dieser Ben Weaver vielleicht auch etwas vom sehr eigenständigen Jon Regen haben möge).

Die Mode der Jugend-Verlorenheit

Da steht man also, in einem dunklen Raum, während die einsame Julia Kent spielt, erahnt die vielleicht acht Zuhörer, die aufmerksam zuhören und die zwanzig Schatten im Hintergrund, die laut schwatzend stören. Dieser Frau, die hier als Häuflein Elend ihre Nummern herunter spult, weil sie die Ignoranz gegenüber ihres Stils in dieser Stätte total mitkriegt, entzieht das Publikum die Anerkennung, die ihr aufgrund ihres Könnens gebührte. Ein Stil, der nicht nur fachlich anspruchsvoll ist, sondern auch emotional berührend wäre, würde die Haltung der Musikerin mit 0-Show-Effekt nicht mit jedem doch so schön gespielten Ton sagen: "Eigentlich würde ich am liebsten im Erdboden versinken." - Julia Kent ist ein Opfer der massenmedialen Bewerbung dieses Konzerts, die allein Ben Weaver diente, der eine gänzlich andere - jugend-mainstream-akurate - Musik macht. Dabei würde ihre, in der technischen Handhabe aufregend zu beobachtende Musik mit dem klassischen Cello, das mit Elektronik, Loop, Verstärkung und Verzerrung, modern verfremdet ist, in minimalistischen Wiederholungsmotiven und Klang bestens zur Jugend passen. Leider ist die Jugend "als Menge" aber nicht in der Lage, das zu registrieren, weil sie schlichtweg mainstreamorientiert gesteuert ist, was auf nichts anderem fußt, als auf dem emotionalen Drang nach Zusammengehörigkeit.

Alleweltsdarlinge für Alleweltsmenschheit

Nein, die Jugend akzeptiert den Trauerflor des Verlorenseins erst bei Weaver, der mit seiner Band aus Schlagzeug, zwei Streichern (eine davon Kent) und sich selbst an Syntheziser oder Gitarre, etwas Bekanntes zwischen Tom Waits und Leonard Cohen repäsentiert. Zugegeben, seine Show und Freude beim Spielen, nimmt das Publikum gleich gefangen, sodass nun niemand mehr von den jetzt fünfzig Zuhörern quatscht. Und doch spielt sich in der Kritikerin genau das ab, was sie schon als Jugendliche, als sie mit Freunden zu Konzerten ging, erlebte: eine insgeheime Aversion gegen diesen durchgehenden Druck, etwas gut finden zu müssen, weil es scheinbar alle mögen. Selbst wenn es als Musik mit Variationsweisen wie durch ein neuartigstes elektronisches Luftstreichinstrument in sich Qualitäten hat - Weavers Klangfarbe ist so eindeutig einzuordnen, dass es reiner Massenware entspricht. So viel Persönlichkeit und sprachfertig tiefgründige Worte er zu liefern scheint, so reicht es dennoch nicht, sich nach dem Konzert damit näher auseinander setzen zu wollen. Es geht um Liebe, um Orientierungslosigkeit, um Kälte, um Angst. - Jugendgefühle eben. - Das Problem dabei aber ist, dass es ein pauschales Lebensgefühl aus Prinzip zu beschreiben scheint, weil dieser Mensch, Ben Weaver, letztlich als Typ ebenfalls etwas repräsentiert, das man in seiner Jugend als "zu pauschal" kennen gelernt und bereits abgelegt hat.

Es könnte auch sein, dass er als Mann, zusätzlich und ehrlicherweise - obwohl an-sich sympathisch -, unattraktiv auf die Kritikerin wirkt. Das sei vollständigkeitshalber angefügt. Bei diesem Detail merkt man jedoch wieder, was nicht alles bei der U-Musik vom Sänger bis zum Klang mitspielen muss, damit eine Darbietung tatsächlich bewegt ... wobei aber auch dann prinzipiell gilt: einen typischen Alleweltsdarling wird nur der attraktiv finden, wer sich selbst zur Alleweltsmenschheit zählen kann - und als solcher hätte man es wahrscheinlich leichter im Leben... echt mißmutig gesagt (weil es der Vielfalt der Kultur und der Menschheit entgegen läuft)! e.o.


DAS URTEIL INDIVIDUALISTEN BEVORZUGEN JULIA KENT VOR BEN WEAVER - SELBST WENN ER DER SYMPATHISCHERE SHOWMAN IST ALS SIE.

Link zu Julia-Kent-Musik
Link zu Ben-Weaver-Musik

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