Wednesday, March 05, 2008

MUSIK: MICHELLE SHOCKED, DIE URMUTTER ALLER SINGER SONGWRITER WAR DA





















Weniger Schockerin, als echt eindrucksvolle, klar US-verwurzelte Frau mit großer Stimme, großem Ausdruck und starkem Gitarrenspiel ...


Sie läßt sich nicht fremd-bestimmen und bringt ihre CD deshalb unter eigenem Label heraus. - Wenn Österreich dazu ein Pendant schaffen könnte, wären wir vor dem US-Markt gerettet. - Aber deswegen bitte nicht einfach US-amerikanisch kopieren!!!


WUK DIE AMERIKANISCHE "SCHOCKFRAU" MICHELLE SHOCKED GASTIERTE IN WIEN UND IST DOCH MEHR PREDIGENDE URMUTTER ALLER GROSSEN SÄNGERINNEN ALS FEMINISTISCHE SCHOCKERIN

Gospel-LeadsängerIN, Anti-FolkerIN, Blues-&-SoulerIN, PunkerIN, ausgewachsene RockGÖRE - diese Mischung knallt einem bei Michelle Shocked und ihrer E-Gitarre-spielenden Supporterin mit volltätowierten Armen im WUK entgegen. Bei der amerikanischen Singer SongwriterIN darf das geschlechtsspezifische Anhängsel "-in" nicht fehlen, denn sie gehört mit Geburtsdatum 24.2.1962 zu jenen Frauen, die sich nur mit aggressivem Feminismus Aufmerksamkeit erringen konnten. Tritt eine heute bis Vierzigjährige so auf, wird sie damit kaum punkten, es sei denn, in den Jahrgängen darüber. - So viel, nebenbei bemerkt, zum Sympathiewert von und unter Frauen, der sich daraus speist, ob er sich von einer identitätskonformen Authentizität oder einem "So-tun-als-ob" ableiten läßt. Bei dieser Frau, Michelle Shocked, ist das -IN echt und damit durch und durch sympathisch. Ihr militantes Credo hat sie zum "Womanifesto" verfaßt, womit sie definitiv auch etwas von jenen musikalischen Emanzen hat, die, wenn sie schon nicht zum Lesbentum neigen, dann zumindest den Frauenklüngel verfechten. Das zieht bestenfalls eine ganz spezifische musikalische Qualität nach sich: sie zeigt sich bei der gebürtigen Texanerin in der vollen Stimm- und Intonationsparallele zu Melissa Etheridge, in der machmal kopfstimmlich leisen und spitzensetzend jodel-schreihohen Ausdruckstärke ähnlich jener von Ani DiFranco und in der momentweisen Sensibilität einer Tracy Chapman. Sie alle mögen ihre Urahnin in Janis Joplin haben, der weißen Königin des Bluesrock, der Königin der afro-schwarz - us-weißen, männlich-weiblichen Energie. Die Männlichkeit liegt in der Bestimmtheit, im selbstbewußten Auftreten, die Weiblichkeit in der generellen Anteilnahme am Unrecht dieser Welt.

Viel-redende Menschen denken manchmal auch

Die explosive Mischung wird manchem Durchschnittsmenschen Angst einjagen, weil so eine Frau etwas Kompromißloses an den Tag legt, das "immer Recht zu haben hat". Michelle Shocked dämpft dieses unterschwellige Dogma mit dem Ge-Recht-igkeitsanliegen einer "Vorbeterin". Sie singt - die meiste Zeit - vor und läßt das Publikum antworten (nachsingen). Diese mitreißende Sommerurlaubs-Agitationspraxis - die man zuweilen auch auf Wahlreden wiederfindet - hat ihre Wurzeln im religiösen Gospel, dem Michelle Shocked die letzten Jahre huldigt. Er hat sie zu einem durch und durch positiven Menschen gemacht, der tatsächlich "immer Recht hat". Und das macht sie einmal mehr: sympathisch. Auch weil sie das Recht-haben mit einer gehörigen Portion Selbstironie, sprich mit Selbstanklage und -verteidigung garniert. Das ergibt den Charme der sicheren Unsicherheit, das tatsächliche Selbstbewußtsein dieser permanent redenden Frau: "Bla, bla, bla, bla", unterbricht sie ihren Redefluß und rät dem Publikum: "Wenn Sie jemand fragt, wie Michelle Shocked so sei, können Sie sagen, "she talks a lot"", aber eines sei nun mal klar: "Jemand, der seine Songs selber schreibt, muß automatisch viel reden. Andernfalls wäre er ja Britney Spears." Insofern definiert sich die studierte Literaturwissenschaftlerin als denkende Singer-Songwriterin, die der Welt etwas mitzuteilen hat - und dadurch wird es ihr mental wahrscheinlich auch besser gehen als einer Spears... Diese Frau ist nicht fremdbestimmt. Sie hält es daher für bemerkenswert, das Publikum darüber aufzuklären, dass sie sich ihrer Plattenfirma entledigte, sobald jene ihr verbieten wollte, in Richtung Gospel zu gehen. Ihre CDs, wie zuletzt ToHeavenURide, erscheinen mittlerweile unter ihrem eigenen Plattenlabel Mighty Sound, distribuiert über RED, nachdem sie sie eine zeitlang nur nach ihren Konzerten und übers Internet vertrieben hatte.

Heimatliebe voller Kritik

"Haben Sie hier noch die Todesstrafe?", gibt sie sich im Spiritual-Rock The Quality Of Mercy als Messias der Menschenrechte (auf www.michelleshocked.com als Hintergrundmusik zu hören). Und Little Billie handelt von einer Frau, die Billie Holiday liebte - über die Shocked meint: "Sie hat mehr Schreiber als Leser inspiriert."... -; jene Frau tanzt am Begräbnis ihres Sohnes zum Blues-Jazz der Freunde, nachdem er aufgrund politischer Bedingungen erschossen wurde. "Ein Politiker sagte zu mir nach dem Song: Ich hoffe, dass ich einmal so beerdigt werde." Darauf Shocked sarkastisch: "Ja, da haben Sie recht." Ähnlich polemisch ist die Tendenz des interpretierten Welthits über Vietnam, worin eine Mutter nach Kriegsschluß für ihren gefallenen Sohn Entschädigungsgeld bekommt, was im - als von der politischen Macht intendiert aufdeckenden - allseitsgültigen Omen endet: "Der Krieg ist nicht zuende, er hat gerade erst begonnen." Diese ewigen Bilder über die egoistische, amerikanische Weltmacht, die beinahe schon Nostalgiewert haben, lassen sich gerade wegen ihres emotionalen Effekts mit der zweiten großen Seite der Shocked verbinden: ihrer großen Heimatverbundenheit ausgehend vom Geburtsland Texas, was sie ebenfalls indirekt, schlagend und haltend, beschreibt. Come A Long Way ist ein Lied über das ewige Gefühl für Heimat in der Seele, egal, ob man den Schlüssel seines Hauses abgegeben hat - "nur die Liebe zu einem Menschen kann das entscheidend ändern" - unterbricht sich die improvisierende Sängerin im Live-Konzert selbst. Die generelle Liebe schildert sie anhand von Lebensräumen wie L.A. oder jenem ihrer Kindheit in Memories Of East-Texas mit den prägnanten Worten: "... das Leben der Texaner läuft in so engen Straßenkreisen; Sie konnten einem Mädchen keinen Platz schaffen, das den Ozean gesehen hat ... aber jenes Mädchen wäre ohne diese Straßen nie so weit gekommen ...". Auf ihre Beziehung, die nach 13 Jahren geschieden wurde, antwortet sie indessen makaber frohlockend mit Joy: "Eifersucht und Ärger, Gier und Heuchelei; die Jahreszeiten der menschlichen Natur können mir die Freude nicht nehmen!" - Dazu der trockene Nachsatz ins Publikum: "I wish you all love, I hope it kills you!"

Warum diese US-Sängerin Österreichern näher ist als Wiener Sänger

Was einen - die vielen Wiener und Österreicher, die sämtliche Songs der Shocked auswendig mitzusingen in der Lage sind - am meisten nachdenken läßt, ist allerdings die Frage: warum diese doch-so-amerikanische Frau, als Persönlichkeit einem Österreicher viel näher kommen kann, als jeder andere derzeitig gehypte Sänger im Wiener Dialekt? Ist es die energetische, archetypische Größe einer Ur-Mutter, ein Idol jenseits von einem selbst, das erst zu überzeugen vermag? - Wie auch immer, eines ist sicher: Jede österreichische Sängerin, die versucht, das - die afroamerikanische Urmutter - nachzumachen, wird scheitern, genauso, wie junge, österreichische Castingshow-MTV-Fakes immer nur ein billiger Abklatsch sein werden. So jemand wird allenfalls zur kopierten Marktmarke. Das Ziel muss die österreichische Machtmarke sein. Und die muss man sich erfinden: So, wie es etwa ein Falco als Mischung aus Oskar Werner und David Bowie schaffte. Und vielleicht gewinnt diese dann auch den Weltmarkt - so wie es die heimatverbundene Michelle Shocked geschafft hat. e.o./r.r.


DAS URTEIL WENN EINE FRAU ALS SÄNGERIN UND PERSÖNLICHKEIT ÜBERZEUGEN KANN, DANN IST ES MICHELLE SHOCKED - WANN UND WIE GIBT ES DAZU EIN ÖSTERREICH-PENDANT?

CD ToHeavenURide * Von: Michelle Shocked - Live-Aufnahme * Label: Mighty Sound über RED-Distribution * Link: www.michelleshocked.com

KONZERTE regelmäßige Singer Songwriter-Konzerte über die Vienna Songwriting Association * link: www.songwriting.at

Unser Demnächst-Special-Tipp für Singer Songwriter mit eigenem Klang:

Mundy (IRL) * Ort: Haus der Musik, Seilerstätte 30, 1010 Wien * Zeit: 13.3.08: 20h
Marissa Nadler (US) * Ort: Gasthaus Vorstadt, 1160 Wien, Herbststraße 37 * Zeit: 03.4.08: 20h
OLLI SCHULZ (Hamburg/BRD) * Ort: WUK * Zeit: 12.03.2008: 20h
Supertipp!!: MARIA MENA (Oslo/Norwegen) *
Ort: WUK * Zeit: 13.04.2008: 20h
Supertipp!!: ADAM GREEN + Band (New York/USA / Singer Songwriter-Antifolk!!) *
Ort: WUK * Zeit: 26.04.2008: 20h
THE HORROR THE HORROR (Schweden / Singer Songwriter-Rock)
* Ort: WUK * Zeit: 18.04.2008: 20h
Supertipp!!: JON REGEN (New York/USA / Singer Songwriter - Piano-Jazz) * Ort: Birdland Wien * Zeit: 15.05.2008: 20h
Supertipp!!: JASON WEBLEY (USA / Singer Songwriter - Rock-Folk-Akkordeon und Geige mit super Stimme) * Ort: Vorstadt Wien, Herbststr. 37 * Zeit: 05.06.2008: 20h


Filmtipp zum Singer Songwriter-Hype:
FILM ONCE * Komödie von John Carney * Mit Glen Hansard, Markéta Irglóva * Irland 2006 * Inhalt: Straßenmusiker in Dublin träumt von der Karriere als Singer Songwriter, wobei ihm die tschechische Gastarbeiterin und Pianistin hilft - mit einer realistischen Existenzweise eines Musikers sowie einer subtilen Liebesebene, wie sie wohl jedem Menschenleben "nebenbei" und doch in ewiger Erinnerung passiert * Länge: 85 Minuten * ab 25. April 08 in den österreichischen Kinos * Vertrieb: www.filmladen.at, link: www.once.kinowelt.de

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