Tuesday, November 27, 2007

MUSIK: DER FÜR JÄRVI EINGESPRUNGENE ROSSEN GERGOV BEI "ALL THAT TANGO"

Sprang weniger theatral und kontrastrhythmisch als emotional auswägend für Järvi ein: der junge bulgarische Dirigent Rossen Gergov (Foto © Daniele Panato)










Mit dem niederländischen Bandoneon-Spieler und -Komponist Carel Kraayenhof fand er daher zu einer sehr romantikgeladenen Gefühlswelt um Piazzolla (Foto © Carel Kraayenhof)


WIENER MUSIKVEREIN ZUM AUFTAKT DER DREITEILIGEN PLUGGED-IN-SERIE ERSETZTE ROSSEN GERGOV KURZFRISTIG KRISTJAN JÄRVI ALS DIRIGENT DER TONKÜNSTLER NIEDERÖSTERREICH - MIT ZWIESPÄLTIGER QUALITÄT

Das Tonkünstler Orchester Niederösterreich hätte Mitte November eigentlich mit seinem Chefdirigenten Kristjan Järvi die vielversprechende, dreiteilige "Plugged-In"-Serie starten sollen, die Neues mit Tradtionellem verbindet, indem sie nicht nur aus fremden Kulturen schöpft, sondern sich auch musikalisch mit dem Jazz verbindet. Nun, Järvi selbst sagte ab (wieder einmal, da er offensichtlich vorab - auch für Außenstehende klar ersichtlich - zu häufig eingeplant ist!) und schickte dafür seinen Assistenz-Dirigenten, den blutjungen Bulgaren Rossen Gergov (26) unter dem Motto Nummer 1 All That Tango in den Wiener Musikverein. Mit dem Resultat: der Protegé des Musikdirektors der Wiener Staatsoper, Dirigent Seiji Ozawa, meisterte das vielfältige Programm mit vielfältiger Qualität: von erlebt bis verhalten-unpersönlich, somit von sehr gut bis fast schlecht.

Zartes Feingefühl statt Rhythmik im Blut

Abgesehen davon, dass der junge Mann - von noch zarterer und kleinerer Gestalt als Järvi - in Sachen Showleading (Entertaining) noch viel üben muss, damit er an Ausstrahlung gewinnt, geschweige denn, dass seine verbalen Ansagen zu verstehen wären, ist sein visuelles Erscheinungsbild auch beim Dirigieren kaum aufregend. Was an optischer Theatralität fehlt, ist denn auch im musikalischen Wiederhall zu beanstanden, und zwar bei ganz bestimmten Komponisten und Werken: Strawinskis Ragtime fehlte jeder Schalk, jede Erzählkraft, die in diesem genialen Stück so wichtig wäre, damit es auch wirklich stimmig ankommt. Gergov dirigiert es zaghaft und lyrisch, leise und ungebunden, zu sehr aus dem Kopf statt aus dem Körper. (Beispiel für eine gelungene Version wäre dagegen die CD von Kristjan Järvis Vater, Neeme Järvi, mit dem Royal Scottish National Orchestra, Chandos Records, 1994!) - Das war die schwächste Interpretation des Abends, und als sechstes Stück ließ es die Frage offen, ob dieser junge Mann überhaupt noch ins Schwitzen kommen würde, obwohl er Strawiniskis beabsichtigt "halbfalschen" Tango für Orchester mit raffinierter Einzelinstrumentation wie Oboen- oder fünf Klarinetten-Passagen interessant anmuten liess und Frank Zappas Be-Bop Tango mit Pauken-Schlagzeug und Harven-Sensation zivilisiert umgesetzt hatte, sodass immerhin die Musiker lautstark durcheinander lachten und die Trompete unterhaltsam hinein plärrte.

Dass das Konzert aber dann doch sehr schön wurde, lag nicht an Gergovs rhythmischem und theatralem Schweiß, sondern an seiner Fähigkeit zur gefühlsmäßig-erlebten Wiedergabe. Sie traf sich bestens mit dem Stargast des Abends, Bandoneon- und Piazzolla-Virtuose Carel Kraayenhof aus den Niederlanden. Die Sinnlichkeit von Astor Piazzollas weltberühmten Titeln führten beide - mit auffällig einfühlsamer Unterstützung des Pianisten Sebastian van Delft - in eine Dimension, die die Zuhörer ins (liebes)filmische Erleben bei tiefster Wehmut versetzte. Selbst wenn sich manch einer denken mochte: "Dass Frank Zappa sich zeitlebens ein Orchester für die Umsetzung seiner Rockmusik wünschte, mag stimmen, ob sich das aber auch ein Piazzolla gewünscht hat?" - Denn das Sperrige, Erdige, Rohe seiner widersprüchlichen und variationsreichen Musik ist hier der puren Romantik gewichen. Aber wie gesagt - immerhin sprang ein Gefühl rüber, das von etwas epochal Erzähltem, und das ist bei einem Konzert das Wichtigste! e.o./r.r.


DAS URTEIL AN CHARISMA UND THEATRALITÄT FEHLT´S DEM JUNGEN ROSSEN GERGOV NOCH. WAS ER DAFÜR HAT, IST EIN FEINES EMOTIONALES GESPÜR FÜR ROMANTIK.

Nächste "Plugged-In"-Konzerte:
A Night in Tunisia * Mit: Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, Dhafer Youssef (Gesang und Oud), Wolfgang Muthspiel (E-Gitarre) * Dirigent: Kristjan Järvi * Ort: Musikverein, Großer Saal * Zeit: 7. 2. 2008: 20h30
Jazzland * Mit: Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, James Morrison (Trompete) * Dirigent: Kristjan Järvi * Ort: Musikverein, Großer Saal * Zeit: 9. 4. 2008: 20h30 Uhr

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