Tuesday, February 05, 2008

KUNST ODER KOMMERZ I: "FUSSBALLETT" VON GIORGIO MADIA UND MORITZ EGGERT

Halbsolist András Lukács als Schiedsrichter beim Fußballett des Opernballs: Trotz der geistreichen Choreographie von Giorgio Madia weiß man nicht recht, ...

... ob es sich dabei tatsächlich um freie, zeitgenössische Tanzkunst handelt, da zu viele Interessen damit befriedigt zu werden scheinen. - Selbst wenn sich Ballerina Karina Sarkissova sehr witzig zum Ball eignet.

Anscheinend ist man seitens Staatsoper mit der Meinung aber nicht allein, dass sich die "Allgemeinheit" über den Fußball für den Tanz begeistern läßt: Absolventen des Konservatoriums Wien entwickelten mit 27 Jugendlichen die Choreografie Spielstand, und weitere Fußballtheaterprojekte folgen vom Dschungel Wien nach ganz Österreich und in die Schweiz


STAATSOPER IOAN HOLENDER IST STOLZ AUF SEIN ZEITGENÖSSISCHES AUFTRAGSWERK AN KOMPONIST MORITZ EGGERT, DAS CHOREOGRAF GIORGIO MADIA IN SZENE SETZTE: DAS THEMA FUSSBALL(ETT) MUTET ABER EHER WIE KOMMERZIELLE SPEKULATION AN ...

Nun hat Choreograf Giorgio Madia endlich in die Wiener Oper zurück gefunden, und doch ist der Dank, den man Noch-Staatsoperndirektor Ioan Holender dafür schuldig sein möchte, überschattet. Denn er hat zwar Moderne von Madia - wie man sie seit dessen Volksoper-Ballettproduktionen Alice und Nudo in Wien vermißt - zurück gebracht; das aber doch recht scheinheilig ...

Nachdem Holenders Ruf, während seiner Direktionszeit in Sachen künstlerischen Fortschritts in der Staatsoper nichts bewirkt zu haben, groß ist, wurde er vor und während der Fernsehübertragung des Opernballs nicht müde zu betonen, dass er ein Auftragswerk an den zeitgenössischen deutschen Komponisten Moritz Eggert vergeben hätte, wozu Madia eine schwierige und tolle choreographische Arbeit gemacht habe; und um diesen "Tanz-Fußball"-Aufhänger hatte wiederum der ORF seine gesamte Berichterstattung dramaturgisch gelegt, einschließlich eines Interviews mit Franz Beckenbauer in der ZIB: Mit der "Begleiterscheinung", dass ständig wiederholt wurde, wie mutig und innovativ die Staatsoper mit dieser Wahl gehandelt hätte.

Sollte "zeitgenössisch" nicht auch "frei" bedeuten?

Weder inhaltlich, noch "freiheitsdenkend" künstlerisch ist allerdings das Thema: Es steht für eine klare "Absicht", sprich: für eine "benutzte" Kunstform. Es macht das "zeitgenössische Ballett" einmal mehr zur Nebensache, gerade gut genug für die "Drecksarbeit" innerhalb des Kunstbetriebs, nämlich als "Verbindungsfüller" verschiedener anderer Ingredienzen zu dienen, der darüber hinaus im Zeichen des Fußballs, - und in Wahrheit - im Zeichen der anwesenden Gäste aus Politik, Wirtschaft und Sport, zu stehen hat. 2008, im Jahr der Fußball-Europameisterschaft in Wien, scheint es vor allem Werbemittel zu sein. - Wie sehr es das ist, steckt in der Nachfrage: Warum hat Ioan Holender keine Fußball-Auftragsmusik für seinen nach dem Ballett folgenden Opernsänger, den "Fußball-begeisterten" José Carreras, schreiben lassen?!

Holender jedoch, schafft es wieder einmal, seine Schandtat als Tugend zu verkleiden, indem er wiederholt: "Das ist tolle moderne Kunst, moderne Musik, ein moderner Auftrag, modernes Ballett; das ist das Wichtigste beim heurigen Opernball. Was Giorgio Madia hier gemacht hat, kann man nicht genug schätzen." Der Glückstropfen dabei ist nur, dass er tatsächlich einmal begabte Fortschrittskünstler engagiert hat, selbst wenn sie für diesen spekulativ eigennützigen Dienst mißbraucht werden. Das Risiko, dass man sie damit als unliebsam "verschachert" verkennt, müssen sie allerdings selbst tragen. - So ist das nun mal mit der abhängigen Kunst von heute. Denn von der allgemeinen Auftragslage in der Szene weiß man, dass es sich derzeit kaum ein Zeitgenosse leisten kann, einen Auftrag abzulehnen, selbst wenn er "als Künstler" geschätzt ist.

(Weitere Trend-Hintergrundinfo: Der Intendant der Bregenzer Festspiele, David Pountney, benutzt das Thema "Fußball" schon länger als Marketingmittel für die Oper. Vom Land der Creative Industries kommend, Grossbritannien, präsentierte er letztes Jahr darüber hinaus die zeitgenössische, satirische Fußballoper:
Playing Away ... Das geschah aber in einem eindeutigen Kunstrahmen...)

Schwierige Bewertung: Fußballett als Kunstwerk

Unterm Strich bleibt nun aber, das Produzierte zu bewerten. Man muß die - für Opernballverhältnisse - lange, fünfzehnminütige Arbeit, Am Ball - Ein Fußballett für 22 Tänzer und 32 Tanzschüler des Balletts der Wiener Staats- und Volksoper, des deutschen Komponisten und des italienischen Choreografen kritisieren, so wie sie sich selbst "als Kunstwerk", sowie innerhalb des in alle Welt übertragenen Opernballs, klassifiziert: Eggerts Musik lebt trotz neumusikalischer Abstraktion von bekannten Musik- bis Walzerzitaten. Sie also schon, ist versucht, Erkennungmomente für die anwesende, großteils nur unterhaltungskunstaffine menschliche Anwesenheit zu schaffen, so dass sie den Neue-Musik-Mantel leichter akzeptieren kann. Dazu schafft nun Madia eine, umso konkretere "Fußballsituation", die mehr mit Fußball zu tun hat als mit Tanz. Das inkludiert die Gefälligkeit, dass sich sämtliche, zuschauende Menschen, die sich - umgekehrt als ursprünglich Madia - im Fußball eher als im Tanz auskennen, auch unterhalten fühlen - und das betrifft am Opernball wahrscheinlich die Meisten.

Ein paar "großzügige" Nur-Tanzliebhaber werden dieses "Schauspiel" indessen als Ironie auf die Europameisterschaft-Hysterie verstehen; für die Mehrheit der Nur-Tanzliebhaber wird es dagegen "zu wenig Tanz", zu wenig abstrakt, und damit: zu wenig zeitgenössische Kunst sein. Selbst wenn der theatrale Tanzwitz gelungen ist: Wenn Halbsolist András Lukács gekonnt ironisch als Schiedsrichter tanzt, sich Solotänzerin Karina Sarkissova grotesk als Ball (überm Kopf) "schießen" und tragen läßt, und Solotänzer Daniil Simkin als frecher Ersatzspieler eintrippelt, während daneben etwas schwerfällig die Fußballikonen Andi Herzog und Herbert Prohaska als Sanitäter ein simuliertes Faul aufdecken. - Das ist doch eine ungewöhnlich "angewandte" Kombination. - Ob das dem erstmals in Wien am Opernball anwesenden Unicredit-Chef Alessandro Profumo besser gefallen hat, als es eine echte zeitgenössische Tanzeinlage getan hätte, stellt allerdings das große Fragezeichen dar. Sein Choreografen-Landsmann Madia wäre der "Echten" jedenfalls mächtig gewesen; nur hätte er sich sein Thema dafür selbst aussuchen dürfen sollen.

Außerdem ist noch lange nicht gesagt, dass "echte Fußballbegeisterte" nicht auch "echte Tanzbegeisterte" sein können. In diesem Fall bräuchte sich der Tanz dem Fußball auch nicht unterzuordnen. Da selbst alte Philosophen wußten, dass ein "mens sana" nur in einem "sano corpore" stecken kann, dürfte das auch kein Wunschdenken bleiben. Nein, Sport und Kunst gehören definitiv zusammen und müssen demnach auch gleich viel wert, sprich gleich eigenständig, sein. Und je länger man nun über die Dimensionen dieser Aufführung nachdenkt, desto bewußter wird man registrieren, wie sehr man zu Gott und der Welt abtriftet, anstatt am Kunstdiskurs zu verharren, was wiederum an der Dominanz der Umstände rundum dieses Werkes liegen muss, wo zu viel Absicht im Vordergrund steht: es kann daher kaum von einem Kunstwerk die Rede sein.

Nach "Shakespeare"-Tanz zu "Kylian"

Deshalb plädieren wir an dieser Stelle dafür, das nächste Mal doch ein echtes - "sprich freies" - zeitgenössisches Werk zu beauftragen. Dann wären wir auch bereit, Ioan Holender den Status eines fortschrittlichen Kunstdenkers zuzugestehen. Moritz Eggert und Giorgio Madia hätten es sich jedenfalls verdient, in so einem "echten" Rahmen ihre Chance zu bekommen, gerade weil der Opernball ein "Event" für die Masse ist, die unabhängige Kunst von heute kennenlernen w(s)ollte. Denn so erreicht dieses 30 Raffszenen-Miniaturspiel aus Elfmeter, Faul und auf Händen getragenem Schiedsrichter - als "das Fußballfeld - eine Welt" - gerade die theatrale Bühnenmoderne eines Shakespeare. Wo es aber hingelangen sollte, das wäre eine musikalische Tanz-Moderne eines Madia-Eggert-Kylian. e.o.


DAS URTEIL ERST WENN IOAN HOLENDER CHOREOGRAF GIORIO MADIA UND KOMPONIST MORITZ EGGERT ZEITGENÖSSISCH OHNE AUFLAGEN BEAUFTRAGT, WIRD ER SICH INTENDANT DER VISIONEN NENNEN DÜRFEN.

MUSIK & BALLETT Am Ball – Ein Fußballett für Tänzer und Orchester * UA von Komponist Moritz Eggert + Choreograf Giorgio Madia * Ein Auftragswerk der Wiener Staatsoper für den Wiener Opernball 2008 * Eröffnung des Wiener Opernballs, Liveübertragung im ORF * Mit: Opernballorchester + Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper * Ort: Staatsoper Wien * Zeit: 31.1.2008

JUGENDTHEATER match:poesie und Straßentheaer TOR & CHOR * Von: theater.wozek * Im Rahmenprogramm: KICK & STAGE - DIE THEATERACHSE FÜR JUGENDLICHE ZUR EUROPAMEISTERSCHAFT IN DER SCHWEIZ UND ÖSTERREICH * Spielorte auf 14 Bühnen in Städten, von März bis Juni 2008: ZÜRICH – ST.GALLEN – SCHAAN – BLUDENZ – INNSBRUCK – SALZBURG – ST.PÖLTEN – VILLACH – GRAZ – LINZ – WIEN * Mit: 1. Spielort: Dschungel Wien * Zeit: 07.03.2008: 17h+18h

JUGENDTHEATER FIEBERTRÄUME (UA) * Von: Benedict Thill * Koproduktion DSCHUNGEL WIEN und TheaterFOXFIRE * Inhalt: Die Jagd nach dem fiktiven Ball des Lebens * Ort: Dschungel Wien * Zeit: 7.3.2008: 20h, 08.03.:19h30, 09.03.: 18h, 10. 03.: 10h30, 11.03.: 10h30+19h30, 12.03.:10h30+19h30, 13.03.: 10h30+19h30, 14.03.: 10h30+19h30, 15.03.2008:19h30

TANZ SPIELSTAND * Projekt der Konservatorium Wien Privatuniversität, Abt. Pädagogik für Modernen Tanz in Kooperationmit der Neusprachlichen Mittelschule Greiseneckergasse in Wien, 20 und dem Tanzfestival szene bunte wähne * Von: Elisabeth Hofstetter & Clara Wannerer * Mit: los pepinos * Ort: Dschungel Wien * Zeit: 27.2.2008: 10h30 + 18h * link: www.sbw.at

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