Friday, January 25, 2008

TANZ: LANGWIERIGE "HETEROTOPIA" VON THE FORSYTHE COMPANY

Wenn ein Tänzer - bzw. Choreograph Forsythe (!) - nicht mehr weiß, wie er sich tänzerisch ausdrücken soll, ...

... sollte er sich vielleicht ein anderes Ausdrucksmittel suchen. (Fotos © Dominik Mentzos)


TANZQUARTIER WIEN DER GROSSE WILLIAM FORSYTHE TOURT MIT HETEROTOPIA KÜNSTLERISCH KLEIN DURCH DIE WELT - MAN HÄTTE IHM BESSER SEIN FRANKFURT BALLETT GELASSEN!

Nach Trisha Brown ist William Forsythe in dieser Saison der zweite legendäre US-Name im Tanzquartier, wo man sich denkt, woher "die Legende" bei diesem Tanzkünstler wohl stammen mag? Forsythes neue Arbeit Heterotopia ist zwar nicht ganz so peinlich wie es die wieder gezeigten 70-er Kurzstücke der Brown (click zur Kritik) waren, weil sie immerhin eine zusammenhängende Dramaturgie mit klarer Aussage aufweist, als Kunstwerk mit Anspruch hat aber selbst Österreich-Italiener Elio Gervasis kürzlich im Tanzquartier gezeigtes Aria mehr auf dem Kasten. - Die Kritik dazu reichen wir in Kürze nach. - Fast ist man gewillt, zu resümieren, dass die Sprache dieser US-gebürtigen zeitgenössischen Tanzikonen nur in Verbindung mit dem klassischen Ballett zum imageverdienten Glanz findet. Denn Forsythe hat bis 2004 das Ballett Frankfurt geleitet, wonach er nun sein unabhängiges Ensemble The Forsythe Company GmbH gründete und mit seinen "zeitgenössischen" Stücken durch die "zeitgenössischen" Spielstätten der Welt touren muss. Und da hat er sich wohl an die dort scheinbar vorherrschende Tanzsprache anzupassen!?! Vielleicht ist er in der (gesellschaftspolitisch) gewachsenen Tanzalltagspraxis genauso wenig vor der berühmten Schere im Kopf gefeit, wie sie als Pendant die meisten Überlebensalltagsjournalisten manipuliert und lähmt. Oder die Europäer haben im Vergleich zu diesen beiden Amerikanern in Sachen zeitgenössischen Arbeitens einfach doch von Haus aus mehr zu bieten, weil in ihnen so etwas wie kunsthistorisches Erbe liegt.

Nonverständnis von Papageien und Ziegen

Was ertragen die Besucher also in Heterotopia während langer 90 Minuten: von einem Grossraum mit unsinnig aneinander gereihten Buchstaben auf Tischen, auf denen sich ein Teil einander nicht gleich zu verständigen fähiger Tänzer bewegt, haben sie sich, sobald sie sich langweilen, in den zweiten kleineren, schwarz verkleideten Leerraum zu begeben, wo sich ein bis vier Menschen körperlich und stimmlich quälen, indem sie offensichtlich versuchen, eine künstlich verfremdete Off- oder auch Tanzkollegenstimme adäquat mit ihrem Körper umzusetzen. Sobald sich ein Besucher wiederum hier langweilt, kann er in den ersten Raum zurückwechseln. - So dass er also ständig auf den Beinen ist. Denn die Langeweile ist in beiden Räumen groß. Da mag der eine oder andere Tänzer noch so gut Tiere wie Papageien oder Ziegen nachahmen, sich die eine oder andere Tänzerin momentweise noch so harmonisch zu den offensichtlichen Befehlsstimmen bewegen - das als Choreographie(installation) auszudehnen, ist doch ein wenig zu wenig für ein Kunststück. Denn verstanden hat man die Sache ja sofort. Und dass ein Tänzer sagen will, eine Akustik mit noch so großem Bemühen doch nie hundertprozentig übersetzen zu können, läßt sich wohl in größerer Vielfalt darstellen als in unzusammenhängenden Einzel-Improvisationen, andernfalls sollte sich dieser Tänzerchoreograph vielleicht eine andere Kommunikationsform wählen, da er das Tanzen (bzw. Choreographieren) offenbar verlernt hat.

Keine Kunst auf der Bühne, dafür im Zuschauerkopf

Nun mag die Langwierigkeit vielleicht bewußt dafür stehen, dass auch jeder Mensch im Alltag nie gänzlich verstehen und wiederholen kann, was der andere von einem wünscht. - Oder der Choreograph spekuliert darauf, all diese Non- bis Versuchskommunikation möge den Besucher dazu zwingen, sich seine eigenen Gedanken zu spinnen, wenn etwa oberhalb der Tische "Irre" miteinander ringen und sich eine Frau unter die Tische verkriecht, um sich ihrer eigenen Identität vor einem Spiegel zu vergewissern. Der Besucher denkt sich: "Macht es Spaß, sich (als Gruppe) auf Befehl eines anderen wie ein Affe aufzuführen? Vielleicht, denn das mach(t)en auch Sekten- und SS-"Soldaten." - Der Zuschauer muß sich notgedrungen mit sich selbst unterhalten, weil er sonst vor lauter Ärger über diese Zumutung zerspringen würde. Nach Zweidrittel des Abends ertönt endlich etwas Kunst, nämlich Klaviermusik - also "gesellschaftlich anerkannte" Kultur - und alles scheint sich ein wenig "in paarmäßigem Bewegungsverständnis" zu entspannen. Das macht sich aber wiederum der einzige "Anzugträger" zunutze, der die zum Volk gewordenen Einzelgänger nun mit Pistolen beherrschen will, während sich eine sexuell bereite Frau vor ihm und seiner Macht auf dem Boden räkelt. Plötzlich kommt "im Volk" ein Fantasiesprachen-Streit auf, sodass sich nach zweimal Kurz-Schwarzbild (Licht aus) die einzig witzige theatrale Szene heraus kristallisieren muss, wo der Anzugträger den Untergebenen endgültig seine gezwitscherten Befehlsworte einzutrichtern versucht. Bei einem fruchtet das, die anderen krähen und mähen aber weiter wie bisher - denn das ist ihre Sprache, zu einer anderen sind sie entweder nicht fähig, oder auch nicht bereit. - So ist und bleibt daher die menschliche "Un"-Kultur frei ... (!!!) e.o.


DAS URTEIL MUSS SICH DER ZUSCHAUER SEINE ERKENNTNIS VOM FREIWILLIGEN NICHT-VERSTEHEN-WOLLEN WIRKLICH SO UNERTRÄGLICH ERARBEITEN, WIE ES IHM FORSYTHE IN HETEROTOPIA AUFZWINGT?

PERFORMANCE Heterotopia * Von: The Forsythe Company (D) * Choreographie: William Forsythe * Mit: Esther Balfe, Yoko Ando, Amancio Gonzales, David Kern, Ioannis Mantafounis, Fabrice, Mazliah, Cyril Baldy, Francesca Caroti, Dana Caspersen, Inma Rubio, Ander Zabala, u.a. * Ort: Tanzquartier Wien: Kunsthalle / Halle E * Zeit: 25.1.2008: 20h30

INSTALLATION Scattered Crowd * Von: Forsythe und Dramaturg Steven Valk * Mit: The Forsythe Company * Ort: Österreichisches Parlament * Zeit: 29.7.2008: 17h + 30., 31.7, 1.8.2008: 16h

PERFORMANCE Snowman Sinking * Von und mit: Company Antony Rizzi (US/DE) (Forsythe-Extänzer) * Ort: Akademietheater * Zeit: 28.7.2008: 21h

TANZ Gala-Abend "Preljocaj/Forsythe/Rosas/Chouinard" * Mit: Manuel Legris und Laetitia Pujol vom Ballet de l’Opéra National de Paris; Tänzern des Mariinsky-Kirov-Balletts; Antony Rizzi & Leslie Heylman, Ex-Tänzer des Ballett Frankfurt; Mitgliedern von Rosas und Chouinard * Ort: Burgtheater, im Rahmen von ImPulsTanz Wien * Zeit: 14.7.2008: 19h30, 16.7.2008: 20h

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